Von Marcus Balzereit
Ein ganzes Wochenende lang nahmen sich gut 200 Teilnehmer*innen im medico-Haus das, was es braucht, damit Utopie Wirklichkeit werden kann: Zeit, einen Raum, vielfältige über den akuten Handlungsdruck hinausweisende nachdenkliche Angebote und die Gelegenheit zum gemeinsamen Austausch. Die von der medico-Stiftung in Kooperation mit dem Institut für Sozialforschung und der Frankfurter Rundschau organisierte Auftaktveranstaltung der Reihe zum „Utopischen Raum“ brachte erste Facetten des Anderen erfolgreich zusammen: von theoretischen Überlegungen über Darstellungen konkreter sozialer Kämpfe bis zu künstlerischen Beiträgen in Wort, Bild und Ton.
In seiner Eröffnungsrede brachte der Sprecher der medico-Stiftung, Thomas Gebauer, das Gemeinsame dieser Angebote mit einem Zitat von Paul Parin auf den Punkt: „Wenn es euch gelingt, zu zeigen, dass es auch anders geht, dann ist schon viel gewonnen.“ Dass es anders gehen muss, machte er am Beispiel der Ressourcennutzung deutlich: Als Weltbevölkerung verbrauchen wir derzeit anderthalb mal so viel wie in einer nachhaltigen Ökonomie zur Verfügung stünde, Deutschland gar dreimal so viel. Diese Übernutzung geht zu Lasten anderer und der Umwelt. Die Folgen dieser ungehemmten Ausbeutung von Mensch und Natur sind unübersehbar: der Klimawandel, die größten Flucht-Bewegungen in der Menschheitsgeschichte, Kriege um Bodenschätze und Vormachtstellungen.
Um dem eine andere Form von Globalität entgegenzustellen, braucht es ein Forum für Ideen, das das Andere zumindest aufscheinen lässt. Es braucht Utopien, die nicht illusionär, sondern verwirklichbar sind. Was, so fragte Thomas Gebauer, spricht bereits jetzt gegen Alternativen, sei es eine globale Bürgerversicherung, ein bedingungsloses Grundeinkommen oder einen Nulltarif für den Nahverkehr? Und was spricht gegen die Überführung von privatem Grundbesitz in öffentliches Eigentum, wie es der Artikel 15 des Grundgesetzes als Möglichkeit vorsieht, um der außer Kontrolle geratenen Wohnungssituation hierzulande etwas entgegenzusetzen?Es gelte den Möglichkeiten einer Lebensweise nachzuspüren, so Gebauer, die ohne Konkurrenz und Gier auskommt und die Sorge um andere in den Mittelpunkt stellt. Dazu möge der utopische Raum im globalen Frankfurt beitragen. Um deutlich werden zu lassen, dass es auch anders geht.
In Vertretung der Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig, die sich entschuldigen ließ, wurde ihr Grußwort von ihrem Referenten C. Julius Rheinsberg vorgetragen. Dieser machte sogleich deutlich, dass Utopie in Frankfurt Tradition habe. Er bezog sich hierbei auf die Erfahrungen mit den Experimenten des „Neuen Frankfurts“ in den 1920er-Jahren. Es war die Leistung des damaligen liberalen Bürgermeisters Ludwig Landmann und seines Stadtbaurats Ernst May, Visionen eines sozialen Wohnens, gemeinsam mit den Bewohner*innen, erfolgreich in der Fläche umzusetzen. 15.000 Wohnungen entstanden in nur fünf Jahren und prägen die Stadt bis heute. Sie wurde damit zur „Baustelle der Moderne“ und der Reformbewegungen. Einen besseren Rahmen als Frankfurt, so die vertretene Kulturdezernentin, für einen neuerlichen „utopischen Raum“ könne sie sich nicht vorstellen.
