Angola: Die Anatomie eines Mega-Verbrechens

01.11.1999   Lesezeit: 10 min

»Gestern war die dunkle Nacht des Kolonialismus. Heute ist das Leiden des Krieges, aber der Morgen wird das Paradies sein. Dieser Morgen ist nie gekommen, nur ein ewiges Heute.«
(Pepetela 1992)

Es geht um Diamanten. Um Härte, Kälte, Unvergänglichkeit und ewigen Reichtum: »Diamonds are forever«. Das ist der Slogan des Hauses De Beers. Eines südafrikanischen Diamantenmonopols, das rechtzeitig zum Jahrtausendwechsel den Härtestein am liebsten auch für den Normalverbraucher im Supermarkt vertrieben wissen möchte. Sehr viele dieser klarhellen Steine tragen Blut an sich: aus dem Kongo, aus Sierra Leone, besonders aus Angola. Die Karat-Steine kennt jeder aus Großanzeigen: den Diamantenhandel nicht. In Angola finanziert das Geschäft mit Diamanten & Öl einen seit 30 Jahren andauernden unendlichen Krieg. Dessen Ende noch nirgends in Sicht ist.

Das Leiden Angolas - Tatsachen & Zahlen

Weit über 10 Jahre dauerte der bewaffnete Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft. Nach der Unabhängigkeit 1974 ging die tödliche Auseinandersetzung in einen Krieg zwischen der MPLA-Regierung (Volksbewegung für die Befreiung Angolas) und der Rebellenbewegung UNITA (Nationalunion für die volle Unabhängigkeit Angolas) über. Auch nach dem Ende der Blockkonfrontation – Angola war in dieser Zeit Schauplatz eines klassischen Stellvertreterkrieges, die MPLA wurde von der UdSSR und Kuba unterstützt, die UNITA von Apartheid-Südafrika und den USA – hat Angola nur fünf Jahre eines brüchigen Friedens erlebt. Ende des Jahres 1998 haben die Regierungstruppen und die Rebellenbewegung UNITA, trotz vierjähriger Friedensbemühungen der UNO, den Krieg wieder aufgenommen. Angola ist seit langem der größte Waffenimporteur Afrikas und unterhält eine der größten Armeen des Kontinents. Die zwischenzeitlich immer wieder virulente Hoffnung auf Frieden wurde jeweils aufs Neue zerstört. Seit 1961 hat dieser Krieg über 500 000 Menschen Angolas das Leben gekostet. Zehntausende sind nach Unfällen mit Landminen verkrüppelt. Millionen von Minen liegen noch in der Erde und stellen eine permanente Gefahr für die Bevölkerung dar. Angola gehört zu den ärmsten der armen Länder:

  • 65% der Bevölkerung leben in absoluter Armut
  • 200 Menschen verhungern jeden Tag
  • 11 Millionen Menschen sind auf der Flucht.

Gleichzeitig ist Angola wegen seiner Bodenschätze das viertreichste Land der Welt.

Der dreckige Diamanten-Krieg

Diamanten sind die wichtigste Ressource der von Jonas Savimbi geführten UNITA zur Finanzierung des Krieges in Angola. Zwischen 1992 und 1998 erzielte die UNITA Gewinne von mindestens 3,7 Milliarden US-$ aus Diamantenverkäufen.

