Nicaragua

In memoriam Walter Schütz

17.03.2024   Lesezeit: 2 min

Walter verkörperte eine deutsche Geschichte der Solidarität mit Lateinamerika, aber auch eine Geschichte Nicaraguas. Er starb im Alter von 81 Jahren in Managua.

Walter Schütz ist gestorben. Das ist eine sehr traurige Nachricht und ein Moment zur Rückbesinnung. Denn Walter hat medico international auf besondere Weise geprägt, indem er aus einer humanitären eine politische Hilfsorganisation machte. Walter engagierte sich früh in der Lateinamerika-Solidarität und besonders in der Unterstützung der mittelamerikanischen Befreiungsbewegungen der 1970er und 1980er Jahre. Als medico-Repräsentant in Nicaragua nach der sandinistischen Revolution verantwortete Walter große Gesundheitsprojekte wie den Bau des Krankenhauses und den Aufbau eines Referenzsystems aus Gesundheitsposten in und um San Carlos. Es sei klüger, Menschen in dieser vom Bürgerkrieg gezeichneten Provinz Zugang zu Gesundheit zu verschaffen, als alle Kraft auf die Abwehr der Contras zu verwenden, hatte er damals den Sandinisten geraten. Die kriegerischen Konflikte der 1980er Jahre sind Geschichte, das unter Leitung von Walter und in Zusammenarbeit mit der Nürnberger Städtepartnerschaft aufgebaute Krankenhaus existiert noch immer.

Walter blieb auch nach der Abwahl der Sandinisten 1990 in Nicaragua. Der Traum von einer Revolution, die demokratisch und vielfältig ist, scheiterte schließlich an einem von den USA finanzierten Krieg, der alles militarisierte und die demokratischen Ansätze vernichtete. Die wichtigste Ansprechpartnerin für Walter in der Regierung, die damalige Gesundheitsministerin Dora María Téllez, wurde nach einjähriger Haft Anfang 2023 ins US-Exil vertrieben.

Walter verkörperte eine deutsche Geschichte der Solidarität mit Lateinamerika, aber auch eine Geschichte Nicaraguas. Die 1990er Jahre waren in seinem Leben geprägt vom Scheitern der Hoffnung und den Versuchen zu retten, was zu retten ist. Er hielt mit medico an der Idee einer Hilfe fest, die zur Befreiung der Menschen beiträgt und sie nicht auf die Opferrolle festlegt. Wenn das schon nicht durch eine Revolution zu erreichen sei, so sollte dies exemplarisch in Projekten geschehen, die Inseln der Vernunft waren und nicht reines Hilfsbusiness. 

Als 1998 Hurrikan Mitch Nicaragua heimsuchte, ganze Dörfer dem Erdboden gleichmachte und Tausende Menschen starben, lernte Walter die überlebenden Bauernfamilien vom Casita kennen, die nicht in ihre von einer Schlammlawine zerstörten Dörfer zurückkehren durften. Es entstand das Dorf El Tanque. In einem langen gemeinsamen Lernprozess entwickelten die Menschen zusammen mit Walter die Idee eines integrierten Wiederaufbaus, der zugleich ein wirklich demokratischer Prozess war. El Tanque beweist bis heute, dass eine solidarische Hilfe möglich ist und erfolgreich sein kann.

In seinen letzten Lebensjahren kam Walter bei seinem früheren Kollegen Herlon Vallejos und dessen Familie unter. Sie haben Walter, der sein aufbrausendes Gemüt mit zunehmendem Alter ablegen konnte, ein freundliches und warmherziges Zuhause gegeben. Auch wenn er seine Erinnerung immer weiter verlor, wurde er in dieser Umgebung ein freundlicher und mitunter glücklicher Mensch.

Vielen Dank an alle, die Walter in den letzten Lebensjahren begleitet haben. Vielen Dank vor allen Dingen an Herlon und seine Familie für diese gelebte Solidarität.

Wir werden Walter in Erinnerung behalten.

Tsafrir Cohen, Geschäftsführer,
Anne Blum, Vorstandsvorsitzende,
und alle medico-Kolleginnen und Kollegen aus Frankfurt


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