###USER_address###, Deutschlands Selbstbild als Erinnerungsweltmeister ist dieser Tage wieder allgegenwärtig - und nicht selten Quelle eines neuen Überlegenheitsgefühls, welches sich auch in eine kriegstüchtige Außenpolitik übersetzt. Währenddessen verdrängt das kollektive Gedächtnis der Bundesrepublik hartnäckig die deutsche Kolonialgeschichte. Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts, begangen vor 120 Jahren von deutschen Kolonialtruppen an Nama und Ovaherero auf den Gebieten des heutigen Namibia, bleibt ein blinder Fleck eines erinnerungspolitisch aufgerüsteten Deutschlands. Noch heute müssen die Nachfahren der Überlebenden um eine vollständige Anerkennung des Genozids kämpfen. Weder wurden den Nama und Ovaherero die in Zeiten kolonialer Barbarei enteigneten Territorien zurückgegeben, noch hat Deutschland den Völkermord als solchen offiziell anerkannt. Die deutsche Bundesregierung redet zwar von Versöhnung, verweigert sich jedoch der Reparatur. In der neuen Folge unseres Podcasts Global Trouble spricht der renommierte Historiker und Kolonialismusforscher Jürgen Zimmerer über diese Lücken in der deutschen Erinnerungspolitik und bezeichnet sie als „koloniale Amnesie“. Ein Lehrstück dieser Nicht-Erinnerungspolitik ereignete sich unlängst in Dresden, wo eine Ausstellung zu den deutschen Kolonialverbrechen in Namibia im Klima deutscher Staatsräson vor ihrer Eröffnung abgesagt wurde. All das ist Grund für ein neues, intensiviertes Engagement medicos, gemeinsam mit unseren namibischen Partnerorganisationen. Wir wollen die Stimmen derer verstärken, die unermüdlich für Gerechtigkeit kämpfen. Zwischen Deutschland und Namibia steht medico an der Seite der Vertetungen der Nama und Ovaherero und den Aktivist:innen vor Ort, die sich gegen die spürbaren Auswirkungen der kolonialen Verbrechen wehren. Eyal Weizman, Direktor von Forensic Architecture und medico-Geschäftsführer Tsafrir Cohen beschreiben dieses komplexe Panorama eindrücklich in einem gemeinsamen Reisebericht, der auch von zukünftigen Kooperationen kündet. Die fatalen und ganz realpolitischen Konsequenzen einer instrumentellen und einseitigen Erinnerungspolitik beschreibt die Autorin und taz-Kolumnistin Charlotte Wiedemann in ihrem Kommentar „Zwischen Windhoek und Gaza“ für unseren Blog. „Die humanistische Substanz der offiziellen Erinnerungskultur erweist sich als erschreckend dünn – und damit ist auch die Annahme erschüttert, das Gedenken an die NS-Verbrechen werde helfen, künftigem Faschismus und Autoritarismus vorzubeugen“, schreibt sie in ihrem Beitrag. Dessen Lektüre möchte ich Ihnen am Schluss dieses Newsletters unbedingt empfehlen. Unterstützen Sie unsere Arbeit in Namibia mit einer Spende und verbreiten Sie gerne diesen Newsletter im Bekanntenkreis. Mit besten Grüßen Julia Manek |