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Anschließend unterhielten sich der Schriftsteller Ilija Trojanow, der auch Kuratoriumsmitglied der medico-Stiftung ist, und der Sozialwissenschaftler Harald Welzer über Vermittlungserfahrungen, ihre eigenen utopischen Ansätze betreffend. Welzer begann mit einem heftigen Selbstvorwurf: „Meine Generation hat es verkackt.“ In den letzten Jahrzenten sei über Zukunft nämlich vorwiegend pessimistisch gesprochen worden. Die Behauptung, dass alles schlechter werde, öffne jedoch keinen utopischen Raum, sondern verenge nur die je eigenen Perspektiven. Es sei daher nicht verwunderlich, dass Jugendlichen heute auf die Frage nach eigenen Vorstellung von Zukunft nur wenig einfalle. Diese Leere symbolisiere auch der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, in dem sich kein Zukunfts-, sondern ein bloßer Vergangenheitsbezug materialisiere. Utopie bedarf, da waren sich die beiden Diskutanten schließlich einig, einiger Vorrausetzungen: ein Maß an Autonomie, widerständiger Gestaltungsmöglichkeiten und eigener Projekte.
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Eva von Redecker von der Humboldt-Universität Berlin stellte danach die Bedeutung von Sorgearbeit im Kapitalismus heraus. Gerade in Bezug auf utopisches Denken sei es nötig, über das Andere der im Kapitalismus anzutreffenden Sachherrschaft nachzudenken. Es sei ein Spezifikum der herrschenden ökonomischen Verhältnisse, dass der Eigentümer zum ersten Mal in der Geschichte vollkommene Zugriffsrechte auf sein Eigentum, bis hin zur Vernichtung, gewährt bekommt. Diese besondere Eigentumslogik sei nicht nur im Umgang mit Dingen zu beobachten, sie präge auch häufig den politischen Umgang mit marginalisierten Menschen. Stattdessen bedürfe es einer entgegengesetzten Kultur der Solidarität. Wäre diese etabliert, könnte man am Ende vermutlich auch gut zusammen auf einem zwei Grad wärmeren Planeten leben. Ihr Plädoyer: „Wir können uns kümmern, ohne uns zu kennen und ohne uns zu mögen.“
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Der Nachmittag und der Abend offerierten zwei entgegengesetzte Denkbewegungen: Das Ensemble Modern lud in seinen nahegelegenen Dachsaal zu einer Probe der „Dubairischen Tänze“ von Jörg Widmann ein. In der Weltstadt, mitten am Persischen Golf, suchte der Komponist nach Inspiration und entdeckte dabei seine bayerische Herkunft neu. Im Ergebnis flocht er Bayerische Tänze mit den Eindrücken seines Aufenthalts zu einer neuen eindrücklichen zeitgenössischen Komposition. Verwies der Vorgang der Probe auf das nie Abgeschlossene jedes utopischen Entwurfs, so unterstrich die Musik selbst noch einmal wesentliche bereits mündlich vorgebrachte Einsichten: In einer globalen Welt können auch utopische Entwürfe nicht hinter der Tatsache zurückstehen, dass die Zukunft unseres Planeten nur in einem stetigen gegenseitigen Austausch denkbar ist.
Die zweite Denkbewegung fand ihren Niederschlag im ersten abendlichen Podium, das von Nadja Erb von der Frankfurter Rundschau moderiert wurde. Die These hier: Utopie beginnt, obgleich global gedacht, stets klein und regional. Hierzu konnte Gerrit von Jorck aus Berlin gewonnen werden, der über einen am Vortrag zu Ende gegangenen Kongress des Postwachstums-Kollegs in Jena berichtete, Ulrich Schachtschneider, der seinen Entwurf eines ökologischen Grundeinkommens vorstellte, und schließlich Leonie Wicke, die von den konkreten Kämpfen von Fridays for Future Frankfurt gegen den Klimawandel berichtete.
