»Die ersten Geräusche, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnern kann, waren Schüsse. Meine Familie war ständig auf der Flucht. In dieser Gemeinde hat es fast den Anschein, als befinde sich die Gewalt einfach im Blut der Leute. Ich habe keine Ahnung, wie das verändert werden kann.«
Mitglied der Umbumbulu Jugendgruppe, 2002
Die Dynamiken der Gewalt in den ländlichen Gemeinden Umbumbulus bildeten eine große Herausforderung für das KwaZulu-Natal Programme for Survivors of Violence (Sinani). Die Organisation wurde anfänglich von arbeitslosen, nicht zur Schule gehenden Jugendlichen in diese Gegend eingeladen. Es folgte mehrere Jahre lang eine Reihe von Ad-hoc-Interventionen, die von Partnern in den Gemeinden geleitet wurden. Diese friedenschaffenden Maßnahmen boten Sinani eine wertvolle Gelegenheit zum Lernen. In diesem Text soll der Versuch gemacht werden, einige der aus dieser Partnerschaft gewonnenen Erfahrungen zu dokumentieren.
Die Geschichte der Gewalt
Umbumbulu ist ein ausgedehntes ländliches Gebiet im Süden der Stadt Durban in KwaZulu-Natal. Seit Generationen bestehende Konflikte führten in einigen Teilen der Region zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und tiefen Gräben zwischen Familien. Dadurch wurden die Gemeinden anfällig für weitere Spaltungen und für die im großen Maßstab stattfindende politische Gewalt, welche die Provinz in den 80 er und 90 er Jahren verheerte. Die Region ist immer noch deutlich durch die beiden führenden politischen Parteien gespalten, den Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und die Inkatha Freiheitspartei (IFP). Der fortschreitende Friedensprozess und die Politik der Versöhnung vermochten sich nicht auf Gemeindeebene durchzusetzen. Die fortwährenden Gewaltzyklen beinhalteten Angriffe und sogenanntes 'faction fighting', Kämpfe zwischen verschiedenen Familien. Die Situation begann zu eskalieren. In den Zeiten vor lokalen und vor landesweiten Wahlen konnte ein plötzlicher Anstieg der Spannungen und der Todesopfer beobachtet werden, oft entlang der alten Konfliktlinien zwischen den Parteien. Sinani befragte während einer angespannten Vorwahlzeit in Umbumbulu eine Jugendgruppe über die Gewalt in ihrem Umfeld. Das Gespräch zwischen der Jugendgruppe und den Mitarbeitern verlief wie folgt:
Mitarbeiter: »Wie sieht es hier in der Gegend gerade aus?«
Mitglied der Jugendgruppe: »Zur Zeit ist es eigentlich ruhig.«
Mitarbeiter: »Welche Art von Ruhe meint ihr?«
Mitglied der Jugendgruppe: »Nun, nachts wird immer noch geschossen. Aber am Morgen liegen draußen keine Leichen herum, so wie letzte Woche.«
In jüngster Zeit gab es in der Region einen deutlichen Anstieg von Gewaltverbrechen; von sexueller Gewalt, häuslicher Gewalt und Kindesmissbrauch. Auch wenn die Statistiken unzuverlässig sind und daher wenig Aussagekraft besitzen, berichten die Menschen in den Gemeinden regelmäßig davon, nachts Schüsse zu hören und am Morgen draußen Leichen zu finden – ohne erkennen zu können, wer an dem Mord beteiligt war. Bis zum Mittag seien die Leichen verschwunden, ohne verzeichnet zu werden. Die Mitarbeiter von Sinani versuchten, die Anzahl der Toten und die Arten von Verbrechen in der Gegend zu ermitteln. Die Regierung hat jedoch ein Moratorium zu den Kriminalitätsstatistiken erlassen, so dass über diese kaum berichtet wird. Den Mitarbeitern wurde von der Polizei mitgeteilt, dass die Informationen, die sie in den Gemeinden erhalten, nicht mit den Angaben im Polizeicomputer identisch sind.
