Blutdiamanten

von Marcel Hänggi

01.04.2002   Lesezeit: 8 min

Anfang Oktober 1999: Drei Menschenrechtsgruppen eröffnen die Kampagne »Fatale Transaktionen«. Es geht um den Zusammenhang zwischen dem Handel mit »Konfliktdiamanten« und der Finanzierung von Kriegen. Vielleicht, hoffte die deutsche Koordinatorin Anne Jung, könnte die Kampagne bewirken, daß der Branchenleader im Diamantengeschäft, die südafrikanisch-britische De Beers, seine Verantwortung wahrnehme. Die Kampagne startete erfolgreich: einige Stunden vor der Medienkonferenz teilte De Beers mit: die Firma habe sich aus dem Handel mit Angola zurückgezogen. De Beers war aus dem Schußfeld der Kritik. »Blutdiamanten« wurden ein Thema auf den Titelseiten der Weltpresse, als der grausame Krieg in Sierra Leone im Mai 2000 eskalierte. Auf Initiative Südafrikas setzten Produzenten- und Konsumentenländer, Industrie und NGO‘s den »Kimberley-Prozess« in Gang. Vor allem ist ein System von fälschungssicheren Herkunftszertifikaten vorgesehen. Die UN-Vollversammlung soll die Kimberley-Richtlinien verabschieden. Wie leicht es nach wie vor ist, mit Konfliktdiamanten zu handeln, zeigen Recherchen der ARD-Mitarbeiter Thomas Aders & Stefan Schaaf in Afrika: Saurimo, Provinz Lunda Sul im Nordosten Angolas. Es gibt keine Wasser-, keine Stromversorgung, keine Schulen. Seit 1961 wird Angola von Krieg beherrscht. Mit dem Wegfall der Unterstützung durch Amerika und Südafrika nach dem Ende des Kalten Kriegs finanziert die Rebellenorganisation Unita ihren Kampf hauptsächlich mit Diamanten. Angolanische Diamanten gehören mit ca. 250 Dollar pro Karat (1 Karat = 0,2 Gramm) zu den besten weltweit. Sie liegen im Osten Angolas oberflächennah unter dem Boden. »Wir arbeiten hart«, sagt ein Garimpeiro (Ausgräber). Immer in der Hoffnung auf den großen Fund. Ausländer dominieren das Geschäft. Ab Februar 2000 darf nur die Angolan Selling Corporation Diamanten aus Angola exportieren. Mit diesem Monopol soll verhindert werden, daß die Unita vom Diamanthandel profitiert. ASCORP ist ein Jointventure des Staates Angola und Lev Levievs, eines israelischen Bürgers russischer Abstammung. Leviev, Gebieter über ein Firmenimperium mit zwei Milliarden Dollar Jahresumsatz, gilt als größter Konkurrent für De Beers. Er ist außerdem der zweitgrößte Exporteur von Diamanten aus der Demokratischen Republik Kongo. Der in Israel lebende russische Oligarch Gaydamak ist eine Schlüsselfigur der Waffendeals, in die der französische Präsidentensohn Jean-Christoph Mitterrand verwickelt ist. In Saurimo gilt es als offenes Geheimnis, daß auch Unita-Diamanten Eingang in die Ascorp-Vertriebskanäle finden. Raul Barcelos, ein Oppositioneller aus Dundo, erklärt: »Das Verhältnis zwischen Regierung und Rebellen ist hier kein feindliches. Man hat die Einflußsphären abgesteckt. Ich glaube nicht, daß die Generäle den Krieg beenden wollen: Sie verlören ihren Einfluß.« Angola, die Demokratische Republik Kongo, Sierra Leone und, mit geringem eigenem Diamantvorkommen, Liberia sind Länder, in denen der Diamanthandel Krieg finanziert.

