10 Jahre Rojava

Vom demokratischen Experiment zum Hoffnungsträger einer Region

Am 19. Juli 2012 zogen sich die Truppen des Assad-Regimes aus Kobanê zurück. Kurdische Kräfte übernahmen die Stadtverwaltung und stießen damit die Übernahme auch in anderen Teilen in der Region an. Aus dem demokratischen Experiment, wie medico die Entwicklungen Rojavas lange beschrieb, ist inzwischen eine konföderale und autonome Selbstverwaltung geworden, in der Minderheitenrechte, Gleichberechtigung und Demokratie das Handeln leiten. Zehn Jahre nach der friedlichen Übernahme Kobanês ist es nun an der Zeit, gemeinsam Bilanz zu ziehen und Perspektiven zu diskutieren.

Mediathek

+++ Wir haben die Auftaktveranstaltung und die Konferenz aufgezeichnet und stellen die Videos in der Mediathek zur Verfügung +++

Auftaktveranstaltung

23.07.2022 im Haus am Dom, Frankfurt

Ein Rück- und Ausblick auf eine Region geprägt von Hoffnung, Selbstbestimmung und Solidarität. Gesprächsrunde mit Sherwan Bery (Kurdischer Roter Halbmond, Rojava], Müslüm Örtülü, Mitarbeiter von Civaka Azad (kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit), Anita Starosta (medico international) und Michael Wilk (Arzt und Psychotherapeut, "Erfahrung Rojava"). Im Anschluss Musik von Cemîl Qoçgîrî (kurdisch-alevitischer Tenbûr-Spieler)


Konferenz

am 10. und 11.09.2022 | medico-Haus, Frankfurt

Der Aufstand der Demokratiebewegung 2011 in Syrien setzte auch für die kurdische Minderheit im Norden Syriens (kurdisch „Rojava“) etwas in Gang, das bis heute hält. Aus dem demokratischen Experiment, wie medico die Entwicklungen Rojavas lange beschrieb, ist inzwischen eine autonome Selbstverwaltung geworden. Der Idee eines eigenen, kurdischen Nationalstaates ist ein sogenanntes demokratisches konföderales System gewichen, in dem Minderheitenrechte, Gleichberechtigung und Demokratie das Handeln leiten.

Auf einzelnen Panels wollen wir an dem Wochenende 10./11. September den Entwicklungen der letzten 10 Jahre nachgehen und gemeinsam mit Vertreter:innen aus Rojava, Wissenschaftler:innen, Expert:innen und Politiker:innen aus Deutschland und Europa mögliche Perspektiven diskutieren. Mehr lesen...

Programm

Samstag 10. September 2022

10h Begrüßung & Grußworte

Tsafrir Cohen (Geschäftsführer medico international) [Video]

Grußwort: Bürgermeisterin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg (Die Grünen, Stadt Frankfurt) [Video]

Grußwort: Rita Segato [Video]

10.30-11.45h 10 Jahre Rojava – Rückblick in einer Zeit der Weltunordnung
Martin Glasenapp (ehem. Nahostreferent von medico international), Christin Lüttich (Adopt a Revolution), Nilüfer Koç (Ko-Vorsitzende Kurdischer Nationalkongress)

12.00-12.30h Vom kurdischen Nationalstaat zum demokratischen Konföderalismus und die Bedeutung für Minderheiten in der Region.
Dr. Dilar Dirik (online - Soziologin, Universität Oxford), Dr. Nazira Goreya [assyrische Vertretung, Rojava]

12.30-13.30h Mittagspause

13.30-15.30h Entwicklung der autonomen Selbstverwaltung – eine kritische Bestandsaufnahme
Ercan Ayboga (Stellv. Regionalbüroleiter Rosa Luxemburg Stiftung, Hessen), Dr. Abdulkarim Omar (Außenbeauftragter der Autonomieverwaltung, Rojava),  Dr. Sardar Saadi (Direktor Institut für Sozialwissenschaften, Universität Rojava), Kristin Helberg (Journalistin, Politikwissenschaftlerin und Syrien-Expertin)

15.30-16h Pause

16h - 17.30h Recht auf Wasser: Klimawandel & Wasser als Kriegsmittel
Egid Ibrahim (online - Right Defense Initiative-RDI, Rojava), Nicholas Hildyard (online - The Corner House, UK), Kathrin Henneberger [online - MdB Die Grünen, Ausschuss "Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" & Ausschuss "Klimaschutz und Energie" ]

17.30-18h Pause

18h-19.30h  Rojava zwischen geopolitischen Interessen und internationaler Anerkennung
Îlham Ehmed (Demokratischer Rat Syrien), Dr. Thomas Schmidinger (Politikwissenschaftler, Sozial- und Kulturanthropologe), Kamal Chomani (Kurdish Peace Institute)

