Mit der Finanzkrise ist die zerstörerische Dynamik des Globalisierungsprozesses noch einmal deutlicher geworden.
Die Weltbank schätzt, dass allein in Afrika 50 Millionen Menschen verarmen werden, gewiss ist, dass Hunderttausende an den Folgen der gegenwärtigen Krise verhungern werden. Trotzdem wird die neoliberale „Verunsicherung“ aller Lebensverhältnisse fortgesetzt, regieren Märkte und Marktlogik weiter wie bisher. Protest regt sich kaum, weil die scheinbare Alternativlosigkeit zu den bestehenden Zuständen tiefe Resignation ausgelöst hat. Zwar hat die Bewegung der Weltsozialforen geltend machen können, dass „eine andere Welt möglich ist“, doch fehlte dieser Losung bisher die Konkretion.
Ein erster emanzipatorischer Gegenentwurf entfaltet sich jetzt rund um die Debatte zu den „commons“, den öffentlichen oder Gemeingütern. Auf dem medico-Kongress „Solidarität heute“ im Jahr 2008 stellte die indische Aktivistin Vandana Shiva die Idee der „commons“ in den Mittelpunkt einer Neubestimmung von Solidarität. Im Jahr 2009 setzten wir dies mit Debatten um eine verpflichtende globale Gesundheitsfinanzierung fort.
Doch zuerst: Was versteht man eigentlich unter „commons“? Auf den Punkt gebracht: Gemeingüter stellen ganze Lebensbereiche außerhalb der Marktlogik. Gemeint sind zunächst die für uns alle zu schützenden natürlichen Ressourcen des Lebens: die Atmosphäre, das Land, das Wasser, die Bodenschätze, die Gene, aber auch das Wissen. Öffentlichen Schutzes und öffentlicher Förderung bedürfen weiter die Güter, die den Zugang zu diesen Gemeinressourcen sicherstellen: Bibliotheken, Schulen oder Universitäten zu Wissen, kommunale Wasserwerke zu Trinkwasser oder Krankenhäuser zum Erhalt des Lebens.
Wie aber kann eine Konkretisierung solcher Ideen aussehen? Lassen sich Regulierungsformen im globalen Raum denken und realisieren, die nicht der Rendite sondern dem Gleichheitsgedanken verpflichtet sind?
Die extreme globale Ungleichheit zeigt sich gerade im Zugang zu Gesundheit. Nur ein Beispiel: 90% der weltweiten Gesundheitsausgaben entfallen auf die 20 reichen Länder der Erde, in denen nur 20% der Weltbevölkerung leben. Im subsaharischen Afrika, wo 12% der Weltbevölkerung leben, liegt der Anteil an den globalen Gesundheitsausgaben bei unter 1%. An diesem Missverhältnis setzt die Idee von medico an, verbindliche Formen einer globalen Gesundheitsfinanzierung zu schaffen. Der Arbeitstitel dafür lautet „Weltgesundheitsfonds“.
Um diese Idee zu vertiefen und politische Handlungsmöglichkeiten auszuloten, trafen wir uns 2009 mit Kollegen unterschiedlichster nichtstaatlicher und staatlicher Organisationen in Genf und in Brüssel. Dabei waren u.a. der UNO-nahe „Global Fund to Fight Aids, Tuberculosis and Malaria“ und das Gesundheitsdirektorat Norwegens, aber auch Basisaktivisten wie z.B. unsere langjährigen Partner vom People’s Health Movement. Die Reaktionen dieser so unterschiedlichen Akteure waren ermutigend, fand die Idee doch bei allen ein positives Echo. Zudem stellte sich heraus, dass wir mit unserer Forderung keinesfalls allein dastehen. Weltweit existieren Bestrebungen zu einer globalen Finanzierung von Gesundheit durch Umverteilung der dazu nötigen Ressourcen. Mit seiner Festlegung auf Verbindlichkeit könnte ein „Weltgesundheitsfonds“ zum Pilotprojekt einer Welt werden, die sich mit einer Infrastruktur von Gemeingütern der Marktlogik entzieht.