Traditionelle Strukturen und Gewalt
Traditionelle Musikveranstaltungen sind – so die Teilnehmer der Gruppen – zu einem zentralen Punkt der Gewalt in der Region geworden. Auf diesen Musikveranstaltungen finden Gesangs- und Tanzwettbewerbe zwischen verschiedenen Dörfern statt, die unterschiedliche traditionelle kulturelle Strukturen zum Ausdruck bringen. Die Armee der traditionellen Soldaten (Izinsizwa) beteiligt sich an der Planung und dem Aushandeln der Veranstaltung. Es war die vornehmliche Rolle der Izinsizwa, für ein angemessenes Verhalten der Jugendlichen während der Veranstaltung zu sorgen. Dazu gehört, die Menge zu überwachen und die Interaktionen zwischen Männern und Frauen zu beobachten. Sie sind anwesend, um Konflikten vorzubeugen, wenn es zu Spannungen aufgrund des Ausgangs des Wettbewerbs kommen sollte. Der Gewinner wird von gewählten Vertretern beider Dörfer bestimmt. Die Führung eines jeden Dorfes (Izinduna) und ihre Berater (Izinduna Zamacala) werden, so die Tradition, um Erlaubnis gefragt, ob die Veranstaltung stattfinden kann. Sie leiten die Veranstaltung und haben den Vorsitz inne. In Zeiten des Konflikts haben sie daher die Möglichkeit, während des Wettbewerbs die Gewalt strategisch auf eine Gruppe zu lenken. Die Komponisten der Musik (Ababizi) spielen während der Veranstaltung eine wichtige Rolle. Ganz allgemein beschreiben sie ihre Aufgabe damit, den Dynamiken und Problemen der Gemeinde zu lauschen. Ihre Lieder werden sorgfältig komponiert, um den Führern und der Gemeinde Botschaften in einer Art und Weise anzubieten, die diese lokalen Dynamiken reflektieren. Bei Konflikten spielen sie eine wirkungsvolle Rolle beim Anfachen von Gewalt, indem sie in ihren Liedern das Nachbardorf und die gegnerische Familie beleidigen. Die Sänger (Amagosa) sind ebenfalls an der Gewalt beteiligt, insbesondere aufgrund ihres Verhaltens während der Veranstaltung und ihrer Art zu singen. Teilnehmer beschweren sich darüber, dass heutzutage einige Sänger nur wegen ihrer Stärke als Kämpfer und nicht aufgrund ihrer musikalischen Fähigkeiten ausgewählt würden. Und auch die Jury und die Auswahl der Jury sind zu Konfliktpunkten geworden. Über die Jury wird gesagt, sie konzentriere sich nicht länger auf die Qualität der Musik, sondern nutze ihre Arbeit dazu, Gewalt zu erzeugen. Sie ist nicht mehr aus respektierten regionalen Künstlern zusammengesetzt, welche die verschiedenen Musikgruppen ausgewogen repräsentieren, sondern hat sich polarisiert und steht mit dem Konflikt in direkter Verbindung. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Akteuren der Veranstaltungen sind nicht mehr klar zu differenzieren. Die Führer beschweren sich darüber, dass die Armee ihre Weisungen nicht annehme und dass einige der Kommandeure ihre eigenen Rachemissionen verfolgten. Die Armee beschwert sich darüber, dass sie Instrument der Agenda der Führer sei. Die Sänger beschweren sich darüber, dass sie die Sprachrohre der Komponisten seien und die Komponisten meinen, dass ihre Aufgabe, konstruktive Botschaften zu vermitteln, von den Führern beeinflusst würde. Und alle beschweren sich über einen Mangel an Respekt vor ihrem Fachgebiet und ihrer fachlichen Autorität.
