Man kann Kapitalisten nicht vorwerfen, dass sie wie Kapitalisten denken und handeln. Es wird aber dort zu einem Problem, wo sie Sphären entscheidend mitprägen, in denen sich das kapitalistische Prinzip als eine Ursache der Probleme erweist. Vor über einem Jahr erklärte die WHO-Generalsekretärin Margret Chan, dass im Gesundheitsbereich die Idee des „Trickle Down” gescheitert sei. Damit hat sie eine Gesundheitsreform durch Privatisierung, dessen Versprechen in eben diesem Effekt lag, zumindest sprachlich beendet. Das Gemeingut Gesundheit muss sich anders buchstabieren als kapitalistisch. Da gibt es fast einen Common Sense. Aber was geschieht mit den Geistern, die man in den vergangenen 20 Jahren Privatisierungseuphorie rief?
In einem Artikel der PLoS Medicine* wird eine dieser Privatisierungsbemühungen detailliert untersucht und die Auswirkungen dargestellt. In ihrem Artikel „Globale Gesundheitsphilanthropie und institutionelle Beziehungen” beschäftigen sich die Autoren am Beispiel der Bill und Melinda Gates Foundation mit den ambivalenten Folgen der Gesundheitsaktivitäten von Stiftungen, die über einen jährlichen Haushalt verfügen, der sogar den der WHO übersteigt. Neben der Gates Foundation gehören dazu u.a. die Ford Foundation, W.K. Kellog Foundation, Robert Wood Johnson Foundation und die Rockefeller Foundation.
Das sind die Dimensionen des Reichtums: Ende 2008 betrugen die Aktiva der Gates-Stiftung 29,6 Milliarden US-Dollar. Viel Geld ist angelegt in Unternehmen, deren Aktivitäten einer Verpflichtung auf Gesundheit zuwider laufen: Mc Donalds gehört dazu und Coca-Cola. Und auch alle bekannten Namen der Pharmaindustrie, die einen gesundheitsschädigenden Patentschutz global durchgesetzt haben, standen oder stehen auf der Liste von Gates' Aktienbesitz: Merck, Johnson& Johnson, Schering-Plough Corporation. Da der Milliardär Warren Buffet einen Teil seines Riesenvermögens auf die Gates-Stiftung überschrieben hat, wird sie demnächst eine der größten Anteilseigner von Coca-Cola und dem auch nicht gerade für Gesundheitsprodukte bekannten Nahrungs- und Genussmittelkonzern Kraft sein.
Dass sich aus der Anlagepolitik der Stiftung und ihrem Auftrag als Stiftung ein Interessenskonflikt ergibt, ist keine waghalsige Hypothese. Und manchmal zeigt er sich auch ganz offen. Coca-Cola für alle, statt Gesundheit für alle - könnte das Motto der Gates-Stiftung lauten. So unterstützt Gates den kleinbäuerlichen Anbau von Mango und Passionsfrucht in Afrika, um den „lokalen Bauern neue Marktzugänge zu eröffnen“. Ihre Früchte sollen nämlich in von Coca-Cola lokal produzierten Fruchtsäften verarbeitet werden. Dass es dabei aber vor allen Dingen um Marktzugänge für Coca-Cola geht, verschweigt die Philanthropie. Mit steuerbegünstigten Stiftungsmitteln kann der Konzern seinen Wirkungsradius ausweiten und dabei einen weiteren Baustein in seiner überaus aggressiven Marktstrategie setzen. Dass die Softdrinkprodukte von Coca-Cola nicht gerade in dem Ruf stehen, gesunde Ernährungsgewohnheiten zu fördern, stört Gates nicht. Sein Metier sind die Impfkampagnen gegen Infektionskrankheiten und nicht die rapide weltweite Zunahme von Diabetes und anderer nicht übertragbarer Krankheiten, die fraglos eine Folge der globalen Ausbreitung westlicher Lebensstile und Konsumgewohnheiten darstellen. Aber auch Teile des Gates-Vorstandes dürften sich über die Kooperation mit Coca-Cola freuen: die nämlich waren erst kürzlich direkt aus dem Coca-Cola-Management in die Leitung der Stiftung gewechselt.
Auch in der Förderpraxis der Gates-Stiftung offenbart sich der Interessenskonflikt. 97 % der finanziellen Stiftungszuwendungen fließen in die Beschäftigung mit Infektionskrankheiten und nur 3 % in Programme zu nicht übertragbaren Krankheiten. Das technisch ausgerichtete Gesundheitsverständnis der Stiftung spiegelt sich zudem in der Förderung von medizinischer Technologie (Impfungen, Mikrobizide, etc.) zumeist für Forscher in den USA. Das Geld bleibt in der Heimatregion und der Erfolg von Impfkampagnen lässt sich so wunderbar in Zahlen ausdrücken. Das 90 Prozent aller Krankheiten nichtmedizinische Ursachen haben, findet in der Stiftungspolitik keinen Widerhall. Die Gates-Stiftung bleibt aber vor allen Dingen deshalb ein Gesundheitsproblem, weil ihr erstes von 15 Prinzipien lautet: Die Stiftung sei zuallererst den „Interessen und Leidenschaften der Gates-Familie” verpflichtet. Und nicht - möchte man hinzufügen - dem Gemeinwohl und der Gesundheit als Gemeingut.
KM/TG