Hilfe für Pakistan

Fragen und Antworten zur Unterstützung von medico

27.08.2010   Lesezeit: 5 min

Wie immer in Zeiten einer Katastrophe mit medialer Aufmerksamkeit stehen die Telefone bei medico nicht still. Interviewanfragen zur Spendenbereitschaft. Das Fernsehen braucht Bilder von Hilfslieferungen aus Deutschland. Immer wieder kommt die Frage, ob wir deutsche Ärzte im Katastrophengebiet haben, die für Interviews zur Verfügung stehen. Alles nahe liegende Fragen, die aus dem berechtigten Gefühl entstehen, das angesichts dieses schleichenden Tsunamis schnell geholfen werden muss. Spenderinnen und Spender bewegt, ob die Hilfe überhaupt ankommt angesichts des Regierungsversagens in Pakistan. Und zu guter letzt, was kann man tun, um solche Katastrophen im Vorfeld zu begegnen oder zumindest, um besser vorbereitet zu sein. Hier ein paar Antworten, die hoffentlich zur Klärung beitragen.

Was tut medico in Pakistan?
medico unterstützt die pakistanische Gesundheitsorganisation „Hands“. Das wichtigste in Kürze: Hands hat in der Provinz Sindh, in der die Gesundheitsorganisation seit Jahrzehnten Basisgesundheitsdienste und Bildungsprogramme organisiert, 80.000 Menschen evakuiert, 20 Aufnahmelager eingerichtet, in denen insgesamt 10.000 Menschen leben. Nahrungsmittel stehen zur Versorgung der Menschen zur Verfügung. Derzeit betreibt Hands 20 mobile Gesundheitsstationen, die täglich 3- 4000 Patienten versorgen. Die pakistanischen Medizinerinnen und Mediziner und das Pflegepersonal sowie die freiwilligen Gesundheitspromotoren sind vor allen Dingen damit beschäftigt, kurative und Präventionsmaßnahmen durchzuführen, um durch verschmutzte Wasser übertragene Krankheiten zu begegnen. Dazu gehören: Diarrhoe, Typhus, Hautkrankheiten, aber auch Cholera-Prävention.

Hier finden Sie eine ausführliche Beschreibung der Organisation und die aktuellen Lageberichte aus dem Katastrophen-Gebiet, die "Hands" regelmäßig veröffentlicht: www.medico.de/pakistan

Hat medico zuvor mit dem pakistanischen Partner gearbeitet?
Wir kennen die Kollegen von „Hands“ aus den globalen Gesundheitsnetzwerken, die seit vielen Jahren unsere Referenzpunkte im Einsatz für das Menschenrecht auf Gesundheit sind: das People´s Health Movement, in dem wir gemeinsam mit „Hands“ seit dem Jahr 2000 arbeiten; Health Action International – hier setzen wir uns für den rationalen Einsatz von Arzneimitteln ein; die Bewegung des Weltsozialforums. Wir teilen den konzeptionellen Ansatz der Primary Health Care, der Basisgesundheitsversorgung. Im Katastrophenfall hat dieser Ansatz eine konkrete Praxis. Durch die basisnahe Arbeit in den Gemeinden der Provinz Sindh, durch die Ausbildung tausender Freiwilliger (mit dem Schwerpunkt auf die Förderung von Frauen) ist die Organisation in den betroffenen Gebieten verankert und bekannt. Diese Kompetenz könnten wir durch den Einsatz ausländischer Helfer nie ersetzen.

Hat der pakistanische Partner ein Nothilfe-Konzept?
Da Pakistan jedes Jahr mit den Folgen des Monsuns zu kämpfen hat, gibt es ein entwickeltes Katastrophen-Konzept bei „Hands“, das auf Basis- Strukturen zurückgreift. Neben der Versorgung und Errichtung von Notunterkünften, der Organisation von mobilen Gesundheitsstationen gehört entsprechend dem Primary Health Care Konzept die Einbindung der Betroffenen in die Entwicklung und Selbstorganisation der Nothilfemaßnahmen zum Wesen der Nothilfearbeit.

