Wider die Abschottung

Brücken statt Blockaden

03.09.2019   Lesezeit: 2 min

Von weißen und schwarzen Held*innen. Von Ramona Lenz

Corinna Harfouch, Ingo Schulze und Gesine Schwan gehören zu den Erstunterzeichner*innen des Appells „Brücken statt Blockaden“, den europaweit fast 90.000 Menschen unterschrieben haben. Sie bekunden damit ihre Solidarität mit der Sea-Watch-3-Kapitänin Carola Rackete sowie mit der Crew des Rettungsschiffes Iuventa und protestieren gegen die Kriminalisierung der Seennotrettung. Initiiert worden war der Appell von dem französischen Philosophen Etienne Balibar. Die Übersetzung und Mobilisierung in Deutschland übernahm medico gemeinsam mit kritnet, Sea Watch und Seebrücke.

In unserer Presseerklärung zum Appell erinnern wir auch an die Vielen, die sich tagtäglich gegenseitig auf der Flucht beistehen, aber in den in Europa dominierenden Bildern und Geschichten von weißen Retter*innen und schwarzen Geretteten nur als Opfer oder Täter*innen des illegalen Grenzübertritts vorkommen. Dieses massive Ungleichgewicht wird an dem Schicksal der drei afrikanischen Teenager besonders deutlich, die Ende März 2019 das Frachtschiff „El Hiblu 1“ dazu brachten, die 108 Geretteten an Bord nicht nach Libyen zurück, sondern nach Malta zu bringen. Für diesen mutigen Akt droht ihnen lebenslange Haft. Die europäische Öffentlichkeit aber hat sie längst vergessen.

Auch den deutschen Kapitäninnen Carola Rackete von der Sea Watch 3 und Pia Klemp von der Iuventa drohen lange Haftstrafen – während sie zugleich ungefragt als Heldinnen verehrt werden. Erst kürzlich erteilte Klemp der Bürgermeisterin von Paris, die ihr die höchste Auszeichnung der Stadt verleihen wollte, eine deutliche Absage: „Frau Hidalgo, Sie wollen mir eine Medaille für Aktionen geben, die Sie gleichzeitig bekämpfen. Ich bin sicher, Sie werden nicht überrascht sein, dass ich ablehne.“ Die Kapitäninnen und ihre Crews retteten unter großem persönlichen Einsatz Menschenleben und – was vielleicht noch schwerer wiegt – sie riskierten, in Situationen zu kommen, in denen sie nicht retten können. Dafür muss man sie nicht als Heldinnen verehren, aber Hochachtung gebührt ihnen allemal. Auch dafür, dass sie jede Gelegenheit nutzen, um an das zu erinnern, wogegen sie angetreten sind: die tödliche europäische Abschottungspolitik.

Ramona Lenz (Foto: medico)

Ramona Lenz ist Kulturanthropologin. Bis Mitte 2024 war sie Sprecherin der Stiftung medico und über viele Jahre in der Öffentlichkeitsarbeit von medico international zuständig für das Thema Flucht und Migration.

Twitter: @LenzRamona


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