Die Verkäufe auf Märkten in Europa bilden das Rückgrat der Kriegsfinanzierung der UNITA. Der Diamantenhandel ist ein anschauliches Beispiel, an dem man die blutigen Spuren der Kriegsprofiteure hervorragend identifizieren kann: Transnationale Konzerne, Regierungen, private Söldnerfirmen und deren Verbindungen, die ebenfalls zu benennen sind. Die global player sind dabei ebenso austauschbar wie die Handelsware. Das Exempel gerade der angeblich undurchschaubarsten afrikanische Massaker belegt durchaus das Vorhandensein einer kühl kalkulierten politischen Ökonomie des Krieges. Der Strom und Zustrom der realisierten Finanzmittel gibt darüber Auskunft: Wichtiger Abnehmer der angolanischen Diamanten ist die Firma De Beers. Seit 60 Jahren dominiert das britisch-südafrikanische Unternehmen und seine Central Selling Organisation (CSO) die internationale Diamantenindustrie, indem sie weit über 70 Prozent der weltweiten Diamantenproduktion klassifizieren, bewerten und verkaufen. 1998 machte De Beers einen Riesen-Umsatz von ca. 3,35 Milliarden US-$. Konträr zu solchen Geschäften verabschiedete der UN-Sicherheitsrat 1998 zwei Resolutionen, die den direkten oder indirekten Export von nicht-offiziellen angolanischen Diamanten verbieten. Dies betrifft Diamanten, die kein Herkunftszeugnis (Certificate of Origin) besitzen und schließt daher die von der Regierung gehandelten Diamanten nicht mit ein. Untersuchungen zeigen, daß die Sanktionen nicht zuverlässig greifen.

Entscheidend für die Durchsetzung der Sanktionen ist nämlich die Frage, ob Diamanten verläßlich als angolanische Ware identifiziert werden können. Internationale Diamantenexperten weisen seit langem darauf hin, daß die Herkunft von Diamanten ohne weiteres bestimmt werden kann. Wenn man nur will bis zurück zu der Mine, der sie entnommen wurden. Die Kontrollen in Angola sind von äußerster Lückenhaftigkeit, löchrig und somit keine wirkliche Lösung zur Befriedung des angolanischen Konfliktes. Wichtig ist es vielmehr, Kontrollen vor allem in den Ländern durchzuführen, die direkt von dem Handel profitieren: auf den großen Märkten und innerhalb der Distributionssphären in Europa und den USA.

De Beers schreibt an medico

In einem Brief an medico international (siehe die Mittelseiten) bekundet De Beers, sich aus Angola zurückziehen zu wollen und damit weit über das UN-Embargo hinaus zu gehen. Dieser Erfolg, den die Medien als klares Ergebnis unserer Kampagne begrüßten, bedarf durchaus der kritischen Hinterfragung. Es könnte auch so sein, daß die Ausschaltung des illegalen Marktes (innerhalb des informellen grauen Sektors) eine wichtige Rolle spielt, den der kartellierte Großkonzern mit solchen Dispositionen gerne eliminieren möchte. Die amerikanische Außenministerin Madame Albright hat ebenfalls dem illegalen Diamantenhandel in Afrika den Kampf angesagt. Ziel sei nun die Reintegration des afrikanischen Rohstoffhandels in den »formalen Weltmarkt«. Es kann jedoch nicht so ganz unser Ziel sein, synchron mit der US-amerikanischen Regierung den größten Diamantenkonzern vor der Konkurrenz des illegalen Marktes zu schützen. Vielmehr muß die generelle Wirkung & Bedeutung des Handels des Nordens mit Angola (und anderen afrikanischen Ländern) für die Fortführung der kontinentalen Kriege international thematisiert werden. Es geht um Konsequenzen: ab dem Datum des Briefeingangs wird De Beers erst recht an den Taten und nicht an den Versprechen zu messen sein. Wir fordern: um Veränderungen nachweisen zu können, ist die Einrichtung einer unabhängigen Prüfkommission, die ein Unbedenklichkeitszeugnis vergibt, unverzichtbar. Händler, die gegen die das UN-Embargo verstoßen, müßten strafrechtlich verfolgt werden und ihre Konzession verlieren. Rehabilitation: Zudem sind die Firmen, die jahrelang an dem Handel mit profitiert haben, für die Beseitigung der Kriegsschäden und die Entschädigung der Opfer verantwortlich zu machen. Die Unita nahm die Bekanntgabe des Diamantenkonzerns schulterzuckend zur Kenntnis – sie habe sowieso niemals Diamanten an De Beers verkauft und ein Prinzip bleibe weiterhin Kraft: »Wer auch immer Millionär ist, wer auch immer einer Frau einen Ring an den Finger stecken möchte, wer das Geld dafür hat, der bekommt Diamanten, das ist das Prinzip«. (Alcides Sakala).