In einer Notsituation, das haben Studien längst bewiesen, kommt es zu allererst zur Selbsthilfe der Betroffenen. Für medico ist es ein entscheidendes Kriterium auch in der Notsituation diese Selbsthilfe-Fähigkeit zu stärken und als Ressource zu nutzen. Dabei geht es nicht nur um die schnelle Abwicklung von Hilfe, sondern auch darum, dass die Selbstwirksamkeit, die die Menschen so erfahren, die beste Vorbeugung und Hilfe bei den psychischen Folgen ist, die eine solche Ausnahmesituation hervorrufen kann.

Warum entsendet medico keine deutschen Helferinnen und Helfer?
Die Vorstellung, dass eine schnelle und von außen bereit gestellte Hilfe, das Leid ebenso schnell beenden kann, ist verständlich. Zumal in einer Mediengesellschaft, in der die Bilder der pakistanischen Flut oder des haitianischen Erdbebens große Hilflosigkeit und Ohnmacht bei uns als Betrachter auslösen. So entstehen ja auch Ideen, wie die von Frankreichs Staatspräsident Sarkozy, der gleich eine schnelle Eingreiftruppe für Katastrophenfälle forderte. Aber aus allen zurückliegenden Katastrophen, die wir als medico in den vergangenen 40 Jahren begleitet haben, ist Hilfe dann am wirksamsten, wenn sie auf Menschen trifft, die sie auch umsetzen können. Also Strukturen der Selbstorganisationen wie öffentliche Infrastruktur vorhanden ist, über die auch ausländische Hilfe richtig kanalisiert wird.

Wie kann man verhindern, dass sich eine solche Katastrophe wiederholt?
Aus Schaden wird man klug, das Sprichwort reflektiert eine menschliche Eigenschaft. Insofern ist die Frage danach, wie man sich künftig besser auf solche Naturereignisse vorbereitet von zentraler Bedeutung gerade bei der Bewältigung der Katastrophe. Eben hier nutzen dann schnelle Eingreiftruppen gar nichts. Lokale Hilfsstrukturen, wie sie „Hands“ bereits entwickelt hat, müssen ausgebaut, Frühwarnsysteme entwickelt werden.

Macht es angesichts der politischen Situation in Pakistan überhaupt Sinn zu helfen?
In Ländern wie Pakistan, aber auch Haiti, die zu den ärmsten Ländern der Welt zählen, stellt sich die Frage, wie die Vulnerabilität und Armut in diesen Ländern überwunden werden kann. Denn dies sind die entscheidenden Faktoren, warum Naturkatastrophen solche erschreckenden humanitären Katastrophen nach sich ziehen. In der Frankfurter Rundschau forderte Stephan Hebel einen Marshallplan für Pakistan: „Der Gegenwert läge nicht nur in Straßen, Schulen, einer Landwirtschaft mit stabiler Einkommens-Perspektive. Er könnte in einer Gesellschaft bestehen, die stark genug würde, sich ihrer korrupten Eliten zu entledigen.“ Für Pakistan ist das eine herausragende Fragestellung. Denn der wachsende Einfluss fundamentalistischer Strömungen, die korrupten Eliten, die nicht einzudämmende Macht der Militärs – all das ist auch der Tatsache geschuldet, dass Pakistan während des Kalten Krieges, genauso wie während des Krieges gegen den Terror von geostrategischer Bedeutung war und ist. Finanziell und politisch genutzt hat dies den dubiosesten Kräften im Land. Die Zivilgesellschaft, die in Pakistan einst sehr stark war, ist dabei immer stärker geschwächt worden. Eine andere internationale Politik gegenüber dem Land wäre also dringend geboten, um Katastrophen wie die gegenwärtige auf Dauer zu verhindern. Vielleicht könnte diese Katastrophe und auch die wachsende Hilfsbereitschaft in der Welt ein Ausgangspunkt sein, um demokratische und zivile Kräfte in Pakistan zu stärken.


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