Das Engagement von Sinani
Bei der Vorbereitung der Intervention wurde von Sinani viel Zeit darauf verwendet, sich den Führern vorzustellen und mit ihnen zu beraten, welche Möglichkeiten es gibt, in dieser Gegend zu arbeiten. Es war ein schwieriger Prozess, in einer unbekannten Gemeinde eine Beziehung zu den Führern aufzubauen. Immer wieder wurde die Organisation auf verschiedenen Ebenen Führern und Gruppierungen vorgestellt. Oftmals schienen die Führer »vergessen« zu haben, dass sie zuvor schon konsultiert worden waren und verlangten zu wissen, warum die Organisation ohne ihre Erlaubnis angefangen habe zu arbeiten. Es wurde deutlich, dass noch andere Dynamiken mit im Spiel waren. Die Arbeit mit der Jugendgruppe war ebenfalls schwierig. Es war klar, dass die Gemeinde gespalten war und dass die Organisation nicht die Kapazitäten besaß, zwei Gruppen aufzubauen. Den Jugendlichen wurde offen gesagt, dass Sinani nicht nur mit einem Teil der Jugendlichen arbeiten könne, sondern dass sie entweder warten müssten, bis die Organisation die Kapazität für zwei Gruppen besäße, oder sie zustimmen müssten, eine gemeinsame Gruppe zu bilden. Die Jugendlichen wollten eine gemeinsame Gruppe. Die ersten Mitglieder der Jugendgruppe beschrieben ihre Nervosität: »Wir entschlossen uns loszugehen und jene Jugendlichen zu besuchen, die doch unsere Feinde waren. Es war Schrecken erregend. Wir wussten nicht, was sie davon halten würden. Wir konnten sehen, dass sie argwöhnisch waren.« Dieser mutige Versuch führte zur Bildung einer großen Gruppe von Jugendlichen, die sich wöchentlich in der lokalen Schule, einem als neutral erachteten Treffpunkt, versammelt. Die Arbeit mit den Jugendlichen wurde ständig durch die Konflikte in der Region zurückgeworfen. Jugendliche aus einem besonders stark von der Gewalt betroffenen Teil Umbumbulus wurden immer wieder unter Druck gesetzt, sich an der Gewalt zu beteiligen. Einer sagte: »Ich stehe am Abgrund. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich Selbstmord begehen oder mich an den Verbrechen beteiligen soll.« Ein Mitarbeiter berichtet: »Was mich beeindruckte, war ihr unglaublicher Wille, sich nicht zurück in die Gewalt ziehen zu lassen.« Die Tatsache, dass die Jugendlichen sich den Mitarbeitern jedes Mal anvertrauten, wenn es zu Spannungen kam, war ebenfalls sehr positiv. Es wurde beschlossen, diesen Jugendlichen bei friedenschaffender Arbeit in ihren Wohngebieten zu helfen. Sie wurden darin unterstützt, ein Profil der Gewalt in ihrer Gegend zu erstellen. Ihre Ergebnisse wurden vertrauensvoll behandelt, auch wenn bekannte Gewalttäter identifiziert wurden. Es stellte sich heraus, dass die zuständige Polizei integral an der Gewalt beteiligt war. Die Jugendlichen stimmten zu, mit der Polizei zu sprechen und sie zu ermutigen, Sinani nach Unterstützung zu fragen.
Die Arbeit mit der Polizei
Die Polizei bat Sinani um ein Training für friedensschaffende Maßnahmen, was sofort aufgegriffen wurde. Während des »Victim Empowerment«-Workshops mit der Polizei wurden wichtige traditionelle Führer (Amakhosi) eingeladen. Nach einigen einführenden Übungen, um die Erwartungen abzuklären und den Teilnehmern den Einstieg in den Workshop zu erleichtern, wurden die Teilnehmer nach ihren Herkunftsgebieten aufgeteilt und gebeten, ein Profil der Gewalt in ihrer Gegend zu erstellen. Sie sollten dabei keine Namen nennen oder einzelne Personen herausstellen, sondern die Dynamiken zwischen den verschiedenen Gruppierungen in ihrer Gegend beschreiben.
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Die so aufgedeckten Dynamiken wurden anhand eines Modells über Gewaltkreisläufe diskutiert, das Zyklen von Rache, stellvertretender Aggression und Opferzuschreibungen identifiziert (vgl. Abbildung). Dieser Prozess schien ein wirkungsvoller Teil des Workshops zu sein. Zwischen den Teilnehmern entstand der Konsens, dass sie zusammenarbeiten möchten, um diesen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Während einer Reflektion über die emotionale Verfasstheit der Teilnehmer am folgenden Tag berichteten fast alle, sie hätten vorangegangene Nacht nicht schlafen können, da sie über die individuellen Folgen der Gewalt in ihren Gemeinden nachgedacht hätten. Weitere Gewalt zu verhindern und sicherzustellen, dass ihre Kinder nicht unter den gleichen Bedingungen wie sie aufwachsen müssen, war ein oft geäußerter Wunsch der Teilnehmer. Die Teilnehmer wurden außerdem nach ihren verschiedenen Rollen in Gruppen eingeteilt. Dabei