Öl für den Krieg

Gerade auch Ölexporte finanzieren die afrikanischen Kriege. Sie tanken sie finanziell auf. Während die Rebellenbewegung UNITA ihre Waffenkäufe weitgehend aus den Einnahmen der Diamantenausfuhr finanziert, ist die MPLA-Regierung Angolas unter Staatspräsident José Eduardo dos Santos hauptsächlich auf den Ölexport angewiesen. Die Gewinne aus der Erdölförderung sollen die Hälfte der gesamten Staatseinnahmen ausmachen; die Erdölförderung bringt 94% der Exporterlöse ein. Nach neuen Erdölfunden wird Angola bald zum größten Erdölexporteur Afrikas aufsteigen. Öl im Wert von 11 Millionen USD wird jetzt schon täglich gefördert. Die konfliktnotorischen Namen der bedeutendsten Abnehmer: Exxon, Chevron (USA) und Elf Aquitaine (Frankreich). »Wir sind in der Lage, Angola beim Wachstum seiner Ökonomie zu helfen und die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen«, ließ Chevron-Direktor Richard Matzke kürzlich verlauten. »Wissen und Technologie von erfahrenen Businessleuten« seien künftig nach Angola zu exportieren. Keine Rede davon, daß die Öleinnahmen von der Regierung vorab verpfändet wurden, und im übrigen die Ölförderung jene Waffenkäufe ermöglicht, die den Krieg unendlich machen.

Soldiers of Fortune - »Wir arbeiten gegen Geld für Frieden«:

An der Seite der Großkonzerne und der afrikanischen warlords bei der Kontrolle über Bodenschätze, stehen private Söldner. Diese »Soldiers of Fortune« assistieren seit vielen Jahren den kriegsführenden Parteien und den transnationalen Konzernen in Angola und anderswo in Afrika. Für den Politikwissenschaftler Peter Lock ist das eine unvermeidliche Folge der Globalisierung: »Die für die Wahrnehmung ökonomischer Interessen notwendige Sicherheit muß zunehmend im globalen Wettbewerb der Standorte kosteneffizient gewährleistet werden.« Rasch, effizient und vor allem jenseits von langwierigen internationalen Einsatzverhandlungen und Einspruchsmöglichkeiten sind die stand-by-Söldnerheere jederzeit einsatzbereit. Außerhalb der Kontrolle von Regierungen und der UN-Gemeinschaft: und deshalb auch verantwortungslos und bereit zu allem.

Die südafrikanische Sicherheitsagentur Executive Outcomes (EO) ist Marktführer der privaten Sicherheit. Sie rekrutierte ihre Söldner größtenteils aus der berüchtigten Koevot-Spezialeinheit der ehemaligen südafrikanischen Armee. Die Angebotspalette umfaßt sämtliche militärische Dienstleistungen, die für einen Bodenkrieg notwendig sind. 1992 hat EO für die in Angola operierenden Ölgesellschaften Gulf Chevron und Pentrangol Ölfelder an der Küste von Soyo geschützt. Dies mündete 1993 in das Angebot, die angolanischen Streitkräfte (FAA) umzustrukturieren und neu auszubilden. Zwei Jahre später eroberten die Söldner die Diamantenzentren Saurimo und Cafunfo in der Provinz Lunda Norte zurück. Hauptgewinner dieser Operation war der Diamantenkonzern De Beers, – der mit wachsendem Unmut die Kontrolle der UNITA über die Diamantengebiete beobachtete- sowie der mit EO assoziierte Konzern Diamond Works.

