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Beeindruckend unbeeindruckt

04.09.2024   Lesezeit: 2 min

medico-Partner:innen gegen Autoritarismus. Drei Beispiele

Türkei

Der Einsatz der Rosa Women‘s Association für die Rechte von Frauen ist ein beständiger Kampf für Demokratie – und gegen Repression. 2018 wurde Rosa gegründet, als Nachfolgeorganisation von zwei selbstorganisierten Frauenverbänden, die das AKP-Regime zuvor verboten hatte. Nach weiteren Repressionswellen ist Rosa in der kurdischen Metropole Amed (Diyarbakır) aktuell die einzige verbliebene legale Organisation, die von Gewalt betroffene Frauen berät und unterstützt. Die Hatz des türkischen Staates hält dennoch an, jüngst wurden bei einer Razzia mehrere Aktivistinnen von Rosa verhaftet. Doch die Organisation ist gut vernetzt: Landesweit bekundeten 71 Frauenorganisationen ihre Solidarität. Und Rosa selbst rief zu der Social-Media-Kampagne #AllWomenProtestViolence auf: „Lasst uns diejenigen, die unser Handeln kriminalisieren und unsere Rechte delegitimieren wollen, daran erinnern, dass wir, die Frauen der Welt, gegen die Gewalt des Patriarchats zusammenstehen!“

Ägypten

Das El Nadeem Center for the Rehabilitation of Victims of Violence ist immer schon mit staatlicher Repression konfrontiert: Seit 30 Jahren leisten die Mitglieder psychologische und rechtliche Unterstützung für Opfer von Folter und politischer Gewalt – so war es unter Mubarak bis 2011 und unter Mursi, so ist es seit 2013 unter al-Sisi. Doch der Druck ist gestiegen, die Unterdrückung der Zivilgesellschaft dramatisch. Längst ist Nadeem dabei selbst ins Visier der Behörden geraten. Zwischenzeitlich waren die Klinikräume geschlossen, heute werden sie intensiv vom Geheimdienst überwacht. Einige Mitglieder dürfen das Land nicht verlassen, gegen die Organisation wird aufgrund des „NGO-Gesetzes“ ermittelt, Bankkonten wurden eingefroren, das Finanzamt erhebt absurde Steuerforderungen. Doch die Politik der Einschüchterung schlägt fehl: Die Kolleg:innen machen weiter – obwohl sie davon ausgehen, dass das autokratische System fürs Erste fortbestehen wird. „Wir planen unsere Arbeit fortzusetzen, bis wir aus Gründen, die sich unserem Willen entziehen, dazu nicht mehr in der Lage sein werden“ – so klingt das in ihren Worten

Guatemala

„Die Kampagnen gegen politisch organisierte Gruppen und Einzelpersonen, ihre Verfolgung und Einschüchterung erinnern an Operationen aus Zeiten der Diktatur.“ So beschreibt Prensa Comunitaria, eine unabhängige Medienplattform, die an der Seite sozialer Bewegungen und indigener Communitys steht, den politischen Rollback der vergangenen Jahre. Der „Pakt der Korrupten“, so die landläufige Bezeichnung für die rechten Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien, hat rechtsstaatliche Prinzipien abgebaut und die Zivilgesellschaft massiv unter Druck gesetzt. Und doch unterschätzte er deren Widerstandsfähigkeit. Völlig überraschend votierte die Bevölkerung bei der jüngsten Wahl mehrheitlich für die sozialdemokratische Partei Movimiento Semilla. Und ebenjene Bevölkerung erhob sich, als die Eliten die Amtsübernahme der neuen Regierung mit allen Mitteln zu vereiteln versuchten. Es kam zu landesweiten Protesten und Blockaden, ein Staatsstreich von rechts wurde abgewehrt. Doch die Situation bleibt fragil – und Gegenöffentlichkeit, wie sie Prensa Comunitaria leistet, unerlässlich.

Dieser Beitrag erschien zuerst im medico-Rundschreiben 3/2024. Das Rundschreiben schicken wir Ihnen gerne kostenlos zu. Jetzt abonnieren!


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