Wohl keine Frage prägt die gegenwärtige Debatte so sehr wie das Thema Sicherheit. Mit der Erörterung, wie Terror und Gewalt zu begegnen sei, wächst aber auch die Gefahr, dass die Weltoffenheit, für die uns so viele in aller Welt gerade bewundert haben, wieder einem Drängen auf Abschottung weichen könnte. Da Landtagswahlen anstehen, geben sich Politiker aller Couleur als zupackende Sicherheitspolitiker, die für eine härtere Gangart stehen. Selbst vor Vorschlägen, die gegen geltendes Recht vorstoßen, scheint es keinen Halt zu geben. Mit Blick auf die Lage, so heißt es mitunter, müssten die Bürger- und Menschenrechte dem Bemühen um Sicherheit hintangestellt werden.
So verständlich das Bedürfnis nach Sicherheit ist, so wenig lässt sich eine aus den Fugen geratene Welt durch Sicherheitspolitik kitten. Weder die wehrhafte Abschottung von Territorien, noch schärfere Gesetz oder die Verhängung von Ausnahmezuständen ist geeignet, der Gewalt, die in der Welt herrscht, nachhaltig zu begegnen.
Zum Kern des herrschenden Sicherheitsdiskurses zählt ein selektives Verständnis von Sicherheit. Man sorgt sich um die eigene Sicherheit, um die Absicherung der eigenen Lebensweise, von der doch längst feststeht, dass sie nur auf Kosten anderer geführt werden kann.
Es ist dieses ausgrenzende Moment von Sicherheit, das den Grundsätzen der Menschenrechte zuwiderläuft. Menschenrechtspolitik, die vom Anspruch auf Universalität getragen wird, verlangt eine Politik des Ausgleichs und der Integration; Sicherheitspolitik hingegen kann sich mit Abschottung und der Verteidigung eigener Privilegien begnügen.
Im Unterschied zur Objektivität des Rechts, ist das, was Menschen als Bedrohung ihre Sicherheit empfinden, immer subjektiv gefärbt. Die Angst vor Fremden kann einem Rassismus geschuldet sein, der, siehe PEGIDA, nichts mit konkreten Erfahrungen zu tun haben muss. Es ist diese emotional aufgeladene Unbestimmtheit des Sicherheitsbegriffs, die es Politikern erlaubt, sich selbst dann noch als tatkräftige Krisenmanager zu präsentieren, wenn sie doch nur die negativen Folgen ihrer eigenen Politik abwehren.
Die Welt aber leidet nicht an zu wenig Zäunen und zu laschen Gesetzen, sondern an einer dramatisch wachsenden Ungleichheit. Je ungleicher Gesellschaften sind, desto mehr leiden sie unter Rassismus, Gewaltverbrechen, Angst und psychischen Erkrankungen, belegen wissenschaftliche Studien. Nicht in der Verschärfung bestehender Spaltungen liegt die Lösung, sondern in der Förderung sozialer Gerechtigkeit, in deren Folge schließlich auch Sicherheit möglich wird.
Zum Weiterlesen:Dossier "Krieg gegen Terror?"
Dieser Beitrag von medico-Geschäftsführer Thomas Gebauer erschien am 29.01.2016 in der Frankfurter Rundschau