Hilfe verteidigen, kritisieren und überwinden
Für medico international ist Hilfe Teil eines umfassenden solidarischen und politischen Handelns. Unser Bemühen, emanzipatorische Prozesse zu unterstützen, schließt das Bewusstsein um die ambivalenten Folgen von Hilfe ein. Die Schattenseiten der Entwicklungshilfe versuchen wir selbstkritisch zu reflektieren und immer wieder öffentlich zur Debatte zu stellen.
Welche Formen der Solidarität, der Kooperation und der Unterstützung können in einer globalisierten Welt nachhaltige Veränderungen bewirken? Wie lässt sich verhindern, dass die Idee globaler Verantwortung zur Legitimation machtpolitisch motivierter Interventionen verkommt? Was ist erforderlich, um die Universalität der Menschenrechte nicht einfach nur zu konstatieren, sondern für alle zu verwirklichen? Wie müssen die Praxis und die Institutionen der Hilfe verändert werden? Was liegt jenseits der Hilfe: Beyond Aid?
Kritische Auseinandersetzung mit der Entwicklungshilfe
Der somalische Schriftsteller Nuruddin Farah geißelt bereits 2003 auf der medico-Konferenz: »Macht und Ohnmacht der Hilfe« eine »Hilfe«, die nicht mehr Notlagen und Abhängigkeiten dauerhaft beiseitigen will, sondern sich selbst zum Zweck geworden ist.
»Sie kommen nicht, um Gutes zu tun, sondern um sich gut zu fühlen (…). Als Spezies sind die Männer und Frauen im Hilfe-Business Touristen, unterwegs in der elenden Wirklichkeit anderer Menschen. Sie schweben ein und sehen aus wie Schulmädchen und –jungen, fahren in ihren Geländefahrzeugen durch die Gegend, sind herablassend und machen sich furchtbar wichtig. Als Touristen sind ihnen die Sitten der Völker vor Ort nicht bekannt, und sie verhalten sich anderen Kulturen gegenüber schlichtweg beleidigend.«
»Dass Afrika bis jetzt überhaupt überlebt hat, spricht für seine Widerstandskraft. Wenn wir heute erreichen wollen, dass die Völker Afrikas zu gleichberechtigten Partnern werden, dann muss die Welt Kriege, Hungersnöte und undemokratische Gewaltherrscher mit Entschlossenheit bekämpfen, Waffengeschäfte vereiteln, die »Voyeure« verjagen, die als Touristen zu Katastrophenorten reisen; und bitte keine Nahrungsmittelgeschenke mehr.
Lieber sollte die Welt die Landwirtschaftssubventionen aufheben, die sie als Schutz eingerichtet hat, um unseren Produkten den Zugang zu ihren Märkten zu versperren; und bitte keine Handelsembargos mehr. Nur so können wir unser Leben neu gestalten, unserer eigenen Probleme habhaft werden, unsere eigenen Lösungen entwickeln und den Gewinn behalten.«
Die vielen klugen und kritischen Stimmen unserer Partner in den hiesigen Debatten über Entwicklungshilfe hörbar zu machen, auch das ist eine wichtige Aufgabe von medico international.