Eine Person kann heute ohne weiteres & jederzeit durch die Analyse einer Blutprobe, einer Hautabschürfung oder einem einzelnen vom Jackett herabgesegelten Haar identifiziert werden. Wer meint, dies sei nur in Science-fiction-Filmen wie »Gattaca« möglich, dem empfiehlt sich ein Blick in die Wirklichkeit. Was sich dort tut, steht kühnsten Zukunftsvisionen in nichts mehr nach. Testlabors für Erbgut-Analysen sprießen in Amerika überall aus dem Boden. Berühmte Molekularbiologen schwärmen uns gleichzeitig vor: »Das Schicksal des Menschen liegt in seinen Genen.« So nimmt es nicht wunder, wenn nun viele ihr Heil in den Analyselabors suchen. Das Orakel von Delphi hat ausgedient, die Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt ist passe, der Blick in die beliebten Horoskope nicht länger interessant. All das war viel zu ungenau. Jetzt wollen Wissenschaftler sich den Blick in die Zukunft anmaßen. Die Kommerzialisierung ist in vollem Gange. »Call 1-800-DNA TYPE« heißt das Zauberwort, zu lesen als Werbespot auf Taxis in New York. Noch abenteuerlicher klingt die Werbung für ein Testsystem, das die Firma Apik in Florida über Internet anbietet. Mit dem »Defender-DNA«, einem kaum taschenmessergroßen Stift, kann man einem gefährlichen Aggressor flugs eine winzige Gewebeprobe entnehmen. Sie soll bei der späteren Identifizierung des Verbrechers helfen. Doch wer verhindert, daß man mit dem gleichen Trick sich nicht eine Probe von einer Freundin, einem Widersacher oder Geschäftspartner besorgt? Die Folgen sind nicht auszudenken.
Jozef Conrad, New York 1998