Eigentlich Schade, dass der G8-Gipfel in dieser Form wohl zum letzten Mal in Deutschland getagt hat. Denn so viel kritische Globalisierungsdebatte wie im Vorfeld dieses Gipfels war selten. Man hatte zwischendurch den Eindruck, als gäbe es eine überwältigende Mehrheit gegen die neoliberale Form der Globalisierung, wie sie die G8-Gipfeln seit Jahren symbolisieren. Man konnte sich fast in der Hoffnung wiegen, dass sich nun endlich auch eine andere Praxis durchsetzen ließe.
Aber hier ist – wie so oft – die Diskurshoheit trügerisch. Der G8-Gipfel, dessen Legitimität allein aus der ökonomischen Dominanz seiner Mitgliedsstaaten besteht, hat im Ergebnis nur deren weitere Vormachtsstellung abgesichert. In den alle bewegenden Klimafragen haben sich die Verursacher der Katastrophe gerade mal bereit gefunden über mögliche Klima-Ziele möglicherweise in einigen Jahren zu verhandeln. Das war, als würde ein Brandstifter erklären, dass er Jahre, nachdem er den Brand gelegt hat, bereit ist darüber nachzudenken, die Feuerwehr zu rufen.
Auch die dramatische Situation vieler Menschen in Afrika und die Bekämpfung von AIDS hat von den Mächtigen dieser Welt eine bittere Reaktion erfahren. Von den großen Ankündigungen ist nämlich nicht viel geblieben. Zwei Jahr zuvor, auf dem Gipfel im schottischen Gleneagles, hatte man noch beschlossen, dass bis 2010 allen AIDS-Kranken ein universeller Zugang zu Medikamenten zugesichert werden soll. Nun heißt es vage, dass 5 Millionen in einigen Jahren Medikamente bekommen sollen. Allein heute bräuchten 7 Millionen Menschen eine Therapie. Aber nur ein Drittel der Kranken werden versorgt. Das bei einer Infektionsrate von 4.3 Millionen Menschen allein im Jahr 2006, darunter eine halbe Million Kinder.
Ein Haupthindernis für den universellen Zugang zu Medikamenten ist das globale Patentregime, das in Heiligendamm noch verstärkt wurde. Nur lokale Medikamentenproduktionen und Parallelimporte von Nachahmer-Produkten beispielsweise von indischen Generika-Firmen könnten einen preiswerten Zugang sichern. Wer jedoch wie Thailand oder Brasilien legale, im internationalen Abkommen über Geistige Eigentumsrechte (TRIPS) verankerte Möglichkeiten nutzt, sogenannte Zwangslizenzen zu verhängen, um preiswerte Medikamente zu importieren und eine lokale Produktion aufzubauen, muss mit massiven Gegenmaßnahmen eben jener G8-Mitgliedsstaaten und der dort ansässigen Pharmakonzerne rechnen. Ganz abgesehen davon, dass sowohl die USA wie die EU in bilateralen Abkommen mit Einzelstaaten und Staatgemeinschaften noch viel schärfere Patentregeln durchsetzen. Sie sichern so die Gewinninteressen der Pharmakonzerne auf Kosten der Kranken, die nicht in der Lage sind, hohe Medikamentenpreise zu bezahlen. Im Fall von AIDS wird der frühe Tod von so vielen Kranken wissentlich in Kauf genommen, dass man die Zahl gar nicht nennen möchte.
Der Verschärfung der Patentrechte aber wird im Abschlussdokument von Heiligendamm unablässig das Wort geredet. Als Produktpiraten werden die einen kriminalisiert, wie die anderen als Innovatoren gefeiert werden. So wie klar ist, dass man Raubkopien nicht durch die Verschärfung der Patente bekämpfen kann. So klar ist auch, dass Patente im pharmazeutischen Bereich Innovationen behindern. Denn sie sichern die enormen Gewinnmargen über 20 Jahre und länger, ohne dass wirkliche teure innovative Forschung vorgenommen werden muss. Auch das ein Grund, warum die Produkt-Pipeline für neue, innovative Medikamente bei den Pharmakonzernen gähnend leer ist.
Betrachtet man die Ergebnisse des Gipfels, dann hat er sich also selbst delegitimiert. Außer Spesen nichts gewesen – das ist die Bilanz, die nicht nur Globalisierungskritiker ziehen. Wenn nun eine Debatte beginnt, wo denn eigentlich legitimes globales Handeln im Interesse der Menschen und nicht des Marktes anzusiedeln ist, dann ist das das eigentlich erwähnenswerte Ergebnis.