wurde deutlich, wie sich jede Gruppe von der Gemeinde entfremdet und nicht respektiert fühlt. Dies schien die Einstellungen zueinander zu verändern und eine Zusammenarbeit zu erleichtern. Traurigerweise wurde einer der Teilnehmer der Workshops, der von Enthusiasmus für die Friedensarbeit erfüllt war, wenig später ermordet. Es gab Hinweise darauf, dass er seine neue friedenschaffende Position zu deutlich vertreten und sich folglich für seine Feinde verwundbar gemacht hatte. Sie griffen ihn eines Nachts zuhause an. Dies war ein riesiger Schock für die Gruppe und die Leiter des Workshops. Es fiel schwer, die Notwendigkeit zu akzeptieren, mit dem Friedensprozess vorsichtig fortzufahren. Alle neuen Teilnehmer wurden von den Leitern gewarnt: »Denkt daran, auch wenn der Workshop euch dazu bringt, den Frieden in euren Gebieten zu fördern, heißt dies nicht, dass ihr eure Waffen wegwerft und der Welt erklärt, ihr hättet kein Interesse mehr an Gewalt. Das kann euch verwundbar machen. Lasst uns lieber strategisch darüber nachdenken, wie wir weitere zentrale Personen, die in die Gewalt verstrickt sind, mit einbinden können.«
Die Arbeit mit der traditionellen Armee
Nach den ersten Workshops zeigte sich, dass die traditionelle Armee in den Prozeß mit einbezogen werden muss. Ungünstigerweise fand der nächste Workshop auf dem Polizeirevier statt. Da viele der traditionellen Soldaten bekannte Gewaltverbrecher waren, erzeugte dieser Treffpunkt viel Furcht. Jene die kamen, waren sehr ängstlich. Andere blieben gleich fern. Es entstand außerdem eine problematische Dynamik, da die Teilnehmer Soldaten waren, die ihr Leben dem Kampf gewidmet hatten und dafür trainiert waren. Ehre und Rache waren ihnen wichtige Prinzipien. Die Vorstellung des Modells über Gewaltkreisläufe führte beispielsweise dazu, dass einer der Teilnehmer sagte: »Ich habe meinen Bruder verloren und seinen Tod gerächt. Ich habe mich danach besser gefühlt und bereue es nicht.« Dieser Teilnehmer kam weder am zweiten Tag wieder noch zu einem der folgenden Treffen. Dennoch war der Workshop mit den Soldaten sehr wichtig. Es gab eine Veränderung, als die Gruppe zu diskutieren begann, wie sich traditionelles Verhalten im Krieg und die Art der gegenwärtigen Gewalt unterscheiden. Dabei bildeten sich folgende Aspekte heraus:
- Konkurrenz zwischen Dörfern war nie an sich ein Problem und endete fast nie in Gewalt. Das gegenwärtige hohe Gewaltniveau hat mehr damit zu tun, dass die Angelegenheiten anderer Leute auf den Veranstaltungen ausgetragen werden.
- Wenn es zwischen zwei Dörfern einen Konflikt gab, der nicht gelöst werden konnte, wurde ein Kampf vereinbart. Dem stimmten beide Parteien zu, die sich zuvor vorbereiteten.
- Der Kampf fand während dieser vorher festgelegten Zeit und an einem festen Ort statt. Nur Krieger waren beteiligt, die trainiert waren. Und sie waren Männer, keine Jungen oder Zivilisten.
- Der Kampf hatte einen klaren Anfang und ein klares Ende. Große Aufmerksamkeit wurde auf die Versöhnung nach dem Kampf gelegt.
Die Gruppe dachte darüber nach, wie Gewalt in alle Bereiche des Lebens und in die übrige Gemeinde vorgedrungen ist. Zudem wurde festgestellt, dass es gegenwärtig keine Maßnahmen für eine Versöhnung nach der Gewalt gibt.
Die Arbeit mit traditionellen Musikgruppen
Der Workshop wurde in neutrale Gemeinderäume verlegt und für weitere traditionelle Soldaten geöffnet. Außerdem wurden Vertreter verschiedener Musikgruppen eingeladen, sodass die Gruppe auf über 50 Teilnehmer anwuchs. Jedes Mal kamen neue Teilnehmer hinzu. Die Teilnehmer der vorhergehenden Workshops begleiteten die Dazukommenden und blieben als Teil der neuen größeren Gruppe. Die Arbeit mit den Teilnehmern aus verschiedenen Dörfern war sehr angespannt. Sie waren bewaffnet. Am ersten Tages kam es zu einem Zwischenfall: Während der Teepause befestigte einer der Krieger seine Pistole samt Halfter über seiner Kleidung, so dass sie für alle sichtbar war. Einer der Leiter des Workshops berichtete: Dieser Mann stand auf, um eine Frage zu beantworten. Als er gerade anfing zu reden, kam eine Gruppe Jugendlicher etwas zu spät von der Teepause zurück. Die Tür verdunkelte sich, als sie eintraten. Der Krieger drehte sich daraufhin schnell zur Tür und griff zu seiner Pistole. Dann sah er, dass es nur die anderen Teilnehmer waren. Also wandte er sich zurück zum Leiter und sagte: »Entschuldigung, wie war die Frage noch mal?« Dies alles passierte im Bruchteil einer Sekunde, dennoch blieb mein Herz fast stehen.
