(Frankfurt/Main) Die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international hat eine Studie zur Lage von Flüchtlingen vorgestellt, die aus Europa nach Afghanistan abgeschoben wurden oder im Rahmen staatlicher Programme zurückgekehrt sind. Die Studie "Deportation to Afghanistan: A Challenge to State Legitimacy and Stability?" wurde von der afghanischen Menschenrechtsorganisation AHRDO erstellt.
"Die Rückkehrer und ihre tiefsitzende Verbitterung sind eine bedeutende Quelle der Destabilisierung Afghanistans. Sie sind empfänglich für Rekrutierungsversuche durch terroristische Gruppierungen und kriminelle Netzwerke. Aufgebracht darüber, dass die afghanische Regierung ihre Flucht als unpatriotisch bezeichnet und ihre Abschiebung nach Afghanistan befürwortet, ist ein bedeutender Teil von ihnen bereit, sich Protesten oder gar staatsfeindlichen gewaltbereiten Gruppierungen anzuschließen. Jeder Zehnte der Befragten will sogar direkt Rache an der Regierung nehmen", so Hadi Marifat, Mitautor der Studie.
Insgesamt wurden umfangreiche Interviews mit 50 Rückkehrern oder Abgeschobenen in den vier Provinzen Balkh, Kabul, Herat und Nangahar sowie 20 Interviews mit Vertretern aus Zivilgesellschaft und Regierung durchgeführt. Von den befragten Personen hat keine einzige von Integrationsprogrammen profitiert. Nach der Rückkehr ist ihre Sicherheitslage dramatischer als zuvor, über die Hälfte der Befragten war nicht in der Lage oder fühlte sich nicht sicher genug, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Über 80% der Befragten gaben an, aufgrund ihrer Flucht und der Rückkehr nach Afghanistan stark verschuldet zu sein, ebenfalls über 80% der Befragten sind arbeitslos.
"Die Studie zeigt: Menschen in das instabile Land abzuschieben, ist nicht nur für diese selbst eine Katastrophe. Der ständige Abschiebe- und Rückkehrdruck erschwert das Ankommen aller hierzulande lebenden Afghanen erheblich. Die Abschiebe- und Rückkehrpolitik trägt aber auch zu einer weiteren Destabilisierung des afghanischen Staates bei, dem ein Großteil der Rückkehrer extrem ablehnend gegenübersteht. Sie sind anfällig für Rekrutierungen durch die Taliban und andere terroristische oder kriminelle Gruppierungen. Nächste Woche tagt die Innenministerkonferenz in Lübeck. Vor dem Hintergrund der Studie fordern wir die Innenminister auf, einen langfristigen bundesweiten Abschiebestopp zu beschließen", so Ramona Lenz.
Link zur Studie:
https://www.medico.de/afghanistan-studie
Für Interviews und Rückfragen:
Ramona Lenz, Referentin Flucht & Migration
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