Gerrit von Jorck stellte zunächst eindrücklich vor, dass bislang noch jeder Versuch, ökonomische Krisen zu bearbeiten, zu einer Verschlimmerung eben dieser und zu einer Zunahme des Naturverbrauchs geführt hat. Allerdings gäbe es von Seiten der Postwachstumstheoretiker*innen inzwischen einige konkrete Gegenvorschläge: Gesundheits- und soziale Sicherungssysteme könnten auch ganz ohne Wachstum gedacht und für alle zugänglich gemacht werden. Ein vernünftiger Einstieg könne zum Beispiel darin bestehen, eine zusätzliche „ökologische Mobilitätszeit“ für den Umstieg vom Auto auf ökologisch weniger bedenkliche Verkehrsmittel auf die jeweilige Arbeitszeit anzurechnen.
An Arbeit und Ökologie schloss der Vortrag von Ulrich Schachtschneider an. Sein Appell: Ökosteuern dürfen nicht mehr die Endverbraucher*innen belasten, sondern müssen der Großindustrie auferlegt werden. Dadurch ließe sich zum einen der Energieverbrauch steuern und zum anderen ein Grundeinkommen finanzieren. Dies entspräche einem libertären Einstieg in eine Postwachstumsgesellschaft, in der es ja weder um Überwachung, noch nur um eine Regulierung des individuellen Verbrauchs gehen könne. Ziel einer Ökobesteuerung sei die Förderung einer ressourcenarmen Herstellung von Produkten bei gleichzeitiger Schaffung der Voraussetzungen zu nichtmonetärer Arbeit. Es ginge also letztlich um eine radikal- reformistische Zurückdrängung der bislang existierenden Ressourcen vernutzenden Verhältnisse bei gleichzeitiger Förderung von Gleichheit und Solidarität.
Offensichtlich bedarf es solcher „nichtmonetären Arbeit“, also einer nicht immer schon von kapitalistischen Zwecken vereinnahmten produktiven Tätigkeit, als Voraussetzung, um gemeinsam und auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu utopisch anmutenden Vorschlägen zu kommen. Leonie Wicke stellte vor diesem Hintergrund die Forderungen von Fridays for Future an die Stadt Frankfurt am Main vor. Wenn wir es ernst meinten mit der von der Staatengemeinschaft verabschiedeten Zwei-Grad-Forderung, so Wicke, bedarf es der konsequenten Verfolgung eines Maßnahmenkatalogs sowohl auf der kommunalen als auch der globalen Ebene. Frankfurt als große deutsche Industrie- und Handelsstadt müsse sich hierbei ihrer Vorbildfunktion für eine nachhaltige, ressourcenschonende Entwicklung stellen anstatt sich darauf zurückzuziehen, dass man als Stadtregierung „die Welt eh nicht retten könne“. Es gäbe genug, was vor Ort direkt angegangen werden könne: von Lösungen für den Nahverkehr über die Verringerung von Flächenvernutzung bis hin zur Förderung von Solardächern.
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„Wir sind nicht am Ende, wir sind erst am Anfang. Die vorgestellten Ideen brauchen einen langen Atem, sie gelingen nicht von heute auf morgen.“ Mit diesen Worten leitete Thomas Gebauer das zweite Podium am späten Abend ein. Und zahlreiche Zuhörerinnen folgten, der ungewöhnlichen Zeit zum Trotz, aufmerksam den Vorträgen von Anne Jung von medico international und Ute Klissenbauer/Stefan Schroer vom Kunst- und Forschungsprojekt UFO-UNO.
