Frankfurt/Berlin/Dhaka, 7. Juli 2015 – Zertifikate zu Sicherheits- und Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie dienen dem Image der Unternehmen, doch den Arbeiterinnen und Arbeitern in den globalen Produktions- und Lieferketten nutzen sie kaum. Das zeigt exemplarisch der Einsturz des Fabrikkomplexes Rana Plaza in Dhaka (Bangladesch), bei dem mehr als 1.130 Menschen starben und mehr als 2.500 zum Teil schwer verletzt wurden. Wenige Monate vor der Katastrophe prüfte der TÜV Rheinland dort die Produktionsstätte von Phantom Apparel Ltd.. Die Dokumente zur Gebäudesicherheit bemängelte das deutsche Zertifizierungsunternehmen nicht und auch einige andere Defizite deckte der Bericht nicht auf.Beauftragt war TÜV Rheinland von einem Mitglied der Business Social Compliance Initiative (BSCI). Diese Unternehmensplattform beruft sich unter anderem auf die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und soll dazu dienen, Sicherheits- und Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern zu überwachen und zu verbessern.
Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), FEMNET und die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC), medico international und das Activist Anthropologist Collective aus Bangladesch haben gemeinsam Beschwerde bei der BSCI eingelegt. Die Organisationen fordern von der BSCI, den Gutachtenauftrag sowie die Berichte von TÜV Rheinland und anderen zu Rana Plaza offen zu legen und den Rahmen für die Prüfungsberichte grundlegend zu ändern. „Die Zertifizierungen sagen letztlich wenig aus. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen wissen, was genau geprüft wird“ sagt Miriam Saage-Maaß, Leiterin des Bereichs Wirtschaft und Menschenrechte beim ECCHR. „Vor allem aber: Zertifizierungsunternehmen und deren Auftraggeber müssen haftbar gemacht werden können.“
Für die Katastrophe von Rana Plaza hat bis heute keines der beteiligten Unternehmen rechtliche Verantwortung übernommen. "Bei Katastrophen in der Textilindustrie verweisen Produzenten, Auftraggeber und Händler gerne auf Zertifikate zu den Sicherheits- und Arbeitsstandards, um sich reinzuwaschen", so Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende von FEMNET. Doch in Rana Plaza habe der TÜV Rheinland weder die Dokumente zur Gebäudesicherheit noch die Einhaltung von Sozialstandards ausreichend kontrolliert. Darauf ließen Untersuchungsberichte zum Einsturz sowie Aussagen von Betroffenen schließen. „Wird nicht angemessen geprüft, sind die Zertifikate nicht das Papier wert, auf dem sie stehen", so Thomas Seibert, Südasienkoordinator von medico international. „Die BSCI muss die Inhalte und Methoden der Social Audits grundlegend ändern. Sonst bleiben die Zertifizierungen in den Augen der Arbeiterinnen und Arbeiter nichts als bedeutungslose Rituale", so Saydia Gulrukh von Activist Anthropologist Collective.
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