Mit versteckter Kamera und sich als Händler ausgebend, begeben sich die Journalisten ins sambische Mines Development Department in der Hauptstadt Lusaka. Gegen ein paar 100 USD Schmiergeld stellt der Beamte eine Ausfuhrbewilligung aus, die die Journalisten auch gleich offiziell zu Händlern macht. Gleichzeitig »türkt« der Beamte den Wert der Diamanten, damit die »Händler« nicht so viel Ausfuhrzoll zahlen müssen. Daß es sich bei den derart legalisierten Steinen nicht um sambische handelt, wird offen diskutiert – es gibt auch gar keine nennenswerten Diamantvorkommen in Sambia. – Die Einfuhr lief mit diesem Dokument am Flughafenzoll von Frankfurt am Main problemlos ab. Die meisten Produzentenländer haben bis heute noch gar kein fälschungssicheres Zertifizierungssystem. Die Kimberley-Richtlinien sollen das ändern und sehen vor, daß nur noch Rohdiamanten mit Ursprungszertifikat gehandelt werden dürfen. Das Ende des illegalen Handels? Kaum. Ende 2000 bot der Verfasser 11 Händlern in Genf Diamanten zum Kauf an, die angeblich aus der Côte d‘Ivoire stammten – einem bekannten Transitland für sierra-leonische Konfliktdiamanten. In Wirklichkeit waren die angebotenen Steine vor Ausbruch der westafrikanischen Kriege aus Guinea eingeführt worden, also »sauber«. Acht der elf Diamantaires wollten kaufen. Illegal war das damals nicht. Doch der Hohe Diamantenrat (HRD) in Antwerpen, die Dachorganisation der weltweit größten Diamantbörse, hatte auf Anfrage versichert, die Branchenorganisationen würden Händler von den Börsen ausschließen, die wissentlich in Kauf nähmen, gegen die Sanktionen zu verstoßen. Kontrollen, meinte man beim HRD, seien nicht nötig: Kein Diamantaire würde das Risiko solch drakonischer Strafen in Kauf nehmen. Doch genau das taten die acht Genfer Händler. Als ich nach dem Experiment dem HRD meine Erkenntnisse mitteilte und anbot, die Namen der Händler zu nennen, berief sich dieser darauf, dass die Steine in Wirklichkeit ja gar keine Konfliktdiamanten seien. Die Uno-Expertenkommission zur Überwachung der Sanktionen gegen die Unita schreibt in ihrem Bericht vom Oktober 2001, es seien ihr sechzehn (von insgesamt 1500) in Antwerpen registrierte Handelshäuser bekannt, die in den vergangenen zwei Jahren laut »glaubwürdigen Informationen potentiell in Verletzungen der Sanktionen involviert« gewesen seien. Eine Strafe wegen Handels mit Konfliktdiamanten, sei es von Seiten der Branchenorganisationen, sei es strafrechtlich, wurde bis heute gegen keinen einzigen Diamanthändler verhängt. Eine neue Anfrage bei einem der Genfer Diamantaires, die Ende 2000 gern gekauft hätten, resultierte darin, dass dieser mich sofort in weitere Geschäfte einbinden wollte. Konfliktdiamanten sind für ihn nach wie vor kein Thema. Die Bedeutung Genfs für den illegalen Handel mit Westafrika dürfte unter anderem an seiner Rolle als Diplomatenstadt liegen. Ein Genfer Diamantaire hatte mir erzählt, er habe soeben mit ivorischen Diplomaten verhandelt, die Diamanten per Diplomatengepäck nach Europa brächten. Doch Genf scheint an Bedeutung verloren zu haben.

Heute kauften die Europäer vermehrt in Burkina Faso selber und schliffen die Steine im Land. Auch so kann das Embargo umgangen werden, denn dieses gilt aus praktischen Gründen nur für Rohdiamanten. Ein wichtiger Umschlagplatz ist laut Ouedraogo die Kreuzung neben dem Stade municipal in Bobo Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes. Bobo Dioulasso, sagt Talato Slid Saya, Chefredaktor des Independant, Burkinas wichtigster unabhängiger Zeitung, sei das Zentrum des illegalen Waffenhandels in Burkina Faso. Waffen, Diamanten – der Kreis schließt sich. Burkinas Präsident Blaise Campaoré unterhält mit den Spitzen der Unita beste Beziehungen und war mit dem liberianischen Präsidenten und Mentor der sierra-leonischen RUF, Charles Taylor, befreundet, bis er sich vor einem Jahr von ihm abwandte. Sein Land gilt als Drehscheibe des illegalen Waffenhandels zwischen Osteuropa und Afrika. So exportierten die Ukraine, Bulgarien und Rumänien in den vergangenen Jahren große Mengen Waffen, die laut Endnutzer-Zertifikaten für Burkina Faso und Togo bestimmt waren, in Wirklichkeit aber in Bürgerkriegsländern landeten. Eine Figur, die im Zusammenhang mit dem illegalen Waffenhandel zwischen Osteuropa und den Rebellen in Sierra Leone, Kongo und Angola immer wieder auftaucht, ist Wiktor Wassiljewitsch Butt alias Victor Bout. Die Lufttransportfirmen des ehemaligen KGB-Agenten operieren von den Vereinigten Arabischen Emiraten aus, sind aber registriert in Ländern wie Liberia, Swasiland, Zentralafrika oder Äquatorialguinea. Kann der Fluss illegaler Diamanten dank dem Kimberley-Prozess gestoppt oder wenigstens gebremst werden? Christian Dietrich, Forscher am belgischen International Peace Information Service, zweifelt daran. Solange keine effektiven Kontrollen ausgeübt und keine Händler bestraft würden, bliebe die Wirkung der Sanktionen aus. Effektive Kontrollen aber sieht der Kimberley-Prozess nicht vor. Und wie urteilen Menschen in Angola? Eugenio Manuvakola ist ein ehemaliger Kampfgefährte Savimbis. Heute ist er Vorsitzender einer Unita-Abspaltung, die sich vom bewaffneten Kampf losgesagt hat. »Ich glaube«, sagt Manuvakola, »das Geschäft wird für die Unita schwieriger mit den Sanktionen. Deshalb sind diese sehr wichtig. Ohne Diamanten würde der Krieg enden.

