Manifest

Keine Minute warten im Kampf gegen rechts

28.06.2021   Lesezeit: 5 min

Manifest für die Zivilgesellschaft & die politische Bildung.

Im März 1944 hat Anne Frank einen prägnanten Satz in ihr Tagebuch geschrieben:

„Wie herrlich ist es, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu ändern!“

Für uns gibt es keinen Grund, länger abzuwarten.

Nach der Bundestagswahl im Spätsommer steht die gesamte Zivilgesellschaft vor einer beispiellosen  Herausforderung: Mit  einem  möglichen  erneuten  Einzug  der AfD in den Bundestag würde ihre parteinahe Desiderius Erasmus-Stiftung staatliche Gelder in Millionenhöhe erhalten. Das Führungspersonal dieser Stiftung hat allerdings in der Vergangenheit oft gezeigt, dass es die Grundwerte unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates nicht teilt - stattdessen betreiben Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder um die Vorsitzende Erika Steinbach Geschichtsrevisionismus und Holocaust-Relativierung und hetzen regelmäßig gegen Geflüchtete, Homosexuelle, Frauen und viele andere Gruppen.

Die Erasmus-Stiftung treibt die gesellschaftliche Spaltung weiter voran, dies kann auch international weitreichende Folgen haben. Mit der Stiftung kündigen sich etwa entwicklungspolitische Prioritäten entsprechend nationaler Interessen und zur Migrationsabwehr sowie der Zusammenschluss mit rechten Kräften weltweit an. Die Aktivitäten der Stiftung zielen darauf ab, das demokratische Fundament unserer politischen Ordnung zu zerstören.

Als zivilgesellschaftliche Organisationen und Träger*innen der politischen Bildung verfolgen wir diese Entwicklungen mit größter Sorge. Wir werden diesem Angriff auf die Demokratie nicht tatenlos zusehen. Politische Bildung, die sich dem Beutelsbacher  Konsens verpflichtet, respektiert und fördert kontroverse Positionen. Ihr Ziel ist es, Menschen Wissen und Kompetenzen für die eigene Urteilsbildung zu vermitteln und sie dazu zu befähigen, teilzuhaben und Verantwortung zu übernehmen. Politische Bildung ist dabei nicht wertneutral, sondern bekennt sich zu den rechtsstaatlichen Prinzipien unserer Demokratie, der Menschenwürde und der aktiven  demokratischen Auseinandersetzung. Das bedeutet, dass sie völkische, geschichtsrevisionistische, menschenfeindliche und damit demokratiezersetzende Positionen nicht duldet.

Solidarität und die Stärkung der Menschenrechte weltweit sind Grundsätze, mit denen wir uns über Grenzen hinweg für eine gerechtere Welt einsetzen. Wir demokratischen Organisationen und Träger*innen der politischen Bildung sehen uns den Prinzipien einer wehrhaften Demokratie verpflichtet, die es in den Worten des Bundesverfassungsgerichts „nicht hinnehmen muss, mit ihren eigenen Mitteln verächtlich gemacht, diskreditiert und delegitimiert zu werden".

1. Wir warnen vor einer weiteren Diskursverschiebung nach rechts

Die Erasmus-Stiftung ist eine Netzwerk-Organisation der Neuen Rechten, die bekanntlich auch die Zivilgesellschaft für ihre Zwecke einspannen will: Gewerkschaften, NGOs, Feuerwehren,  Vereine  oder  auch Nachbarschaftsgruppen auf Facebook sollen in einem „Marsch durch die Institutionen" übernommen werden, um diese dann mit ihren antidemokratischen Strategien zu zerstören. Nirgendwo ist diese Strategie so offensichtlich wie bei der Desiderius Erasmus-Stiftung, die künftig an Hochschulen, Universitäten und Schulen, ja dem gesamten Bildungsbereich aktiv werden wird. Mithilfe von Auslandsbüros wird sie antidemokratische Allianzen suchen und vertiefen. Ihr Ziel ist, den Diskurs immer weiter zu radikalisieren und bislang unsagbare Positionen - etwa im Hinblick auf die Shoah oder den humanitären Umgang mit Schutzsuchenden - als legitime Haltungen zu etablieren. Wir warnen eindringlich vor dem Versuch, die Erasmus-Stiftung zu normalisieren und damit zu verharmlosen. Sie ist keine Stiftung wie jede andere und darf auch nicht als „ganz normale" Akteurin im Stiftungswesen behandelt werden.

