(Frankfurt am Main) Anlässlich des vierjährigen Bestehens des EU-Türkei-Deals vom 18. März 2016 haben sich zahlreiche Vereine, Initiativen und NGOs in einem Appell an die europäische Öffentlichkeit gewandt. Sie kritisieren die derzeitige Eskalation auf den griechischen Inseln und an der griechisch-türkischen Grenze als das „absehbare Ergebnis einer jahrelangen desaströsen Politik“. Außerdem sei die drohende humanitäre Katastrophe durch einen möglichen Ausbruch des Covid-19-Virus in den Flüchtlingslagern eine „ultimative Aufforderung zu sofortigem Handeln“.
„Die EU hat mit ihrer Flüchtlingspolitik der letzten Jahre eine Situation geschaffen, in der jetzt zehntausende Menschen in den Flüchtlingslagern schutzlos der Pandemie ausgeliefert sind – unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und ohne jede medizinische Infrastruktur. Die Verantwortlichen müssen jetzt sofort handeln und ihre katastrophalen Fehler korrigieren. Die Flüchtlingslager müssen sofort evakuiert werden und der Schutz und die medizinische Versorgung der Menschen sichergestellt werden“, so Ramona Lenz von der Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international.
„Wir erleben eine Verletzung grundlegender Menschenrechte, dem Europarecht und der Genfer Flüchtlingskonvention. Menschen, die in Europa Schutz suchen, werden mit Tränengas und scharfer Munition beschossen, zusammengeschlagen, ausgezogen und illegal über die Grenze zurückgeschoben. Das Recht auf Asyl wurde in Griechenland einfach suspendiert und Menschenrechte ausgesetzt. Dieser Skandal verdient all unsere Aufmerksamkeit und die offensichtlichen Rechtsbrüche müssen verfolgt und aufgeklärt werden“, so der Rechtswissenschaftler Robert Nestler.
Während am Dienstag Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron mit dem türkischen Staatsoberhaupt Erdogan über eine Aktualisierung des Deals verhandelten, fordern die Unterzeichner das „sofortige Ende der Vereinbarung und einen Stopp der Gewalt gegen Migranten an den Außengrenzen. „Der EU-Türkei Deal hat noch nie wirklich funktioniert. Allerdings hat er erneut einem autoritären Regime Macht über die europäische Politik gegeben. Und Erdogan hat diese Macht schon oft – nicht zuletzt beim Krieg gegen die Kurden – ausgenutzt. Jetzt hat er erneut seinen Drohungen Taten folgen lassen. Dabei ging es ihm immer nur um Bilder, es war eine schreckliche Inszenierung auf dem Rücken der Fliehenden. Doch es ist Europas Migrationspolitik selbst, die ihm die Macht dazu in die Hand gelegt hat“, sagt die Migrationsforscherin Prof. Sabine Hess.
Für Interviews und Rückfragen:
Prof. Dr. Sabine Hess, (kritNet, Netzwerk für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung)
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Dr. Ramona Lenz, Referentin Flucht und Migration (medico International)
lenz@ medico.de
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Robert Nestler, Rechtswissenschaftler (Equal Rights Beyond Borders)
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Mario Neumann, Pressereferent medico international
neumann@ medico.de
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