Flüchtlingsabwehr am Kap der Guten Hoffnung

Gabriel Shumba vom Zimbabwe Exiles Forum aus Pretoria zur Europäisierung der südafrikanischen Flüchtlingspolitik und den Chancen eines künftigen Simbabwe

15.09.2011   Lesezeit: 5 min

Südafrika ist, gemessen an seiner Bevölkerungszahl von knapp 50 Millionen Menschen, weltweit das größte Einwanderungsland. Zwischen vier und sechs Millionen afrikanische Migranten leben in Südafrika. Sie alle suchen ein besseres Leben am Kap der Guten Hoffnung. Statt aber die Menschenrechte der Geflüchteten zu stärken, orientiert sich die südafrikanische Regierung an den in Europa erprobten Konzepten der Abschottungspolitik: Das Drittstaatenprinzip soll Schutzsuchende fernhalten, es drohen Kettenabschiebungen bis ins Herkunftsland. Zugleich versucht Südafrika mit einem Immigrationsgesetz Arbeitskräfte nach Bedarf anzuwerben.

Seit den gewalttätigen Ausschreitungen gegen Flüchtlinge 2008 haben sich die Lebensbedingungen für Asylsuchende in Südafrika deutlich verschlechtert. Wie ist die Lage heute?

Es gibt weiterhin keinen Schutz für die Flüchtlinge, die Menschen leben auf der Straße. Die Gewalt gegen sie dauert an. Es leben heute schätzungsweise 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Simbabwe in Südafrika, die meisten ohne anerkannten Flüchtlingsstatus. Auch anerkannte Flüchtlinge leben unter prekären Umständen. Sie werden von den Arbeitgebern auf Großfarmen, im Bergbau oder in der Industrie ausgebeutet. Bei Polizeikontrollen müssen sie sich regelmäßig mit Schmiergeld freikaufen. Hier versuchen wir zu intervenieren.

Wie viele Flüchtlinge passieren gegenwärtig die Grenze?

Heute kommen täglich etwa 1.000 Menschen aus Simbabwe nach Südafrika. Mit der erneut zunehmenden staatlichen Repression in Simbabwe zeichnet sich bereits eine Steigerung der Flüchtlingszahlen ab.

Wo werden die Flüchtlinge untergebracht?

Anders als in Europa gab es in Südafrika nie offizielle Lager, die meisten Flüchtlinge campierten auf der Straße oder kamen in Kirchen unter. In der Methodistischen Kirche in Johannesburg gibt es ein inoffizielles Camp mit 3.000 simbabwischen Flüchtlingen. Das Problem ist, dass sich niemand für die Flüchtlinge zuständig fühlt. Die südafrikanische Regierung tituliert sie als „Wirtschaftsmigranten“, die Internationale Organisation für Migration (IOM) kümmert sich ausschließlich um Menschen, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren wollen.

Wie ist die rechtliche Situation? Werden die Menschen aus Simbabwe und anderen Ländern in Südafrika geduldet, bekommen sie einen Aufenthaltsstatus?

Die südafrikanische Regierung weigert sich bis heute zuzugeben, dass die Politik in Simbabwe überhaupt Flüchtlingsströme hervorruft. Nur die wenigsten werden daher als Flüchtlinge anerkannt. In Südafrika gibt es derzeit über 300.000 unbearbeitete Asylanträge. Die Regierung genehmigt befristete Arbeitserlaubnisse, aber nach drei Jahren droht die Abschiebung, wenn Flüchtlinge sich auf diesen Deal einlassen.

Gleichen sich die europäische und die südafrikanische Flüchtlingspolitik an?

Neu ist die Anwendung des Drittstaatenprinzips nach europäischem Vorbild. Das heißt, wenn ein Flüchtling über einen sogenannten sicheren Drittstaat einreist, dann wird ihm der Asylstatus verweigert. Es droht die Abschiebung bis ins Herkunftsland. Zeitgleich werden gezielt qualifizierte Arbeitskräfte angeworben. Hier europäisiert sich der südafrikanische Umgang mit Migrantinnen und Migranten.