Anne Jung begann ihren Vortrag „Menschenrechte vom Kopf auf die Füße gestellt“ mit einem Verweis auf „Black Panther“. Der afrofuturistische Superhelden-Film spielt im phantastischen Wakanda, das sich, aber nur isoliert und im Geheimen, dank des Rohstoffes „Vibranium“, auf einem hohen technischen Stand befindet. Dieser mächtige Rohstoff gemahnt an tatsächliche, für alltägliche Geräte unentbehrliche Rohstoffe: Coltan, Cobalt, Bauxit und auch an andere seltene Erden, die der Aufrechterhaltung unserer imperialen Lebensweise dienen, werden in der Realität der globalen Ökonomie meist unter unmenschlichsten Bedingungen zu Tage gefördert. Die fehlende Vorstellungskraft, wie sich diese Ausbeutung und Plünderung überwinden lasse, sei maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Profite der Unternehmen juristisch durch Handelsverträge abgesichert werden. Hierdurch könne die Bundesregierung hemmungslos über „Ressourcenpartnerschaften“ sprechen und über Gewalt und Ausbeutung schweigen. Anne Jung forderte eine internationale Übereinkunft, die alle Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette in die Pflicht nimmt, die Menschenrechte zu gewährleisten – von der Förderung von Rohstoffen über die Verarbeitung bis hin zur Produktfertigung. Ein Zertifikat wie das neue Textilsiegel „Grüner Knopf“, das weiter auf ein „Freiwilligkeitsregime“ setzt, werde die notwendigen grundlegenden Veränderungen jedenfalls nicht anstoßen. Auch der von der UN angestoßene Prozess für einen entsprechenden „Binding Treaty“ erfahre (nicht nur) von Seiten der Wirtschaftsministerien dieser Welt Ignoranz und Ablehnung. medico international wird sich dagegen weiter dafür einsetzen, dass die globalen Liefer- und Produktionsketten endlich unter die Maßgabe der Menschenrechte, statt unter den Zweck der Vermehrung privaten Profits gestellt werden.
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Ute Klissenbauer berichtete schließlich von ihrem Versuch, die zentrale Aufgabe der UNO, eben die Gewährleistung der Menschenrechte, im Rahmen eines Kunstprojekts zu thematisieren. Die Vision einer UNO, die eine faire Verrechtlichung der internationalen Beziehungen im Namen von Frieden und Menschenrechten verwirklicht, stehe in starkem Kontrast zur Wirklichkeit. Dennoch seien die UN-Charta und die voranschreitende Kodifikation von Völkerrecht und Menschenrechten unter dem Dach der UNO unverzichtbar für eine politisch verfasste Weltgesellschaft, die einer schieren Logik der Macht des Stärkeren und der neoliberalen Globalisierung der Wirtschaft Substantielles entgegenzusetzen versucht. Die UNO, so Klissenbauer, ist „das transnationale Forum für den globalen Kampf um Recht und Rechte“. Dazu sei allerdings sowohl eine reflexive Distanzierung von bestehenden Verkrustungen als auch die interdisziplinäre Ausweitung eines zu eng gefassten Expert*innendiskurses notwendig, Dafür stehe die metaphorische Wendung „UFO UNO“.
Aufgrund von Urheberrechtsfragen kann der Vortrag von Ute Klissenbauer/Stefan Schroer leider nicht im Video gezeigt werden.
Der nächste Tag begrüßte die Anwesenden mit zwei Auftragskompositionen aus dem aktuellen Repertoire der Jungen Deutschen Philharmonie. „Utopie“ war auch hier wieder Programm: Denn die Stücke „Transparent“ von Marianna Liik und „Tiefen(t)räume“ von Gerhard Müller-Hornbach stellen musikalische Interpretationen zweier Bilder der Bauhaus-Künstler Lyonel Feininger und László Moholy-Nagy da. In der Folge spannte sich ein Bogen, angefangen vom Vortrag des Vortags von Ina Hartwig bis zu den nachfolgenden Ausführungen von Peter Wagner zu „Was ist Fortschritt?“. Denn sowohl das Neue Frankfurt als auch die musikalisch interpretierten Gemälde verdanken sich der Utopie des Gründers des Bauhauses: Walter Gropius. Alle Künste, die freien ebenso wie die angewandten, sollten sich hiernach miteinander dem „neuen Menschen“ nützlich machen, ihn sogar (mit)erziehen. Präziser formuliert bestand „die schöpferische Utopie des Bauhauses darin, unbeirrt die Realisation zu suchen und durch gemeinsame Arbeit das für richtig Erkannte in die Realität umzusetzen“.
