Die jüngere Geschichte Nicaraguas ist komplex und durchzogen von einer Vielzahl politischer, sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Verwerfungen, geprägt von Kriegen, Diktaturen, Revolutionen, Naturkatastrophen, Migration und Exil, sexuellem Mißbrauch und Vielem mehr. Diese psychosozialen Wunden sind bei der Mehrheit der NicaraguanerInnen nicht geheilt und sind in ihrer kollektiven Erinnerung verhaftet. Die seit den 1990er Jahren in Nicaragua durchgeführten Entwicklungspläne waren auf die Rekonstruktion der materiellen Infrastruktur, den Wohnungs- und Straßenbau etc. ausgerichtet und haben die psychosozialen Auswirkungen und Folgen der genannten Phänomene ausgeblendet.
Neue Wege
medico unterstützt daher die psychosoziale Arbeit des Programms „Nuevos Liderazgos“ (PNL) des „Centro Ecuménico Antonio Valdivieso“ (CEAV), das versucht, eine angemessene und effektive Herangehensweise an die Problemlagen in diesem Bereich zu identifizieren und umzusetzen. Es richtet sich an junge Menschen und soll diese dabei unterstützen, sich als MultiplikatorInnen der notwendigen sozialen Transformation der nicaraguanischen Gesellschaft einzusetzen.
Konkret werden 500 Jugendliche und junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren aus sozialen Organisationen und Netzwerken gefördert. Angestrebt sind die Demokratisierung der Organisationskultur und die Verankerung partizipativer, gewaltfreier und integraler Vertretungs- und Führungsstrukturen. Im Rahmen dieses Aus- und Fortbildungsprogramms, das kontinuierlich in enger Abstimmung mit allen Beteiligten weiterentwickelt wird, liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der institutionellen Stärkung psychosozialer Ansätze. Die Erfahrungen mit den von den Jugendlichen partizipativ erarbeiteten Vorschlägen werden systematisiert und in den offenen Austausch mit weiteren Organisationen zur Verdichtung und Verstetigung regionaler Netzwerke aktiv eingebracht.
Das Psychosoziale im Blick
Die Fokussierung auf junge Menschen ist essentiell: Über die Hälfte der Bevölkerung Nicaraguas ist jünger als 25 Jahre. Als Volkskrankheit könnte man eine Malaise bezeichnen, die aus multipler Trauer bei Verneinung von Emotionen, fehlender Beteiligungsmotivation, Vereinzelung, sozialer Apathie und Hoffnungslosigkeit, einer Kultur des Schweigens und der Gewalt sowie einem bleiernen Ohnmachtsgefühl genährt wird. Diese steht im Kontext einer allgemeinen Verschlechterung der Bedingungen menschlicher Sicherheit, das heißt der Nichtachtung grundlegender Rechte. Es besteht kein Zweifel daran, dass es multikausaler Interpretationen der Situation der Jugend in Nicaragua bedarf, um zur Rekonstruktion der Jugend in ein artikuliertes, handelndes Subjekt beizutragen. Ausgehend davon, will CEAV die Fähigkeiten der jugendlichen VertreterInnen von lokalen Organisationen stärken und damit zugleich Wege zur Wertschätzung ihrer eigenen persönlichen Ressourcen freimachen.
Das CEAV ist Mitte der 1980er Jahre als Denkfabrik der befreiungstheologischen Bewegung in Nicaragua entstanden und hat die Prozesse der sandinistischen Revolution solidarisch begleitet. Der heutigen „Frente Sandinista de Liberación Nacional“ (FSLN) und der Regierung Ortega stehen sie kritisch gegenüber, da ihre Ziele klar in der Stärkung des kritischen Denkens von Jugendlichen und Führungskräften liegen. Das CEAV verfolgt seit Jahren eine Strategie zur Förderung und Entwicklung einer neuen Dimension der Ökumene sowie der menschlichen Entwicklung unterdrückter Bevölkerungsgruppen: indigene Völker, Frauen und die afroamerikanische Bevölkerung. Es versteht seine Programme gleichzeitig als Lernprozesse, wodurch auch das vorliegende Projekt entstanden ist.
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