Internationale Notlage

Unzuverlässige Weltgemeinschaft

15.08.2024   Lesezeit: 4 min

Warum der Ausbruch von Mpox uns alle angeht.

Von Anne Jung

Es war angesichts der vielen anderen Krisen leicht zu überhören. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), seit der Covid 19-Pandemie bekannt aus Funk und Fernsehen, hat nach dem massiven Ausbruch des Mpox Virus in mehreren afrikanischen Staaten die höchste Alarmstufe ausgerufen, die ihr zur Verfügung steht – eine „gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite“. Sie folgt damit dem afrikanischen Center for Disease Control (African CDC), die eine „gesundheitliche Notlage kontinentaler Tragweite“ bereits am Vortag erklärt hatte. Das Wort international verweist darauf, dass die Weltgemeinschaft zum Handeln aufgerufen ist. Doch handeln tut sie gerade nicht.

Doch der Reihe nach: Bei Mpox handelt es sich um eine Zoonose, eine von Tieren auf den Menschen übertragbare Virus-Erkrankung, die immer wieder kleinere Ausbrüche in Zentral- und Westafrika hervorruft. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind bei engem Kontakt ebenfalls möglich. Oft sind Kinder betroffen, aber auch andere Menschen, die in besonders prekären Verhältnissen und dadurch auf engstem Raum leben.

Typische Symptome sind Fieber und Pusteln auf der Haut. Seit diesem Jahr sind im Osten der Demokratischen Republik Kongo zahlreiche Fälle einer neuen Unterlinie des Virus entdeckt worden. Gerade die großen Flüchtlingslager in Goma sind betroffen. Die neue Variante scheint sich einfacher auszubreiten und schwerere Krankheitsverläufe zu verursachen. Auch aus Kenia, Uganda, Ruanda und Burundi werden Fälle gemeldet.

Dies ist einer der Gründe für die WHO, Alarm zu schlagen nach dem in den internationalen Gesundheitsvorschriften festgelegen Regeln. Dieser Schritt bedeutet zudem, dass die Behörden weltweit alarmiert werden, damit sie sich auf mögliche Ausbrüche vorbereiten.

Keine rechtebasierte Regelung

Der Ausbruch von Mpox fällt in eine Zeit, in der bei der WHO über einen Pandemievertrag gestritten wird. Gäbe es den bereits, wäre es leichter schnell zu reagieren und den Ausbruch einzudämmen. Die Idee des Vertrages ist großartig: er könnte normative Maßstäbe setzen, um global mehr in die Vorbereitung und Überwachung von Infektionskrankheiten zu investieren und die während der Covid-19-Pandemie aufgetretenen Verteilungsungerechtigkeiten zu überwinden. Und zwar nicht als Charity-Maßnahme oder als „Impfstoffdiplomatie“, mit der Impfstoffe aus reichen in (befreundete oder strategisch wichtige) arme Länder gespendet wurden – sondern als völkerrechtlich bindendes Werkzeug, das im Weltinteresse der Pandemieeindämmung zum Einsatz käme. Denn Viren kennen keine Grenzen. Das zumindest sollte eine Lehre aus der Covid-19-Pandemie sein.

Sollte. Ist es aber nicht. Denn die Verhandlungen stocken. Streit gibt es vor allem zur Verbindlichkeit des Abkommens, denn diese würde die Macht der Pharmaindustrie im Ernstfall zugunsten des öffentlichen Interesses einschränken und eine schnelle Impfstoffherstellung in großen Mengen ermöglichen. Diese würden dann global nach Bedarf und nicht nach Kaufkraft verteilt. Danach sieht es nicht aus. Schon während der Covid-Pandemie hatte Deutschland zu den Ländern gehört, die gegen den Willen zahlreicher Länder und zivilgesellschaftlichem Protest global und auf EU-Ebene dafür gesorgt haben, dass die Impfstoffpatente nicht freigegeben wurden.

Die laufenden Verhandlungen der WHO über einen internationalen Pandemievertrag machen deutlich, so die Gesundheitsexpertinnen Dian Maria Blandina und Lauren Paremoer vom medico Partnernetzwerk People’s Health Movement, „dass eine tiefe Kluft besteht zwischen dem Fokus des globalen Nordens auf Gesundheitssicherheit und industrielle Interessen und dem Drängen des globalen Südens auf einen gerechten Zugang zu Gesundheitsprodukten und eine verstärkte lokale Produktion.“

Horten und Spenden

Die EU-Kommission will afrikanischen Ländern nun Impfstoffe gegen eine neue Variante des Mpox-Virus zur Verfügung stellen. Demnach sollen dem African CDC rund 215.000 Impfdosen aus eigenen Beständen und direkt vom Hersteller gespendet werden. 50.000 Dosen haben die USA angekündigt. Ein Tropfen auf den heißen Stein, benötigt würden alleine für 2024 zwei Millionen Dosen, schätzt das African CDC, weitere acht im nächsten Jahr. Wie viele Impfdosen von Ländern zurückgehalten werden, um im Notfall vorbereitet zu sein, ist nicht bekannt, allein in den USA sollen es eine halbe Million sein. Es gibt aber auch gar nicht genug Impfdosen, weil die weitere Produktion nach dem Ende des Ausbruchs 2022 keine Priorität mehr hatte – Mpox ist weiterhin eine der sogenannten vernachlässigten Krankheiten, die primär im globalen Süden auftreten und keine globalen Profite für die gewinnorientierte Pharmaindustrie versprechen.

Das Modell der Spende und der philanthropischen Zweckmäßigkeit kann die grundlegende Kluft zwischen dem monopolistischen Modell, das es untermauert, und der Notwendigkeit der benachteiligten Länder, für sich selbst zu produzieren, nicht lösen.

Zeit für ein Umdenken. Deutschland und viele andere Staaten des globalen Nordens haben die Möglichkeit, umgehend das Wissen zur Produktion von Mpox Impfoffen bereit zu stellen, damit auf dem afrikanischen Kontinent die dringend benötigten Dosen produziert werden können. Sie können im Interesse der Weltgesundheit die Verhandlungen über den Pandemic Treaty in eine Richtung steuern, dass bei der nächsten gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite, ein sofortiges international koordiniertes Handeln möglich ist.

Anne Jung (Foto: medico)

Anne Jung leitet die Öffentlichkeitsarbeit bei medico international. Die Politikwissenschaftlerin ist außerdem zuständig für das Thema Globale Gesundheit sowie Entschädigungsdebatten, internationale Handelsbeziehungen und Rohstoffe.

Twitter: @annejung_mi


Jetzt spenden!