von Sebastian Kasack
medico international fundierte sein Engagement in Luena, Hauptstadt der Provinz Moxico im Osten von Angola, im Jahr 1996 . Das Ziel: ein umfassendes Minenaktionsprogramm von der Entminung über die Soforthilfe für Minenopfer und ihre prothetische Versorgung bis zur psychosozialen und damit gerade auch sozioökonomischen Reintegration in die Gemeinschaft. Heute gilt: in Luena ist ein Prothesenzentrum eingerichtet worden, in dem inzwischen über 1000 Personen künstliche Gliedmassen erhalten haben. Uns war es dabei von Anfang an wichtig, nicht alleine die Person, die einen Minenunfall überlebt, in den Mittelpunkt zu setzen, sondern alle Menschen, die durch die Anwesenheit von Minen an der Ausübung ihrer Überlebenstätigkeiten behindert werden. Weil Landminen die Landwirtschaft und selbst das Feuerholzholen verhindern, nämlich zur »angolanischen Roulette« machen, ist jeder betroffen. Unsere Gegenstrategie-Strategie heißt: Partizipative Gemeindeentwicklung mit speziellem Augenmerk auf das Wohl & Wehe der Menschen mit Behinderung als Kern der psychosozialen Arbeit im Rahmen des Minenaktionsprogramms Luena. Weiteres Kennzeichen unseres gemeindenahen Ansatzes ist es, vorhandenes Potential zu fördern. Prozessorientiertes Herangehen erlaubt kaum Detailplanung und entsprechende Budgetierung vor der Antragstellung. Also initiierten wir die Einrichtung und Finanzierung eines »Offenen Fonds zur Gemeinwesenentwicklung«. Gute lokale Initiativen können nach transparenten Kriterien aus diesem Fonds gefördert werden. Inzwischen konnten wir die gesamte Projektleitung an unsere ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgeben.
Resultate aus 7 Jahren Arbeit
Mine Awareness und Jugend: Das meint Aufklärung, wie man Minengefahren feststellen oder vermeiden kann und wie man sich im Falle eines Unfalls richtig verhält. Die Aufgabe ist eng mit dem Problem der Flucht verknüpft: wer neu ist und sich in der Gegend nicht auskennt, gerät am ehesten in ein Minenfeld. Das Aufzeigen oder Anbieten von Alternativen kann Leben retten. Sichere Spiel- und Sportangebote für Kinder und Jugendliche gehören mit zu diesem medico-Programm. »Mine Awareness« findet statt in der außerschulischen und schulischen Bildungsarbeit. In Angola gehört »Mine Awareness« zum Grundschul-Curriculum. Spezielle Teams klären auf: in den Flüchtlingslagern mit ca. 100000 Menschen, die nahe an den Minenfeldern liegen. Gearbeitet wird von der ersten Großversammlung ab bis hin zum Gespräch in kleinen »Focus-Groups«, aufgeteilt nach Geschlecht und Alter, berücksichtigend auch die besonders gefährdeten Zielgruppen, etwa LKW-Fahrern. Kinder sind im Oktober, wenn das Pilzesammeln ansteht, besonders bedroht. Methodisch bemühen wir uns um ein aktives Lernen: »Wer von Euch kennt jemand, der oder die einen Minenunfall erlebt hat«? Für Kinder sind eigens Brettspiele entwickelt worden, Lieder komponiert worden, Theater wird gespielt.
Community Theater: Theater lockt viele an. Die Stücke sind nicht auf Portugiesisch, sondern arbeiten mit einer der 4 wichtigsten Lokalsprachen. Die Aufführungen dienen der Aufklärung über Minen, Hygienefragen, Augenkrankheiten, aber auch der Behandlung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung.