Sonntag 11. September 2022

10.00-11.30h Bedrohtes Rojava: Von Rüstungsexporten bis Drohnenkrieg
Jan van Aken (arbeitet zu internationalen Konflikten bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung), Matthias Monroy (Wissensarbeiter, Aktivist und Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP), Chloé Troadec [Rojava Information Center]

11.45-13h Die große Bürde: Zum Umgang mit (internationalen) IS Anhänger:innen und die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft
Adnan Khalil (Purity, Rojava - online), Dr. Thomas Schmidinger (Politikwissenschaftler, Sozial- und Kulturanthropologe), Dr. Markus Sehl (online - Stellvertretender Chefredakteur Legal Tribune Online)

13-14h Pause

++ Videobotschaft von Düzen Tekkal (HÁWAR.help) ++

14-16h Menschenrechte verteidigen: Aufarbeitung und Gerechtigkeit für die Opfer des Krieges
Egid Ibrahim (online - Right Defense Initiative-RDI, Rojava), Katrin Langensiepen [MEP Bündnis 90 /Die Grünen ], Andreas Schüller (ECCHR), Kamal Sido (Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen)

16h-16.15h

16.15-17.45h Perspektive Rojava!?
Îlham Ehmed (Demokratischer Rat Syrien), Anita Starosta (medico international), Kristin Helberg (Journalistin, Politikwissenschaftlerin und Syrien-Expertin)

Die Konferenz fand im medico-Haus, Lindleystr. 15 in Frankfurt am Main statt.

Die Konferenz fand in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt, die die Selbstverwaltung in Rojava seit vielen Jahren mit öffentlichen Veranstaltungen und diversen Analysen begleitet.


Dossier: Projekte, Texte, Analysen

Rojava

Neben der Nothilfe stehen die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und der Kampf um Gerechtigkeit für unsere Partner:innen in Rojava im Vordergrund.

Über die Konferenz 10 Jahre Rojava

Der Aufstand der Demokratiebewegung 2011 in Syrien setzte auch für die kurdische Minderheit im Norden Syriens (kurdisch „Rojava“) etwas in Gang, das bis heute hält. Aus dem demokratischen Experiment, wie medico die Entwicklungen Rojavas lange beschrieb, ist inzwischen eine autonome Selbstverwaltung geworden. Der Idee eines eigenen, kurdischen Nationalstaates ist ein sogenanntes demokratisches konföderales System gewichen, in dem Minderheitenrechte, Gleichberechtigung und Demokratie das Handeln leiten.

Am 19. Juli 2012 zogen sich die Kräfte des geschwächten Baath-Regime aus Kobanê auch infolge von lokalen Protesten zurück. Kurdische Kräfte übernahmen die Stadtverwaltung und stießen damit die Übernahme der Institutionen auch in anderen Teilen in der Region an. Es folgte ein Krieg gegen den Islamischen Staat (IS), dessen Folgen bis heute gewaltvoll im Gedächtnis der Bevölkerung verankert sind. Unter widrigsten Umständen, Bedrohungen und wiederholten Angriffen durch die Türkei ist dennoch eine lebendige Zivilgesellschaft entstanden: eine demokratische Selbstverwaltung wurde geschaffen und ein neues Gesellschaftsmodell entwickelt, dem sich nach der Zerschlagung des IS auch mehrheitlich arabische Gebiete wie Raqqa, Tal Abyad und Teile Deir-Ez-Zors anschlossen. 

medico hat Rojava von Beginn an begleitet. Flüchtlingshilfe, Aufbau des Gesundheitssystems und Menschenrechtsarbeit sind bis heute zentrale Bestandteile der Arbeit von medico-Partner:innen vor Ort.

Zehn Jahre nach der friedlichen Übernahme Kobanês ist das „demokratische Projekt Rojava“ jedoch mehr als bedroht, Ankündigungen eines erneuten militärischen Angriffes der Türkei überschatten die lokalen Entwicklungen. Seit Monaten finden außerdem gezielte türkische Drohnenangriffe im Grenzgebiet statt. Hinzu kommt eine drohende Wasserknappheit durch Dürre (Klimawandel) und Begrenzung des Zuflusses durch die Türkei. Ungelöst ist zudem die Frage wie ein angemessener Umgang mit den über zehntausend (internationalen) IS-Kämpfern und Angehörigen aussehen kann. Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen und Gerechtigkeitsprozesse sind in der Kriegsregion ebenso offene Prozesse. Bis heute gibt es keine politische Perspektive für die Region, die fehlende internationale Anerkennung führt immer wieder an Grenzen, die besonders im Bereich der humanitären Hilfe schwer wiegen.

Auf einzelnen Panels wollen wir an dem Wochenende 10./11. September diesen Entwicklungen nachgehen und gemeinsam mit Vertreter:innen aus Rojava, Wissenschaftler:innen, Expert:innen und Politiker:innen aus Deutschland mögliche Perspektiven diskutieren.