Position

Fünf Aufgaben der globalen Gesundheitspolitik in der Ebolakrise

02.10.2014   Lesezeit: 4 min

Die Ebola-Epidemie legt nicht nur die Schwächen der Gesundheitssysteme Westafrikas bloß, auch die Probleme der aktuellen internationalen Gesundheitspolitik werden uns vor Augen geführt. Ein Paradigmenwechsel ist nötig. Fünf Ansatzpunkte für die Neugestaltung globaler Gesundheitspolitik.

1. Die Zurückweisung neoliberaler Marktdominanz

Der Ausbruch der Ebola-Epidemie in Westafrika ist Ausdruck der immer deutlicher zu Tage tretenden Gesundheitskrise, die mit der globalen Entfesselung des Kapitalismus entstanden ist. Die Zerstörung von menschenwürdigen Lebensräumen, die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse, die Aushöhlung von öffentlichen Gesundheitsdiensten, das Fehlen von Arzneimitteln für die Krankheiten der Armen – all das ist Ergebnis einer Politik, die das ökonomische Interesse am Profit über die Rechte der Menschen stellt. Um die Gefahren einzudämmen, die von Ebola heute für die Menschen in Westafrika ausgehen, ist unbedingt medizinische Hilfe notwendig. Eine nachhaltige Lösung der Krise aber gelingt nur über die Schaffung gesundheitsfördernder Lebensumstände sowie die Stärkung öffentlicher Daseinsvorsorge. Ausgangspunkt dieses Bemühens ist die Zurückweisung der neoliberalen Marktdominanz.

2. Die Stärkung öffentlicher Verantwortung

Die Verwirklichung des Menschenrechts auf Gesundheit ist eine öffentliche Aufgabe, die weder der Eigenverantwortung der Leute überlassen bleiben kann, noch sich an kommerzielle Akteure delegieren lässt. Es sind in erster Linie politische und soziale Determinanten, die über den Gesundheitszustand von Menschen entscheiden, und nur zu einem geringen Teil das individuelle Verhalten. Weil Armut krank und Krankheit arm macht, kann der Zugang zu Gesundheit nicht an die Kaufkraft der einzelnen gekoppelt werden. Alljährlich werden 100 Mio. Menschen in die Armut getrieben, weil sie ohne jeden finanziellen Risikoschutz „aus eigener Tasche“ für Gesundheitsleistungen aufkommen müssen. In Liberia, Sierra Leone und Guinea konnte sich die Ebola-Epidemie auch deshalb so rasch ausbreiten, weil die Bevölkerungen das Vertrauen in die personell unterbesetzten und schlecht ausgestatteten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen verloren hatten. Öffentliche Gesundheitsdienste müssen in die Lage versetzt werden, ihrer Verantwortung gerecht werden zu können.

3. Die Verpflichtung zur Regulierung

Globale Gesundheitspolitik erfordert nicht die weitere Liberalisierung von Ökonomie, sondern deren Regulierung. Über neue internationale Normen sind die weltwirtschaftlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Nicht bi- und multilaterale Handelsverträge zum Schutz der Interessen von Investoren sind notwendig, sondern Verträge, mit denen die Wirtschaft grenzüberschreitend sozial eingehegt wird. Aus menschenrechtlicher Sicht besteht eine „Verpflichtung zur Regulierung“. Dem Beispiel der „Tabakrahmenkonvention“ folgend sind heute vertragliche Regelungen z.B. zur Sicherstellung essentieller Gesundheitsforschung oder zum Schutz des Zugangs zu Land als Grundlage von Ernährungssouveränität längst überfällig. So erlebte Westafrika in den letzten Jahren Land Grabbing im großen Stil, das mit Enteignungen, Abdrängung der Landbevölkerung und der Umstrukturierung der Landwirtschaft von lokaler Nahrungsmittelproduktion zu „Cash Crops“ für den Weltmarkt einherging. Neben den schwachen Gesundheitssystemen tragen auch diese sozialen Faktoren tragen dazu bei, dass die Region besonders anfällig für die Ebola-Epidemie ist.

4. Die Erweiterung des fiskalischen Rahmen

Wirksame Gesundheitspolitik gelingt nicht mit klammen öffentlichen Kassen. Ohne massive Erhöhung der öffentlichen Ausgaben werden sich weder die Ursachen von Ebola noch der anderen gesundheitlichen Herausforderungen der heutigen Zeit bekämpfen lassen. Die Forderung nach mehr Raum für Politik, die heute auf allen Ebenen, von Kommunen bis zu internationalen Organisationen laut wird, ist nicht zuletzt eine Forderung nach Erweiterung der fiskalischen Kapazitäten von politischen Gemeinwesen. Notwendig ist eine Steuer- und Haushaltspolitik, die den Raum für politisches Handeln erweitert. Wo Armut und prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorherrschen, ist wirksame Daseinsvorsorge nur über eine progressive Besteuerung von Einkommen und Vermögen möglich. Eine solche solidarische Finanzierung sorgt dafür, dass diejenigen, die mehr haben, auch zur Versorgung Ärmerer, Älterer und Kindern beitragen. Sozial- und Gesundheitspolitik bedarf der solidarischen Finanzierung über die Umverteilung von Reichtum.

5. Die Internationalisierung des Solidarprinzips

Mit Blick auf den erreichten Globalisierungsgrad ist es Zeit für die Ausweitung des Solidarprinzips ins Globale. Statt die internationale Gesundheitsfinanzierung dem Goodwill und den Interessen der Geber zu überlassen, ist die Schaffung eines internationalen Umverteilungsmechanismus notwendig, der die reicheren Länder dazu verpflichtet, solange Ressourcen auch an ärmere Länder zu transferieren, wie deren fiskalische Möglichkeiten nicht ausreichen, um Gesundheit aus eigener Kraft zu garantieren. Ohne einen solchen solidarischen Ausgleich könnten Länder wie Sierra Leone oder Liberia auch dann nicht den gesundheitlichen Bedürfnissen ihrer Bevölkerungen entsprechen, wenn sie alle verfügbaren eigenen Mittel aktivierten. Die Schaffung eines solchen „Internationalen Gesundheitsfonds“ scheitert nicht an fehlenden Ressourcen. Es ist alleine eine Frage der politischen Bereitschaft und des Drucks aus der Öffentlichkeit.


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