Nicht mehr Krieg – noch nicht Frieden

KHF - Kurdistan Health Foundation: Förderung von Basisgesundheitsdiensten im ländlichen Raum

01.11.2008   Lesezeit: 3 min

Die Diktatur ist beendet – die Ungewissheit bleibt. Der Krieg der neuen Alliierten hat die nordirakischen Kurdinnen und Kurden zwar von einem der schlimmsten Tyrannen befreit, der selbst in ihrer an Verfolgung und Unterdrückung reichen Geschichte eine Sonderrolle einnimmt: Der Name Saddam Hussein wird immer mit der Erinnerung an den Giftgasangriff gegen die Stadt Halabja an der iranischen Grenze und die Anfal-Operationen der Irakischen Armee 1988 verbunden sein, in deren Verlauf tausende kurdischer Dörfer zerstört, Hunderttausende von Menschen in Lager deportiert und bis zu 180.000 junge Männer und Frauen verschleppt wurden, von denen bis heute jede Spur fehlt.

Aber welche Perspektive ein demokratischer Irak haben wird, ob in einer föderalen Struktur die Selbstverwaltung der irakisch-kurdischen Gebiete fortgesetzt werden kann, die in den 90er Jahren trotz innerkurdischer Auseinandersetzungen zumindest ansatzweise zivile Entwicklungsperspektiven geboten hat, ist weiterhin ungewiss. Die türkischen wie auch die iranischen Nachbarn bleiben misstrauisch gegenüber jeder zu großen Autonomie der irakischen Kurden, die die eigenen kurdischen Minderheiten zu ähnlichen Forderungen veranlassen könnten.

Sicher ist allerdings, dass eine breite zivilgesellschaftliche Basis für die Transformationsprozesse in Richtung auf einen demokratischen Irak notwendig ist. An der Unterstützung einer solchen Basis beteiligt sich medico seit den großen Nothilfe- und Wiederaufbaumaßnahmen im Anschluss an den zweiten Golfkrieg Anfang der 90er Jahre.

Ein wichtiger Partner medicos dabei ist die Kurdistan Health Foundation (KHF). Die KHF gründete sich 1984 als Initiative kurdischer Ärzt/innen und Gesundheitsarbeiter/innen. In den 80er Jahren versorgte sie Opfer der irakischen Giftgas- und Militärangriffe, im Anschluß an dem Golfkrieg leistete sie kurdischen Flüchtlingen im Iran Nothilfe und übernahm später die Versorgung rückkehrender Flüchtlinge im irakisch-iranischen Grenzgebiet. Seit der Übernahme des kurdischen Gesundheitswesens durch die kurdische Regionalregierung 1992 konzentriert sich die KHF auf den Bereich gesundheitlicher Prävention als einen der zentralen Bausteine des Primary Health Care Gedankens.

Die KHF-Teams bestehen aus je sechs bis acht MitarbeiterInnen (ÄrztInnen, GesundheitsarbeiterInnen, SozialarbeiterInnen und WassertechnikerInnen). Sie schlagen jeweils für mehrere Tage in den Dörfern oder Flüchtlingslagern ihre Zelte auf. Sie behandeln akut Erkrankte oder bringen sie wenn nötig in städtische Krankenhäuser. In einer mitgeführten mobilen Ambulanz können sie Laboruntersuchungen und kleinere chirurgische Eingriffe durchführen. Hier testen sie auch die Trinkwasserqualität. Sie informieren bei Hausbesuchen und in Versammlungen über Gesundheitsgefahren, die Bedeutung von Vorsorge, Hygiene und Impfungen, über Strategien zur Selbsthilfe und Ernährungsfragen.

In gemeinsamen Aktionen werden die hygienischen Bedingungen im Dorf oder Lager verbessert, Müllverbrennungsplätze eingerichtet, Wasserquellen gereinigt und befestigt, stehende Gewässer trockengelegt.

Für Frauen und Mädchen werden separate Beratungstermine und Versammlungen angeboten, in denen offen über Fragen der Sexualität, Verhütung, Schwangerschaft, Geburt, Menopause gesprochen werden kann. Anfal-Überlebende und Menschen in Krisensituationen werden einzeln besucht. Die KHF-MitarbeiterInnen versuchen, neue Perspektiven aufzuzeigen und vermitteln wo nötig psychologische Hilfe oder Rechtsbeistand. Einzelne DorfbewohnerInnen werden zu GesundheitspromotorInnen: sie lernen, erste Hilfe zu leisten und gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen zu initiieren, Hebammen erhalten neue Kenntnisse und geeignete Instrumente und Materialien für ihre Arbeit.

Die KHF-Teams kooperieren mit den vorhandenen lokalen Strukturen und VermittlerInnen: Dorfälteste, Lehrkräfte, Heiler/innen. Sie setzen Dorfversammlungen, Theatervorführungen und Wandmalereien für die Vermittlung von Wissen über Gesundheit ein. Die Besuche der KHF-Teams sind auch soziale Ereignisse in den Dörfern, bei denen neben auch Fragen der Bildung und Erziehung, der Lösung von sozialen Konflikten etc. diskutiert werden.

Mit speziellen technischen Teams beteiligt sich die KHF auch am Bau von Trinkwasseranlagen und Gesundheitsstationen in ländlichen Regionen – sauberes Wasser ist eine der wesentlichen Faktoren für ein gesundes Leben und die Verhütung von Durchfallerkrankungen, an denen immer noch zu viele Kleinkinder sterben.


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