Editorial

01.04.2000   Lesezeit: 2 min

Was medico alles so tut?

Wir lassen Revue passieren & eröffnen mit einem Klassiker: Fidel Castro rechnet bärbeißig vor, warum jedes »Kind begreifen« muß, daß die herrschende Wirtschaftsordnung des Planeten vergehen wird. »Das präsente System ist unhaltbar: es gründet auf destruktiven Regeln, die beide, Gesellschaft und Natur, ins Chaos stürzen.« Das Kuba des Maximo Lider ist eine Stätte der riskantesten Gentechnologie-Experimente im medizinischen Bereich & ein Land, dessen Diskriminierung von AIDS-Patienten äußerst problematisch ist. Doch gefällt uns die aufrechte Gestalt des hoch gewachsenen Mannes, der immer noch mit dem Finger nach Norden zeigt.

Dorthin, wo am 12. Februar 1980 Willy Brandt, der Vorsitzende der »Unabhängigen Kommission für Internationale Entwicklungsfragen«, in New York dem Generalsekretär der Vereinten Nationen den Abschlußbericht der sogenannten Nord-Süd-Kommission vorlegte. Das Mandat der Kommission bestand darin, »die ernsten Probleme von globalen Ausmaßen zu untersuchen, wie sie sich aus den wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten der Weltgemeinschaft ergeben, und Wege dafür aufzuzeigen, wie angemessene Lösungen für die Entwicklungsprobleme und zur Überwindung der Armut vorangetrieben werden können«.

Seit der Veröffentlichung des 300seitigen Berichtes hat sich die Situation der »Dritten Welt« nicht nur nicht gebessert, sondern entscheidend verschlechtert. Heute leiden 540 Millionen Kinder (»Zur Lage der Kinder in der Welt 2000«/UNICEF) unter den Folgen von militärischen Konflikten & 600 Millionen Kinder wachsen unter Umständen extremer Armut auf: sogar in Großbritannien.

Die Diktatur dieser Armut beschäftigte medico die ganzen letzten Wochen: extrem herausgefordert durch unsere Soforthilfe für das flutgetroffene Mosambik. Das südliche Afrika wird uns weiter in Atem halten, wie die Lage in Mittelamerika auch, wie die Sorge um Minenopfer und die beschädigten Kindersoldaten. Doch muß unser Atem noch viel weiter reichen – und die Waffenhändler bloßstellen und deren politische Helfershelfer. Wir müssen erreichen, daß kein einziger Akin Birdal mehr der Verteidigung der Menschenrechte wegen in türkische Gefängnisse gerät – und fordern Druck von Berlin und Brüssel. Und unser Blick und Engagement beziehen sich auf die Ereignisse von Seattle und den internationalen Kampf gegen die Ungerechtigkeit der WTO.

Fidel Castro erhält doch recht in seiner Beständigkeit: Eine erstaunliche Welle von Solidarität und von Kulturkritik mit antikapitalistischen Zügen geht derzeit endlich wieder durch die ganze Welt. Es ist dies die bewußte Selbstverständigung der zukünftigen anderen Akteure.

Herzlichst
Ihr
Hans Branscheidt


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