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Warum so kompliziert und negativ?

01.09.2015   Lesezeit: 3 min

Entwicklungszusammenarbeit ist eine Erfolgsgeschichte - wir müssen sie nur richtig erzählen. Wie die Gates-Stiftung Sie zum Spenden bewegen möchte.

Entwicklungszusammenarbeit ist eine Erfolgsgeschichte. Wir müssen sie nur richtig erzählen. Und dabei alle am gleichen Strang ziehen. Dann spenden Leute wie Sie auch dafür. Was halten Sie zum Beispiel von folgenden Argumenten?

1. „Entwicklungszusammenarbeit hilft den Menschen an den ärmsten Orten der Welt dabei, unabhängig zu werden und auf eigenen Beinen zu stehen.“

2. „Menschen, die an den ärmsten Orten der Welt geboren wurden, verdienen die Chance, ihr volles Potenzial zu entwickeln. Jedes Menschenleben ist wertvoll.“

3. „Entwicklungszusammenarbeit funktioniert, weil sich Menschen aus allen Ländern und Gemeinschaften zusammenschließen, um Wissen, ihre Ressourcen und Verantwortung zu teilen.“

Erstmal nichts gegen zu sagen, oder? Darauf sollte man sich doch wohl einigen können! Unabhängigkeit (1), gemeinsame Wertvorstellungen (2) und Partnerschaft (3) bilden – in dieser Reihenfolge – jedenfalls den besten „Erzählrahmen“, um Menschen wie Sie zum Spenden zu bewegen. (Allerdings auch nur Menschen wie Sie, also Teile der „aktiven Öffentlichkeit“, die globale Angelegenheiten verfolgt und der Meinung ist, dass etwas gegen die Armut auf der Welt getan werden muss. Bei allen anderen ist das schwieriger.)

Groß angelegte Studie mit simplen Ergebnissen

Das ist – in aller Kürze – das Ergebnis einer umfangreichen von der Gates-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie, die von Expert_innen aus den Bereichen Linguistik, Anthropologie, Psychologie, Marketing, Politikwissenschaft, Entwicklungszusammenarbeit, Meinungsforschung und Kommunikation in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland durchgeführt wurde, unterstützt von Organisationen wie Save the Children, Oxfam und Welthungerhilfe.

Ausgangspunkt war der Unmut darüber, dass sich die Debatte zur Entwicklungshilfe „ins Negative gekehrt und verkompliziert“ hat. Das ist lästig, vor allem unter Fundraisinggesichtspunkten. „Keep the story simple“, stelle ein konkretes Projekt vor, zeige Vorher-/Nachher-Bilder, erzähle Erfolgsgeschichten – das ist Fundraising. Widersprüche, Rückschläge und Komplexität haben da keinen Platz. Die Gates-Stiftung gemeinsam mit zahlreichen Kooperationspartnern setzte es sich daher zum Ziel, die öffentliche Diskussion so zu beeinflussen, dass „ein positiveres Verständnis für dieses Themenfeld“ gefördert wird.

„Verwenden Sie schlichte und leicht verständliche Ausdrücke“

Bei Befragung und Diskussionen in Fokusgruppen stellten die Expert_innen fest, dass in Deutschland Begriffe wie „Partnerschaft“ und „Selbsthilfe“ besonders gut ankamen. Auch die „Stärkung von Frauen und Mädchen“ war vielen wichtig. Diese Schlüsselbegriffe sollten Hilfsorganisationen hier also unbedingt verwenden. Was sie nicht tun sollten: Zu viele Zahlen und Fakten bringen, langfristige Zeitrahmen abstecken, Probleme in den Vordergrund stellen.

Jetzt müssen nur noch möglichst viele Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit ihren „Erzählrahmen“ so umformulieren, dass eine gemeinsame – positive und leicht verständliche – Erzählung entsteht. Dann werden die Spenden fließen. An der Entwicklungszusammenarbeit selbst (den Begriff „Entwicklungshilfe“ sollte man auch unter Fundraisinggesichtspunkten vermeiden, haben die Expert_innen rausgefunden) und an den politischen Bedingungen, unter denen sie stattfindet, muss sich dabei überhaupt nichts ändern. Es geht hier schließlich um Spendengewinnung, nicht um Inhalte.

Wohin mit Begriffen wie „Strukturanpassungsprogramm“?

Wenn ich mir den „Erzählrahmen“ von medico so anschaue, machen wir im Sinne der Gates-Stiftung bereits einiges richtig. Schon lange sprechen wir von „Partnerschaft“; „Selbsthilfe“ ist uns wichtig und die „Stärkung von Mädchen und Frauen“ liegt uns auch ganz ausdrücklich neben der von Buben, Männern und anderen am Herzen. Was machen wir jetzt aber mit so sperrigen Begriffen wie „Kapitalismus“, „Menschenrechte“ oder „Strukturanpassungsprogramm“? Wohin mit Akronymen wie WHO, TTIP und R2P? Und wie weiter mit der „Beyond Aid“-Debatte, mit der wir angetreten sind, die „Hilfe“, die wir und andere in der Entwicklungszusammenarbeit leisten, immer wieder kritisch zu hinterfragen?

Wenn es darum geht, potenzielle Spender_innen mit der richtigen – also best-getesteten – Wort- und Bildwahl vom Spenden zu überzeugen, wenn also zu allererst Fundraisingziele den öffentlichen Auftritt einer Organisation bestimmen, besteht nicht nur die Gefahr, dass die eigentlichen Ziele in den Hintergrund treten. Diese Vorgehensweise läuft diesen Zielen womöglich sogar zuwider. Ohne Kritik und Selbstkritik, ohne „Zahlen und Fakten“ und ohne die Benennung von Problemen, die auf Spender_innen abschreckend wirken könnten, verhindern wir notwendige Veränderungen und stehen so dem im Weg, was angeblich doch alle wollen: soziale Gerechtigkeit.

Ramona Lenz (Foto: medico)

Ramona Lenz ist Sprecherin der Stiftung medico. Über viele Jahre war die Kulturanthropologin in der Öffentlichkeitsarbeit von medico international zuständig für das Thema Flucht und Migration.

Twitter: @LenzRamona


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