Die Arbeit mit den Vertretern verschiedener traditioneller Strukturen wurde mehrere Monate fortgesetzt. Es war dringend nötig, die Rollenverteilung klarzustellen, um die traditionellen Strukturen wieder aufzubauen und um Respekt und Würde wiederzugewinnen. Jeder Vertreter erarbeitete eine Art Stellenbeschreibung für seine Struktur. Kommunikationswege und Verantwortlichkeiten wurden geklärt. Die Rollenverteilung zwischen traditioneller und politischer Führung wurde ebenfalls diskutiert. Viele traditionelle Führer befürchteten, dass ihre Position untergraben würde – und dies von Personen, die nicht Teil der Gemeinde sind, sondern als ernannte Vertreter der Regierung gesetzliche Autorität ausüben.
Ergebnisse der Intervention
Der friedenschaffende Prozess entfaltete eine große Dynamik. Der lokale Leiter der Polizei berichtete: »Seitdem Sinani in unserem Bezirk arbeitet, haben wir das niedrigste Gewaltniveau, das jemals beobachtet wurde. Insbesondere über Weihnachten. Wir erhalten sogar Anerkennung von unserer Regierungsbehörde, die uns eine Belobigung zukommen lassen will.« Trotzdem hat sich die Lage vor den Wahlen wieder angespannt:
Ein traditioneller Soldat: »Ich bin physisch anwesend, aber nicht emotional und geistig. Die Lage ist angespannt in meiner Gegend. Ich könnte hier weggerufen werden, falls es ein Problem gibt. Aber ich bin hierher gekommen, weil ich hoffe, dass wir etwas zusammen unternehmen können, um diese Situation zu ändern.«
Andere berichteten zu dieser Zeit: »Die Lage ist politisch angespannt. Hinter verschlossenen Türen werden Morde geplant. Wir haben Angst davor, morgens draußen Leichen zu finden, ohne eine Spur davon, wer das getan hat.«
»Persönliche Probleme werden politisiert. Falls jemand etwas gegen dich hat, kannst du schnell abgestempelt werden.«
»Zu sagen, dass du politisch neutral bist, ist gefährlich. Du könntest als Verräter abgestempelt werden.«
»Wir wollen keine Waffen mehr tragen. Aber wir machen es, weil wir Angst haben, als Verräter zu gelten, wenn wir uns für Frieden einsetzen.«
Dennoch war das Engagement der Gruppe hoch. Bei den folgenden Wahlen war das Gewaltniveau wieder niedriger als jemals zuvor während so einer Zeit. Einer der Teilnehmer sagte, es sei das erste Mal, dass Umbumbulu vor den Wahlen nicht im Zusammenhang mit Gewaltverbrechen in den Medien auftauchte.
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Die Rolle der Musik
Aus dem Workshop entstand die Produktion einer Musik-CD, ohne dass dies von Sinani vorher geplant gewesen wäre. Einige der Teilnehmer baten, daran arbeiten zu dürfen. Die Mitarbeiter unterstützten sie eher zögerlich, da es eine Menge Arbeit bedeutete und sie fast täglich ins Büro kamen, um an diesem Projekt zu arbeiten. Der Effekt, den diese CD auf den Friedensprozess in der Gegend hatte, war größer als die bewährten, »anspruchsvollen« friedenschaffenden Techniken. Zur CD und ihrer Veröffentlichung wurde gesagt:
»Wir sind Stadtgespräch, da unsere traditionelle Musik im Radio gespielt wurde. Sogar die Verbrechensrate ist gesunken. Die Stimmung ist gestiegen – es gibt Aufregung und Hoffnung.« (Mitglied einer traditionellen Musikgruppe)
»Zuerst ergab es keinen Sinn, wenn ich wieder und wieder versuchte, meiner Familie zu erklären, was ich über den Zyklus der Gewalt gelernt habe. Aber als sie sahen, dass wir zusammenarbeiteten und sie die CD bekamen, begann es, für sie Sinn zu machen.« (Traditioneller Führer)
»Ich bin glücklich und aufgeregt. Der Floh, der uns gebissen hat, beißt jetzt andere und verbreitet Frieden in unserer Gegend.« (Traditioneller Führer)
»Ich bin einer der Pioniere dieser Art von Musik. Ich wurde als Täter abgestempelt und als Anstifter von Gewalt. Ich kam schließlich in Haft. Aber heute höre ich, dass diese Art der Musik die Menschen zusammenbringt.« (Mitglied einer traditionellen Musikgruppe)
»Niemals zuvor gab es für uns eine derart erfolgreiche Musikveranstaltung. Normalerweise hätte eine Veranstaltung wie diese in Gewalt geendet. Aber dieses Mal unterstützten sich alle gegenseitig. Es war ein sehr glücklicher Tag für uns alle.« (Traditioneller Führer)
Erste Ergebnisse
Friedenschaffende Interventionen in Umbumbulu:
- In den Gemeinden gibt es Systeme und Strukturen, die den Friedensprozess erleichtern können – z.B. Musik und Theater. Diese können die Menschen zusammenbringen. Diese Systeme wurden oft dazu verwendet, Konflikte zu schüren, so dass sie korrumpiert wurden. Aber sie können auch wieder um den Frieden herum organisiert werden.
