Sinani

Wege aus der Gewaltspirale

28.08.2010   Lesezeit: 4 min

Seit ihrer Gründung in den 90er Jahren hat die südafrikanische Organisation Sinani ein Konzept gemeindeorientierter Arbeit in konfliktgeprägten Regionen entwickelt, das friedensfördernde, ökonomische, gesundheitliche und psychosoziale Maßnahmen nicht nur addiert sondern integriert, um die Gemeinden dabei zu unterstützen, soziale, politische und persönliche Veränderungen umzusetzen. medico international unterstützt deren Arbeit auf verschiedene Weise: über Pilotprojekte mit jungen Männern und Gemeindeführern zur Gewaltprävention, mit psychosozialer Unterstützung für Kinder und Pflegeeltern in von HIV betroffenen Familien, mit der Entwicklung von Fortbildungsprogrammen und mit Menschenrechtsarbeit.

SINANI bedeutet auf Zulu "Wir sind mit dir". Die Organisation widmet sich der gemeindeorientierten Friedensarbeit und Armutsbekämpfung in KwaZulu-Natal. Die südafrikanische Provinz mit ihren idyllischen Sandstränden am indischen Ozean ist durch Jahrzehnte lange Gewalt zwischen rivalisierenden politischen Parteien sozial extrem zerrüttet. Nach dem Ende der Apartheid-Diktatur kam als Folge der jahrzehntelangen Unterwerfung und traumatischer Erfahrungen auch zu einem substantiellen Anstieg von häuslicher Gewalt, zu Kindesmisshandlung und Vergewaltigungen. In den am meisten betroffenen Kommunen unterstützt SINANI die Menschen dabei, Wege aus der Gewaltspirale zu finden und die zerstörten sozialen Strukturen wieder aufzubauen.

Frieden "von unten"

SINANI hat seine Arbeit 2005 in drei Schwerpunktbereiche gegliedert: Friedensentwicklung, Armutsbekämpfung und HIV/AIDS, die konzeptionell eng miteinander verbunden sind. Den Überlebenden der Gewalt wird mittels qualifizierter psychosozialer Begleitung ein sicherer Rahmen geboten, um traumatische Erfahrungen und Gefühle von Angst, Rache und Schuld zu bearbeiten und über Zukunftspläne zu reflektieren. Dies dient vor allem der Stabilisierung und Stärkung der Gemeindeführer/innen, die Träger von langfristigen Veränderungen sind. Der gewaltbedingten sozialen Fragmentierung wird mit Vernetzung und Stärkung begegnet, unter anderem durch die Förderung von Selbsthilfegruppen und Einkommen generierenden Projekten. So wird dem "Frieden von unten" eine Chance eröffnet.

Geschlechtsspezifische Stereotypen hinterfragen – Das "Young Men's Programme"

Die Auseinandersetzung mit Gewaltstrukturen und -mechanismen hat den Zusammenhang von stereotypen Männlichkeitsrollen und Gewaltausübung ins Zentrum der Projektarbeit gerückt. Aus der Zusammenarbeit mit Frauengruppen hat sich gezeigt, dass die Stärkung von Frauen nur begrenzt möglich ist, da ihre Einfluss- und Abwehrmöglichkeiten gegenüber den Männern begrenzt sind. Seit September 2006 führt SINANI mit medico-Unterstützung ein Pilotprogramm innerhalb des HIV/AIDS Programms durch, das "Young Men's Programme". 20 junge Männer zwischen 15 und 35 Jahren werden in einer Serie von mehrtägigen Workshops als Promotoren ausbildet. Ausgehend von der Diskussion über ihre eigenen, aktiven und passiven Gewalterfahrungen setzen sich die Teilnehmer mit ihrem Bemühen nach Veränderung auseinander. Das Programm regt junge Männer an, vermeintlich traditionelle "Normen" von Männlichkeit wie unbedingte Stärke und Gewaltbereitschaft zu hinterfragen. Dazu werden auch die Nachteile einer solchen traditionellen Identität für die Männer selbst diskutiert sowie über die Vorteile eines männlichen Geschlechterverhaltens gesprochen, das auf Achtsamkeit und Gleichberechtigung basiert. Hierzu zählen neben besseren Beziehungen zu Frauen vor allem eine größere Achtung für die eigene Gesundheit z.B. durch Vermeidung von gewalttätigen Auseinandersetzungen oder durch Verhütung und somit Verminderung des Risikos einer HIV-Infektion. Nach einer Phase der Selbstreflexion und des Trainings sollen die am Programm teilnehmenden Männer ihr Wissen in ihren Gemeinden (z.B. an Schulen) weitergeben und dort ebenfalls mit jungen Männern und Jugendlichen über ihre Rolle als Männer, ihre Einstellungen und ihr Verhalten zu sexueller und reproduktiver Gesundheit, über Gewalt, Fürsorge und Respekt in Beziehungen diskutieren.

Veränderungsprozesse anstoßen

Das Programm will einen Beitrag leisten zur Entwicklung einer "neuen Männlichkeit", die stereotype Rollenkonzepte des starken, auch gewaltbereiten Mannes in Frage stellt. Unter Jugendlichen und jungen Männern soll in den Gemeinschaften eine breitere Diskussion über Männlichkeit, geschlechtsspezifische Rollenerwartungen, Gewalt und HIV/AIDS angestoßen werden. SINANI will so zu Veränderungsprozessen beitragen, die zu einer Reduktion der Neuinfektionen mit HIV und zu einer Reduzierung von männlicher Gewalt sowohl gegenüber Frauen und Kindern, als auch zwischen Männern führen. Nach dem Pilotprogramm sind für 2008 weitere 20 Multiplikatoren-Workshops mit entsprechender Nachbereitung für insgesamt 400 junge Männer und Frauen geplant.

Verwundbare Kinder – Das Vulnerable Children's Project

Innerhalb des HIV/AIDS Programms läuft seit Jahresbeginn 2008 noch ein weiteres von medico unterstütztes Projekt. Das Vulnerable Children's Project richtet sich an Kinder, die durch die AIDS-Pandemie einen oder beide Elternteile verloren haben. Oft besteht die Gefahr, dass sie vernachlässigt oder Opfer von Misshandlung und sexueller Ausbeutung werden. Gesundheitspfleger aus den Gemeinden berichten zudem von der Erschöpfung, Frustration und Überforderung vieler zurückgebliebener Familienmitglieder, die ihre kranken Verwandten, Geschwister und Enkel versorgen müssen. SINANI unterstützt deshalb verschiedene lokale Initiativen sogenannter "Caregiver", die für eine emotionale und psychosoziale Betreuung der Kinder sorgen. Die lokalen Gesundheitspfleger sollen fortgebildet werden, um die Caregiver gezielt fördern zu können. Damit sollen 2008 mindestens 800 Kinder erreicht werden.


Jetzt spenden!