Wer angolanische Diamanten kauft, trägt dazu bei, daß der Krieg weiter geht.« Die Resultate des Kimberley-Prozesses hätten im Dezember von der Uno-Vollversammlung verabschiedet werden sollen. Mit der Verschiebung auf März 2002 haben sich einige Voraussetzungen geändert: Die sierra-leonische Regierung hat den Bürgerkrieg als beendet erklärt, Unita-Führer Jonas Savimbi ist gefallen. Wenn es auch zu früh ist, sich von Savimbis Tod den Frieden zu erhoffen – er dürfte der Unita weit mehr geschadet haben als alle Sanktionen. Bliebe Kongo. Doch gegen Kongo oder die im Kongo Krieg führenden Staaten besteht kein Embargo. Sind also die ganzen Anstrengungen nutzlos? Nein, denn zumindest eines haben sie geleistet: Sie haben Möglichkeiten und Grenzen einer Marktregulierung für kriegsrelevante Güter aufgezeigt. Und sie haben ein Bewußtsein geschaffen für eine Thematik, die sich auf andere Waren übertragen ließe, die Kriege finanzieren: Erdöl, Holz, Coltan, Drogen.

medico international engagiert sich seit langem mit internationalen Partnerorganisationen gegen den Handel mit kriegsfinanzierenden Diamanten. Aktionen, Materialien, Filme & Tipps sind in diesem Heft unter »medico aktiv« zu lesen. Spenden Sie bitte unter dem Stichwort: Angola

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Welthandel Rohdiamanten

3,7 Prozent des weltweiten Rohdiamantenumsatzes, so schätzte Branchenleader De Beers im Jahr 2000, seien Konfliktdiamanten – Diamanten, mit deren Verkauf Kriege finanziert werden. Bei einem Handelsvolumen von 7,5 Milliarden Dollar jährlich entspricht das 280 Millionen Dollar. Die Zahl wurde von gewissen Uno-Dokumenten übernommen und wurde damit quasi-offiziell. Allerdings schätzt die Angolanische Regierung allein die von den Unita-Rebellen exportierten Diamanten auf 350 bis 420 Millionen pro Jahr – zu den besten Zeiten der Unita waren es bis 800 Millionen. Andere Quellen, darunter die amerikanische Regierung, schätzen den Anteil der Konfliktdiamanten denn auch auf bis zu 15 Prozent. Diese Diskrepanz liegt aber nicht nur in unterschiedlichen Schätzungen, sondern auch in den verschiedenen Definitionen begründet. Im engsten Sinne sind diejenigen Diamanten Konfliktdiamanten, gegen die ein Uno-Embargo besteht: solche aus Rebellen-kontrollierten Gebieten in Angola und Sierra Leone sowie alle Diamanten aus Liberia, das vor dem Embargo wichtigstes Transitland für Güter der sierra-leonischen Rebellengruppe RUF war. In dieser engen Definition sind weder kongolesische Steine noch solche, mit denen anerkannte Regierungen Kriege finanzieren, berücksichtigt. Die Schätzung wird dadurch erschwert, daß 20 bis 30 % des gesamten Rohdiamant-Handels auf den Schwarzmarkt entfällt. Wie die Washington Post im November 2001 schrieb, soll von diesem illegalen Diamanthandel auch Usama Bin Ladens al-Kaida profitiert haben. Seit Juli 2001 sollen al-Kaida-Mittelsleute in großen Mengen Diamanten der RUF gekauft haben – als Geldanlage für den Fall, daß die Konten der al-Kaida nach dem 11. September gesperrt würden.


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