- Dabei ist es von großer Wichtigkeit, die Probleme der Menschen ernst zu nehmen und ihre Prioritäten zu respektieren. Für Jugendliche waren z.B. einkommenschaffende Maßnahmen von großer Bedeutung. Für die Vertreter traditioneller Strukturen war es wichtig, die Rollenverteilung klarzustellen und somit zu versuchen, Respekt und Würde wiederherzustellen. Für die Musikgruppen war es wichtig, ihren einzigartigen Musikstil bekannt zu machen.
- Es ist wichtig, von dem Standpunkt und den Wahrnehmungen der Beteiligten ausgehend zu arbeiten und von dort einen Bezug zu Gewalt und Frieden herzustellen. Es gibt kein Standardmodell, wie Frieden gefördert werden kann. Aber es ist notwendig, für jede Gruppe relevante Themen in Bezug auf ihre Erfahrung mit Gewalt und die Rolle, die diese spielt, zu identifizieren.
- Dies bedeutet, einen ausgewogenen, ganzheitlichen Fokus auf persönliche Entwicklung, die Erzeugung von Einkommen und die Entwicklung der Gemeinde bei der Friedenschaffung zu legen. Dies ermöglicht eine stabilisierende Gewaltprävention.
- Insbesondere in KwaZulu-Natal werden vor Ort die traditionellen Strukturen trotz neuer politischer und demokratischer Strukturen noch immer stark respektiert. Es ist hilfreich, dies zu bekräftigen, beides miteinander durch Abklären der Rollenverteilung und Verantwortlichkeiten zu verbinden und die Stärken und positiven Aspekte von beidem zu betonen.
Fazit
Der Erfolg ganzheitlicher friedenschaffender Interventionen scheint daraus zu resultieren, ein tieferes Verständnis für die Dynamiken der Gewalt zu erhalten. Dieses Verständnis wird besonders stark von den Teilnehmern selbst entwickelt. Dabei findet die Veränderung oftmals während einer Selbstreflektion statt und weniger dann, wenn versucht wird, die Teilnehmer in die eine oder die andere Richtung zu beeinflussen. Weiterhin scheint es sehr nützlich zu sein, Aufmerksamkeit auf die Beziehungen, die Rollen und die Verbindungen zwischen den Menschen zu richten.
Wie einer der Teilnehmer sagte: »Die Treffen haben die Verbindungen und Verflechtungen zwischen uns gestärkt. Dies führte zu dem Frieden, den wir nun in unserer Gegend sehen können.« (Mitglied einer traditionellen Musikgruppe) Wir widmen diesen Text unseren Partnern und den Führern der Gemeinden in Umbumbulu. Ihre Hingabe an das Projekt und ihre Einsichten haben uns als Organisation wachsen lassen. Wir hoffen, dass wir von dem Gelernten in anderen von Gewalt betroffenen Gebieten Gebrauch machen können.
Übersetzung aus dem Englischen: Timo Wandert
Die Autorinnen
Zandile Nhlengetwa ist Sozialarbeiterin und Direktorin von Sinani. Berenice Meintjes ist klinische Psychologin und zuständig für Materialentwicklung bei Sinani.
Dieser Text erschien im medico-Report 26, Im Innern der Globalisierung, medico international 2005