In diesem Sinne verband auch Peter Wagner profunde Reflexionen über eine bessere Zukunft mit den praktischen Möglichkeiten im Hier und Jetzt. Er plädierte in seinem Vortrag dafür, „Fortschritt“ in unterschiedliche Dimensionen aufzuspalten: die eingängigste Form des Fortschritts sei der Erkenntnisfortschritt und die damit einhergehenden Verbesserungen der Lebensbedingungen, etwa über die Verbesserung der Hygienebedingungen. Die zweite Dimension läge in der Befriedigung materieller Bedürfnisse im Kontext von Wirtschaftswachstum. Damit einher gehe die problematische Vorstellung eines linearen Wachstums in Richtung eines immer größeren Fortschritts. Drittens gäbe es einen sozialen Fortschritt in den Bedingungen persönlicher Selbstverwirklichung im Kontext von Freiheitsrechten. Viertens schließlich lasse sich ein politischer Fortschritt beschreiben als Fortschritt in den Bedingungen kollektiver Selbstbestimmung. Vor dieser Folie machte Wagner deutlich, dass die persönlichen Selbstverwirklichungsrechte vieler Menschen im globalen Süden massiv behindert werden und Migration daher ein sehr plausibler Ausweg ist. Ebenso naheliegend sei es, dass diese Menschen ihren eigenen Fortschritt in eben jenen Ländern suchen, die im Rahmen internationaler Wirtschaftsverflechtungen Verantwortung für die vielfältigen Miseren in ihren Herkunftsländern tragen. Fortschritt könne also, das wurde dergestalt deutlich, nur noch angemessen in globalen Zusammenhängen und Dimensionen beschrieben werden.
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Das pralle Programm an den beiden Tagen umriss die Bandbreite der Themen und Perspektiven, die die Stiftung in Abendveranstaltungen in den folgenden Monaten noch weiter beleuchten wird. Der utopische Raum braucht Raum und Zeit – die gleichnamige Reihe der stiftung medico international stellt beides zur Verfügung. Es wird auch weiterhin versucht werden, unterschiedliche Dimensionen in ungewöhnlicher Form zusammen zu bringen: Kritik und Genuss, Widerständigkeit und geduldiges genaues Hinschauen. Anders jedenfalls wird ein gutes Leben für Alle nur schwer sichtbar. Wie das zusammen gehen kann, darauf notierte bereits Bertolt Brecht in seinem „Buch der Wendungen“ eine mögliche Antwort: Der Schüler Tu kommt zu seinem Lehrer Me-ti. Er möchte von ihm lernen am Kampf der Klassen teilzunehmen. „Me-ti lachte und sagte: sitzt du gut? Ich weiß nicht, sagte Tu erstaunt, wie soll ich anders sitzen? Me-ti erklärte es ihm. Aber, sagte Tu ungeduldig, ich bin nicht gekommen, sitzen zu lernen. Ich weiß, du willst kämpfen lernen, sagte Me-ti geduldig, aber dazu musst du gut sitzen, da wir jetzt eben sitzen und sitzend lernen wollen. Tu sagte: wenn man immer danach strebt, die bequemste Lage einzunehmen und aus dem Bestehenden das Beste herauszuholen, kurz, wenn man nach Genuss strebt, wie soll man da kämpfen? Me-ti sagte: wenn man nicht nach Genuss strebt, nicht das Beste aus dem Bestehenden herausholen will und nicht die beste Lage einnehmen will, wie sollte man da kämpfen?“