2. Wir bekräftigen die Lehren der Geschichte

Die Lehre aus dem Untergang der Weimarer Republik gilt unveränderlich: Die Feinde der Demokratie dürfen nie wieder von den Freiheiten der Demokratie profitieren. Durch die Erasmus-Stiftung stünde der Neuen Rechten ein staatlicher Finanzpool zur Verfügung, aus dem das gesamte neu-rechte bis extrem rechte Spektrum gefördert werden könnte - mit minimalen Transparenzpflichten. So weit darf es nicht kommen.

3. Wir fordern eine gesetzliche Regelung der Demokratieförderung

Wir, zivilgesellschaftliche Organisationen und Träger*innen der demokratischen politischen Bildung in Deutschland, sprechen uns für eine gesetzliche Verankerung und nachhaltige Finanzierung der politischen Bildung in diesem Land aus und fordern den Bundestag und die künftige Regierungskoalition dazu auf, die finanzielle Ausstattung der politischen Bildung und der Demokratieförderung gesetzlich zu regeln und unbedingt an rechtsstaatliche Prinzipien zu koppeln. Um dem Rechtsextremismus und anderen antidemokratischen Tendenzen, Rassismus und Antisemitismus und  anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzutreten, sind Maßnahmen im Bereich der politischen Bildung für alle Altersklassen durch eine gesetzliche Regelung dauerhaft zu sichern. Nur diejenigen Aktivitäten dürfen staatlich finanziert  werden, die eindeutig auf  rechtsstaatlichem Boden agieren, die uneingeschränkte Geltung der Menschenrechte als handlungsleitend in ihrem Programm verankert haben und aktiv für den Schutz und die Stärkung der Demokratie einstehen.

Der Mord an Walter Lübcke, die Anschläge von Halle und Hanau: Die Erfahrung der letzten Jahre und die permanenten Äußerungen des Personals der AfD sowie der Desiderius-Erasmus-Stiftung haben gezeigt, dass die Rechte sich immer weiter radikalisiert und ihre Anhänger*innen immer stärker zu Gewalt bereit sind. Gleichzeitig bedroht das schleichende Gift, das von einer Diskursverschiebung hin zu völkischen, antisemitischen und menschenfeindlichen Positionen ausgeht, unsere Gesellschaft im Ganzen. Es gibt keinen Grund, länger abzuwarten. Jetzt ist der Moment gekommen, sich aktiv gegen Menschenfeindlichkeit zu positionieren und zu verhindern, dass sich die Desiderius-Erasmus-Stiftung etabliert.

#dontwaitasinglemoment
#noafdstiftung

Erstunterzeichner:innen

  • Meron Mendel, Bildungsstätte Anne Frank
  • Doron Kiesel, Zentralrat der Juden in Deutschland
  • Timo Reinfrank, Amadeu Antonio-Stiftung
  • Reiner Hoffmann, Deutscher Gewerkschaftsbund
  • Frank Werneke, ver.di
  • Günter Burkhardt, Pro Asyl
  • Anita Starosta, medico international
  • Rebecca Weis, Gesicht Zeigen
  • Luisa Neubauer, Fridays for Future
  • Joachim Valentin, Katholische Akademie Rabanus Maurus
  • Uwe Weppler, Bildungswerk Paritätischer Wohlfahrtsverband e.V.
  • Thomas Lutz, Stiftung Topographie des Terrors
  • Dr. Felix Kolb, Campact e.V.

AfD und Erasmus-Stiftung: Rechte Entwicklung

Nach der Bundestagswahl wird die rechte Erasmus-Stiftung voraussichtlich ein Millionenbudget erhalten. Was ist zu erwarten?


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