Mittelamerika versinkt im Dauerregen

Spendenaufruf für Unwetteropfer

20.10.2011   Lesezeit: 6 min

Nach dem tropischen Tief 12-E sorgt nun der Tropensturms "RINA" für Dauerregen in Mittelamerika. Rund 600.000 Menschen sind betroffen, fast 100 starben. Am schlimmsten ist die Situation in Guatemala und El Salvador. Hier wurden die heftigsten Regenfälle seit 50 Jahren gemessen.

„In den bergigen Regionen häufen sich die Erdrutsche, allenthalben sind Brücken zerstört oder nicht passierbar. Viele Dörfer sind seit Tagen von der Außenwelt abgeschnitten. Besonders betroffen sind die armen Bevölkerungsschichten, die entlang gefährdeter Flussufer, Berghänge und Schluchten siedeln und denen die Mittel fehlen, ihre Häuser katastrophensicher zu bauen. Hinzu kommen die massiven Ernteausfälle – ein Desaster für die größtenteils arme Landbevölkerung“, berichtet Dieter Müller, Leiter des medico-Regionalbüros Mittelamerika.

Unsere Kollegen und Kolleginnen von der Asociación de Promotores Comunales Salvadoreños (APROCSAL) in El Salvador versorgen derzeit 5.000 Betroffene in 40 Gemeinden und 23 Notunterkünften mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Plastikplanen und Medikamenten. In Guatemala kümmert sich unsere Partnerorganisation Asociación Coordinadora Comunitaria de Servicios para la Salud (ACCSS) um 6.500 Menschen in 19 Gemeinden und Notunterkünften. Beide Organisationen können auf langjährige Erfahrungen in der Basisgesundheitsversorgung, Katastrophenprävention und Nothilfe in den betroffenen Regionen zurückgreifen und dadurch schnell und gezielt helfen.

Ursache Umweltzerstörung

Schwere Regenfälle sind in Mittelamerika um diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich. In diesem Jahr regnet es jedoch deutlich mehr und länger als in den Jahren zuvor. Vermutlich eine Folge des Klimawandels. Dass die starken Regenfälle nicht nur zunehmen, sondern auch immer verheerendere Auswirkungen haben, liegt nicht zuletzt an der Abholzung der Wälder, dem großflächigen Anbau von Monokulturen und der Überfrachtung der Umwelt mit Müll. Die Aufnahmefähigkeit der Böden verringert sich immer mehr, Bäche und Flüsse treten immer häufiger über die Ufer und der Müll in der Kanalisation verhindert zunehmend, dass das Wasser abfließen kann. Also sucht es sich andere Bahnen, überschwemmt Siedlungen und Felder, zerstört Straßen und Brücken.

Diese Zerstörung trifft vor allem die Ärmsten. Auf der Suche nach Überlebensmöglichkeiten ziehen sie vom Land in die Städte, wo ihnen oft keine andere Option bleibt, als sich in Risikogebieten anzusiedeln. „Wir haben es hier wieder einmal mit einer ,schleichenden’ Katastrophe zu tun“, schreibt Dieter Müller aus Managua. „Die internationale Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz davon, denn - glücklicherweise - müssen wir nicht über 2.000 Todesfälle vermelden wie vor 13 Jahren in Nicaragua beim Hurrikan Mitch, sondern deutlich weniger. Die Realität für Zehntausende hier ist aber dennoch dramatisch.“

Leere Lager, zerstörte Felder: Die mittelfristigen Folgen

Das ganze Ausmaß wird sich erst mittelfristig zeigen. Die Ernteausfälle werden die prekären sozio-ökonomischen Bedingungen der meisten Betroffen weiter verschärfen. Die Reserven aus der letztjährigen Ernte gehen zu Ende, aber in ein bis zwei Monaten, wenn die aktuelle Ernte von Mais, Hirse und anderen Produkten anstünde, wird es vielerorts kaum etwas zu ernten geben. Die Familien werden keine Einnahmen haben, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, geschweige denn, um die Aussaat im kommenden Jahr zu finanzieren.