1995 mußte die angolanische Regierung den Vertrag mit EO kündigen, nachdem US-Präsident Clinton gedroht hatte, die Kredite versiegen zu lassen. Den Vertrag zur Sicherung der Soyo-Ölfelder übernahm daraufhin die amerikanische Military Professional Ressources, Inc. (MPRI): als Clintons Söldnertrupp unter bloß anderem Namen. Ursprünglich hatte Executive Outcomes auf der Seite der UNITA gegen die Regierung gekämpft. Doch es handelt sich um ein hochflexibles Unternehmen, sein Motto: »politische Offenheit nach allen Seiten als unternehmerische Initiative«. Die lohnt sich auch: Für ihren Einsatz bekam Diamond-Works Konzessionen im angolanischen Diamantengebiet: kein Einzelfall im Business der privaten Sicherheit. Oft werden die afrikanischen Regierungen durch die Interessenallianz von privaten Sicherheitsagenturen und ausländischen Konzernen in eine Geiselrolle gebracht: ein Art »Multinationaler Neokolonialismus« am Ende des 20. Jahrhunderts. Im US-Pentagon sind Söldnervertreter inzwischen hoffähig geworden und dürfen bei einschlägigen Planungssitzungen präsent sein. Im Rahmen der neuen Weltgestaltungsformel: »Public Private Partnership« sind neuerdings stets Militärs, Politiker, Unternehmer und neutrale Hilfsorganisationen unter einem Dach.

Ein neues Planungsglacis hat sich geformt, in dem militärische Offensiven, wirtschaftliche Ambitionen und humanitäre Erwägungen ineinandergreifen und mit dem redundanten Verweis auf Sicherheitsinteressen gerechtfertigt und gemeinsam durchgesetzt werden. Es geht um »eine neoloberale Ideologie, in deren Namen Privatmilizen die Investitionen und Werte der freien vaterlandslosen Unternehmen verteidigen dürfen«. (Laurence Mazure)

Zur Ökonomie des Krieges

Die Ursachen des langen Krieges in Angola eindeutig zu benennen ist nicht einfach. Die afrikanische Wirtschaft ist über zwei Koppelungen mit dem Weltmarkt verbunden: »Zum einen werden Bodenschätze wie Diamanten, Öl, Kupfer und andere von globalen Konzernen in Afrika abgebaut, zum anderen nehmen die internationalen Finanzinstitutionen Einfluß auf die politischen Akteure Afrikas«. Die Globalisierung wird durch eine Leitungs-Allianz zwischen transnationalen Konzernen und dominierenden Staaten umgesetzt. Diese haben auf die Kriege im afrikanischen Kontinent einen maßgeblichen Einfluß. Die Globalisierung des Welthandels zieht einen Elendsschub nach sich: nie tobten mehr bewaffnete Auseinandersetzungen als im Zeitalter dieser kapitalistischen Universalisierung. Die Transnationalen haben genausowenig Interesse an der Beendigung des Konfliktes wie die angolanischen warlords. Auf der Basis ihrer Kontrolle über den Diamanten- und Ölhandel zählen Angolas Präsident dos Santos und UNITA-Führer Savimbi zu der Gruppe der reichsten Männer der Welt. Dies wurde durch den Handel mit dem bereitwilligen Norden ermöglicht. Ohne diese finanzielle Zufuhr wäre der Krieg längst am Ende. Wären die transnationalen Konzerne bereit, die materielle Unterstützung der Konflikte einzustellen und die Wirtschaftsbeziehungen der Kriegsherren zu blockieren, dann wäre das Geschäft mit der Gewalt unrentabel. Dies wäre endlich wieder die Stunde der zum Schweigen gebrachten Mehrheit Afrikas.

Anne Jung

Für das Ende des blutigsten Krieges in Afrika in Angola interveniert medico international seit einigen Jahren mit unterschiedlichen Mitteln & auf verschiedenen Ebenen: Hilfe für Minenopfer und Unterstützung bei der Rehabilitation. Nothilfe und Mittel für den Wiederaufbau des Landes. Jetzt durch unsere Beteiligung an der weltweiten Kampagne »Fatal Transactions«. Helfen Sie uns bitte unbedingt mit Ihrer Spende, den kriegsfördernden Konzernen das Handwerk zu legen. Für den Frieden in Afrika. Stichwort: »Angola«.


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