(Lesbos / Frankfurt/Main) Während sich Griechenland auf die Urlaubssaison vorbereitet und Geschäfte und Restaurants sich auf Gäste einstellen, verschlimmert sich die Situation der Geflüchteten auf der Insel Lesbos dramatisch. In Kara Tepe, dem Nachfolgelager von Moria, ist die Zahl der Corona-Infizierten zuletzt stark angestiegen. Über 100 Menschen sind in Quarantäne. Vor diesem Hintergrund wenden sich Flüchtlinge aus Moria an die europäische Öffentlichkeit. In einem Brief, den die Hilfs- und Menschenrechtorganisation medico international auf ihrer Homepage veröffentlicht hat, schreiben sie:
„Das Versprechen, das uns von griechischen Politikerinnen und Politikern und von der EU gegeben wurde, war: Nie wieder Moria. Mit diesem Brief wollen wir Sie an dieses Versprechen erinnern. Denn wir, die Geflüchteten, sind immer noch hier auf Lesbos und unsere Situation droht, wieder sehr schlimm zu werden. Immer mehr Menschen werden positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Die Menschen sind völlig erschöpft und hoffnungslos.“
Weiter beklagen die Geflüchteten, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sowie freiwillige Helferinnen und Helfer trotz steigender Corona-Zahlen nicht an die Hygieneregeln halten. Viele liefen ohne Maske und ohne Abstand im Lager herum und gefährdeten so die Gesundheit der Flüchtlinge. Dafür haben die als Moria Corona Awareness Team und Moria White Helmets selbst organisierten Geflüchteten, die seit über einem Jahr alles dafür tun, dass Corona sich nicht im Lager ausbreitet, kein Verständnis. In ihrem Brief mahnen sie:
„Gute Absichten legitimieren nicht jedes Verhalten. Gerade während der Pandemie hat Ihr Verhalten möglicherweise sogar negative Auswirkungen auf uns und auf die griechische Bevölkerung. Nehmen Sie die Covid-19-Prävention ernst, wenn Sie nach Lesbos kommen und Geflüchteten helfen wollen! “
Ramona Lenz, Referentin für Flucht und Migration bei medico international ergänzt: „Bei aller Euphorie über geplante Lockerungen der Corona-Maßnahmen in verschiedenen europäischen Ländern dürfen die Flüchtlinge in Moria/Kara Tepe und anderen Lagern nicht vergessen werden. Die Verantwortlichen müssen dringend etwas gegen die steigenden Corona-Zahlen unternehmen. Und das geht nur, wenn die Lebensumstände der Menschen umgehend verbessert werden.“ Eine erneute Eskalation der Lage sei nicht ausgeschlossen, die Stimmung im Lager sehr angespannt. Im September 2020 war das vollkommen überfüllte Vorgängerlager auf Lesbos komplett niedergebrannt.
Den Offenen Brief im Wortlaut finden Sie hier: https://www.medico.de/this-is-not-disneyland-18199
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