Treffen wird das auch all jene Familien, die auf zusätzliche Einnahmen als LandarbeiterInnen angewiesen sind. Seit Tagen können sie nicht arbeiten und somit die Ernährung ihrer Familien nicht mehr sichern. Gleichzeitig steigen die Preise für Grundnahrungsmittel. All das wird sich in den kommenden Monaten zuspitzen, wenn die unmittelbare Soforthilfe nachlässt. „Hinzu kommt, dass E-12 vielerorts, so z.B. in den Projektgemeinden von ACCSS an der guatemaltekischen Pazifikküste, die dritte große Unwetterkatastrophe seit 2005 ist“, gibt Dieter Müller zu bedenken. „Ich hoffe, dass es uns gelingt, genug Unterstützung für einen erneuten Neuanfang zu mobilisieren.“

Nachhaltige Katastrophenprävention durch Armutsbekämpfung

Damit die Menschen in dieser besonders gefährdeten Weltgegend nicht immer wieder schutzlos den Unwettern und ihren dramatischen Folgen ausgeliefert sind, damit es nicht immer wieder der Nothilfe und des Wiederaufbaus bedarf, ist eine nachhaltige Katastrophenprävention dringend geboten: die Ausgrenzung breiter Bevölkerungsschichten, die maßgeblich für die negativen Folgen der Unwetterkatastrophe verantwortlich ist, muss überwunden werden.

Die Politik in den betroffenen Ländern muss auf die menschlichen Grundbedürfnisse ausgerichtet sein und nicht auf die Interessen der wirtschaftlichen und sozialen Eliten, die große Teile der Bevölkerung im Regen stehen lassen. Um die Lage der Marginalisierten nachhaltig zu verbessern und sie gegen Katastrophen zu wappnen, bedarf es der Schaffung ökonomischer Perspektiven und deutlich verstärkter Investitionen in Bildung, Gesundheit und Umwelt. Dafür kämpfen unsere Partnerorganisationen in Mittelamerika.

Verbesserter Katastrophenschutz in El Salvador - Wahlkampf statt Nothilfe in Guatemala

In manchen katastrophengeplagten Ländern Mittelamerikas machen sich Verbesserungen in der Umsetzung von Notfallmaßnahmen bemerkbar. So sind in El Salvador und Nicaragua die Regierungen und die Katastrophenschutzeinrichtungen rechtzeitig aktiv geworden, haben Menschen evakuiert und Notfallpläne umgesetzt. In El Salvador ist dies in erster Linie der engen Kooperation von staatlichen Stellen sowie der von der Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN) geführten Kommunen mit nichtsstaatlichen Organisationen wie APROCSAL zu verdanken, die aufgrund ihrer breiten Netze von GesundheitspromotorInnen und lokalen Selbsthilfeinitiativen sofort handeln konnten. Sie richteten Notunterkünfte ein und kümmerten sich um die Erstversorgung der Betroffenen.

In Guatemala sieht die Situation bedauerlicherweise anders aus. Humberto de León, Projektkoordinator unserer Partnerorganisation ACCSS berichtet: „Die Staatskasse ist leer. Die Regierung hat eine Haushaltsanpassung im Parlament eingebracht, um Mittel aus anderen Ressorts für die Nothilfe freizugeben. Die Opposition des Partido Patriota, des aussichtsreichsten Kandidaten für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen am 6. November, hat die Initiative im jedoch Parlamente jedoch blockiert. So fehlt es an Geld für schwere Gerätschaften, um die Folgen der vielen Erdrutsche zu beseitigen. Wahlkampf zu Lasten der Betroffenen!"

Globale Verantwortung

Der globale Norden, der die Länder Mittelamerikas primär zur Befriedigung seines Konsum- und Energiebedarfs als Quellen von Rohstoffen, billigen Arbeitskräften und Agrarprodukten nutzt, muss ebenfalls für die erhöhte Katastrophenanfälligkeit Mittelamerikas in die Verantwortung genommen werden. medico-Partnerorganisationen wie APROCSAL und ACCSS engagieren sich daher auch in internationalen Netzwerken gegen Bergbau und die Landnahme für Agrospritplantagen, für die Sicherung der Ernährungssouveränität ihrer Länder und für eine globale Gesundheitspolitik, die der Privatisierung und Unterordnung der Interessen der Pharmaindustrie entgegentritt.

medico hat für die Nothilfemaßnahmen der Kollegen und Kolleginnen in El Salvador und Guatemala kurzfristig 20.000 Euro zur Verfügung gestellt. Für die unmittelbare Nothilfe wie für die langfristige Unterstützung der Unwetteropfer beim Wiederaufbau ihrer überfluteten Häuser und der Neubewirtschaftung ihrer überschwemmten Felder brauchen wir dringend Ihre Hilfe.

Spenden erbitten wir unter dem Stichwort: Mittelamerika

medico international
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BLZ 500 502 01

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