Worin liegen die Ursachen der andauernden Gewalt gegen Migranten?

Die Regierung Südafrikas bestreitet einfach die Fluchtgründe aus Simbabwe. Für das Innenministerium handelt es sich auch bei Asyl suchenden Simbabwern ausnahmslos um „Wirtschaftsflüchtlinge“, die der chaotischen Situation in ihrem Herkunftsland entkommen wollen. Darüber hinaus sind die eigentlichen Fluchtursachen in der südafrikanischen Bevölkerung wenig bekannt. Noch immer existiert das veraltete Bild vom vormals reichen Nachbarland, das einst als Kornkammer Afrikas galt. Wir vom Simbabwe Exile Forum versuchen dieses Bild zu korrigieren. Hinzu kommt, dass die Flüchtlinge zu Mitkonkurrenten der ebenfalls benachteiligten Südafrikaner auf dem Arbeitsmarkt im informellen Sektor geworden sind. Leider ist die Xenophobie in Südafrika auch institutionalisiert. In Krankenhäusern herrscht eine rassistische Grundstimmung, genauso bei der Polizei und im Rechtswesen.

Droht die Lage erneut zu eskalieren?

Flüchtlinge werden immer wieder attackiert, wenn sich vor den Behörden Schlangen bilden, um eine Duldung in Südafrika zu erreichen. Ich habe mir vor Ort ein Bild der Lage gemacht und war schockiert über die Situation. Einige Menschen harren tagelang vor der Behörde aus, aus Angst, dass sie sonst diese Chance verpassen. Wir befürchten, dass es in der nächsten Zeit nicht nur zu einer Zunahme von Abschiebungen kommen wird, sondern auch zu einem Wiederaufflammen xenophober Gewalt. Deshalb haben wir eine Informationskampagne gestartet, die sich an die Bevölkerung in Südafrika richtet und zudem den Flüchtlingen Rechtsberatung anbietet.

Ihr sammelt Daten zu den gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe. Wie stellt ihr die Beziehung zu den Opfern der staatlichen Folter her?

Unsere Gesprächspartner wissen, dass wir selbst ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Wir haben uns inzwischen mit Organisationen zusammengeschlossen, die psychologische Beratungen anbieten. Viele Menschen sind in doppelter Hinsicht traumatisiert, weil sie nach ihren schlimmen Erlebnissen in Simbabwe in Südafrika keinen Schutz bekommen, sondern erneut verfolgt oder vergewaltigt werden.

Wie schätzt ihr die Chancen ein, dass den Opfern des Regimes Mugabe Gerechtigkeit widerfahren wird?

Es wird sicher noch eine Weile dauern, aber es wird die Zeit einer juristischen Aufarbeitung des Regimes kommen. Die Verfolgung der Verbrechen in Ruanda und Sierra Leone zeigt, dass in Afrika die Kultur der Straflosigkeit begonnen hat zu enden.

Interview: Sabine Eckart / Anne Jung

Projektstichwort

Das Zimbabwe Exiles Forum (ZEF) in Pretoria setzt sich für das Bleiberecht von Flüchtlingen in Südafrika ein und registriert und dokumentiert die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe. Zugleich ist das ZEF in südafrikanischen Vernetzungsinitiativen zur Prävention xenophober Gewalt aktiv. Hier arbeitet das ZEF auch mit einem anderen langjährigen südafrikanischen medico-Partner zusammen, der Khulumani Support Group, einer Selbsthilfeorganisation von Apartheidopfern, die zuletzt den deutschen Automobilkonzern Daimler für sein Engagement im Südafrika der Apartheid anklagte. Vergangenheit und Gegenwart in Südafrika haben im Kampf gegen Ausgrenzung und Xenophobie immer wieder gemeinsame Akteure. Das Spendenstichwort lautet: Südafrika.


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