Feminismus in autoritären Zeiten verteidigen
Für eine gerechte Welt einzustehen bedeutet auch die Ursachen für Not und Ungleichheit aus feministischen Sichtweisen zu betrachten und sich für herrschaftsfreie Lebensweisen einzusetzen. Das tun medico-Partner:innen weltweit seit vielen Jahren. Aus feministischen Kämpfen entstehen Analysen und Theorien, die alltägliche Erfahrungen mit globalen Zusammenhängen verbinden. In multiplen Krisenzeiten beschreiben und kritisieren sie Krieg und Gewaltverhältnisse.
Während die extreme Rechte global erstarkt, erleben wir dennoch wie sich überall auf der Welt feministische Bewegungen beharrlich und kollektiv den autoritären Entwicklungen widersetzen. Von Guatemala bis Südafrika, Irak und Indonesien sind Feminist:innen wichtiger Bestandteil der Proteste für wirtschaftliche, soziale und politische Rechte. Sie setzen sich ein für ein Leben in Würde und Gerechtigkeit, für Selbstbestimmung über ihre Körper und menschenwürdige Arbeitsbedingungen, dem Zugang zu Gesundheitsversorgung oder Aufarbeitung von Verbrechen. Ein Gradmesser dafür was feministische Außen- und Entwicklungspolitik sein müsste, bisher aber uneingelöst bleibt.
Unsere Arbeit als Hilfs- und Menschenrechtsorganisation ist ohne diese Ansätze und den Austausch mit Partner:innen nicht zu denken. Das medico Dossier zu feministischen Analysen und Gegenstrategien wirft Schlaglichter auf Kämpfe, Erfahrungen und Debatten unserer Partnerorganisationen. Wir wünschen eine gute Lektüre.
Selbstbehauptung & Selbstbestimmung
In ihrem Einsatz für eine gerechtere Welt kämpfen viele medico-Partnerorganisationen gegen patriarchale Machtstrukturen. Feministische Bewegungen begehren überall auf der Welt dagegen auf – von kleinen Initiativen wie die Frauenorganisation Aman im Irak bis zu den großen Mobilisierungen der Marcha das Mulheres in Brasilien. Für unsere Arbeit brauchen wir den Beistand vieler. Es würde uns sehr freuen, wenn Sie uns dauerhaft verbunden bleiben.
Projekte & Partner:innen
Phephisa – Survivors of Violence (Südafrika)
Die tiefsitzenden schmerzhaften Erfahrungen Überlebender sexualisierter und Geschlechterspezifische Gewalt bleiben häufig unausgesprochen. Betroffene werden so ohne praktische Betreuung oder therapeutische Unterstützung und ohne Zugang zur Justiz mit ihren traumatischen Erfahrungen alleine zurückgelassen. Das Phephisa Survivors Network arbeitet in über 20 Selbsthilfegruppen im Osten Südafrikas. Überlebende finden hier einen Raum für gegenseitige Unterstützung in ihrem individuellen und kollektiven Reflexions- und Heilungsprozess und ihrer Suche nach Gerechtigkeit. Zugleich wirkt das Netzwerk xenophoben Spaltungen entgegen.
Institut Mosintuwu (Indonesien)
Seit 2010 setzt sich das Institut Mosintuwu für die Selbstbehauptung von Dörfern in Poso, Indonesien ein. Das Institut verbindet gesellschaftliche Kämpfe miteinander und entwickelt in den Bereichen Forschung, Wirtschaft, Gesundheit, Medien und Umwelt Alternativen zum kapitalistischen Entwicklungsmodell von Vernutzung und Kontrolle. Ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit ist Bildung: In Workshops werden an alltäglichen Fragen lokale bis nationale Strukturen und gesellschaftliche Normvorstellungen auf den Prüfstein gestellt. Ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit bilden dabei sexuelle und reproduktive Rechte. Das Institut setzt sich für die Opfer sexualisierte Gewalt ein, die oftmals von Polizei und Gesellschaft ausgegrenzt und vernachlässigt werden.
Haukari (Irak/Kurdistan)
Seit 1996 arbeitet HAUKARI e.V. in Kurdistan-Irak für die Stärkung der Selbstorganisation von Überlebenden politischer Gewalt. Heute fördert der Verein Projekte zur Beratung von Frauen in Gewalt- und Krisensituation. Fortbildungen und Aktionstage über soziale und Geschlechtergerechtigkeit tragen zu einem breiteren Verständnis in den ländlichen Regionen bei. Bildungsangebote nehmen die lokalen Perspektiven explizit zum Ausgangpunkt um Wissen zu dekolonisieren. Im Dialog wird versucht stimmige Antworten auf die Umstände von Jugendarbeitslosigkeit bis Klimakrise zu entwickeln.
Escola Feminista Abya Yala (Brasilien)
In den Peripherien der brasilianischen Großstädte sind besonders Frauen, Trans- und nichtbinäre Personen von extremer Gewalt und prekären Lebensbedingungen betroffen. Dazu trägt nicht zuletzt der große Einfluss der extremen Rechten bei, die zu Wirtschaft, Militär und den erzkonservativen Pfingstkirchen engste Beziehungen pflegt. Das aktivistische Frauen*kollektiv Escola Feminista Abya Yala bietet einen sicheren Raum für indigene, afroindigene und afrobrasilianische Frauen*. Dort können sie sich über ihre Lebenssituationen, Erfahrungen austauschen, sich über Rechte informieren und sich für gemeinsame Auseinandersetzungen zusammenschließen. Ihre Perspektiven stärken Veränderungen ihrer Gemeinden in den Bereichen Erziehung, Kultur und Gesundheit.