Alphabetisierung: »Mein Kind soll eine vernünftige Bildung bekommen«. Der Wunsch der Eltern. Was aber ist mit den Menschen, die zu alt für die Schule sind? Klassische Alphabetisierungsprogramme der Regierung bieten wenig Anreiz. Die Pädagogik von Paulo Freire und der »Dom Bosco Ansatz« helfen besser: In drei Monaten läßt sich der Stoff von einem Schuljahr vermitteln. Das Zeugnis muß von staatlicher Seite anerkannt und der Übergang in staatliche Schulklassen gewährleistet sein. Die Unterrichtszeiten müssen der täglichen Routine der Menschen angepaßt sein. Abendunterricht wird geboten. Es gibt aber selten oder gar keinen Stadtstrom (schon gegen 6 Uhr abends wird es schlagartig Nacht). Aus Mitteln der Projektförderung, aber auch aus Eigenmitteln der Salesianer verfügen mittlerweile zahlreiche Klassenräume über eine ausreichende Beleuchtung via Solarstrom. Jugendliche Bildung ist bedroht von Rekrutierungen, oftmals auch mit Zwang, da die Betroffenen, noch gar nicht das Mindestalter von 18 Jahre erreicht haben. Viele der männlichen Jugendlichen sind deshalb jahrelang nicht mehr zum Unterricht gekommen. Das Experiment unserer Partner gelang dennoch: In über 20 Klassenräumen werden zweimal im Jahr neue Kurse angeboten. Die Nachfrage ist viel größer als das mögliche Angebot. Fast 1000 Personen profitieren von den Kursen pro Jahr und zwei Drittel bestehen die Abschlußprüfungen. Ein besonderer Erfolg gelang mit dem Versuch, vier Schuljahre in einem Kalenderjahr anzubieten. Das Schulmaterial wurde zuerst entwickelt, die Lehrer parallel auf die neue Aufgabe vorbereitet. Dann ging es los. Und klappte. Mit den Salesianer Patres und ihrer Dom Bosco Methode arbeitete medico international in den Jahren 1997–1998 für die Reintegration ehemaliger Unita-Kämpfer in ihre Heimat-Gemeinden.
Auch im früheren Unita-Gebiet ist der hohe Grad an Alphabetisierung den Menschen ein Unglück. Wir schlugen vor, Lehrer aus diversen Gemeinden zusammenzubringen, über vier Wochen zu Alphabetisatoren auszubilden, damit sie anschließend in ihren Heimatorten selbst Kurse anbieten können (»Training of Trainers«). Glücklicherweise war der Kurs noch vor Ausbruch des letzten Krieges Mitte August 1998 erfolgreich abgeschlossen. Besonders unter Frauen ist die Analphabetenrate sehr groß. Zusammen mit den Sozialarbeitern unseres Partners CAPDC arbeiten wir schwerpunktmäßig in einem Stadtteil mit 12000 Einwohnern. Wer am Kurs teilnimmt, hat Aussicht auf einen Kleinkredit. Gemeinsam beraten die Frauen mit den Sozialarbeiterinnen ihren Kleinhandel. Die Rückzahlungsraten sind außerordentlich.
Hilfen für Minenopfer: Minenopfer sind oft zu arm für die Schule. Oder behindert. In Kooperation mit dem Jesuitenflüchtlingsdienst gilt die gezielte Hilfe den Kinder-Minenopfern, viele von ihnen Straßenkinder. Durch Befragungen der Kinder untereinander stellen wir fest, daß häufig Kinder, deren Mutter oder Vater Minenopfer sind, nicht zur Schule gehen. Diesen Familien fällt das Überleben noch schwerer als den »gesunden«, und so sind viele einfach zu arm, um den Schulbesuch zu ermöglichen. Im Rahmen unserer Sozialarbeit wird gerade Kindern von Minenopfern der Schulbesuch garantiert.
Fortbildung: Aufgrund unserer Erfahrung, wie wenige Möglichkeiten es für Lehrerinnen und Lehrer zur Fortbildung gibt, bieten wir außerdem ab und an eigene Weiterbildungs-Veranstaltungen an.
Soviel nur zu den medico-Jugend-Projekten: Zu erwähnen wären noch psychosoziale Betreuung der frischen Mindenopfer, anschließende Begleitung ins soziale Leben und die Gespräche unseres Jango-Teams mit Angehörigen.
Was medico & Partner in Angola seit 7 Jahren harter Arbeit leisten, bedeutet ein gemeinsames lebendiges VETO im Zeichen langanhaltender Kriege und chronischer Fluchten. Orientiert an den Bedürfnissen der Menschen und ihren Möglichkeiten. Gerne möchten wir unseren Spenderinnen & Spenden den ganzen langen »Rechenschaftsbericht Angola« vorlegen. Auch über die Sportaktivitäten & den Tischtennis-Club von Luena als Rehabilitationsprogramm für die Kinder und Jugendlichen. Sie können ihn jederzeit kostenlos anfordern. Und mithelfen! Das Spendenstichwort lautet: »Angola«.