Wir sind bei dir!

Sinani unterstützt in Südafrika von AIDS betroffene Kinder und ihre (Pflege-) Familien

09.03.2011   Lesezeit: 7 min

Luthando, elf Jahre, fehlt in der Schule und kommt nicht zu den Gruppentreffen. Er muss sich um seine sterbende Mutter kümmern. Die Mutter ist an AIDS erkrankt. Als ein Sinani-Mitarbeiter die Familie zu Hause besucht, füttert der Junge seine Mutter mit kaltem klumpigen Maisbrei und es findet sich kein einziges Medikament im Haus. Nach ein paar Tagen stirbt die Mutter und ihre drei Söhne zwischen fünf und elf Jahren bleiben allein zurück. Eine Cousine, die auch nur ein paar Jahre älter ist, kommt zu ihrer Unterstützung. Die Kinder haben keine Verwandten in der Gemeinde, da ihre Mutter in diese Gegend kam, um auf den Farmen zu arbeiten und keine Geburtsurkunde und Personalausweis besaß. „Es gibt nichts, was wir tun können, wenn keine Dokumente vorhanden sind“, so das lokale Sozialamt. Sinani unterstützt die Verwandten, eine Geburtsurkunde für die Kinder zu bekommen, damit sie Pflegegeld beantragen können. Luthando kommt nach dem Tod seiner Mutter zurück in die Kindergruppe, hier kann er einen Ort finden für die Trauerarbeit und langsam lernen, wieder Kind zu sein. Die Betreuer und Betreuerinnen von Sinani organisieren auch Behandlungsmöglichkeiten, für den Fall, dass Luthando oder eines seiner Geschwister selbst mit HIV infiziert sind.

Ein Unterstützungsnetz für Kinder

Sinani – KwaZulu-Natal Programme for Survivors of Violence - ist in der südafrikanischen Provinz KwaZulu Natal tätig und widmet sich schwerpunktmäßig den Bereichen Friedensentwicklung, Armutsbekämpfung und HIV/AIDS. In der Zulu-Sprache bedeutet Sinani „Wir sind bei dir“. Das „Vulnerable Children’s Project“ wird von medico international seit 2008 unterstützt und richtet sich an Kinder, die durch AIDS einen oder beide Elternteile verloren haben und bei denen oft die Gefahr besteht, dass sie vernachlässigt oder Opfer von Misshandlungen oder sexueller Ausbeutung werden. Ziel ist, die Kinder nicht aus den wenigen verbliebenen sozialen Zusammenhängen zu reißen, sondern ein Unterstützungsnetz für die Kinder und Pflegefamilien anzubieten. 70% der Kinder leben in Haushalten, die sich unterhalb der Armutsgrenze von umgerechnet ca. 60 € pro Person im Monat befinden.

Die Situation von Kindern wie Luthando, die unter mehrfachen Belastungen wie Armut und Krankheit leiden, soll verbessert werden, indem sie an wöchentlichen Gruppentreffen von ähnlich betroffenen Kindern teilnehmen, in denen sie Kindergesundheitshelfer/innen (Community Child Care Workers) z.B. bei Problemen in der Familie, Krankheit oder den Hausaufgaben, unterstützen. Die Community Child Care Workers kommen aus denselben Armutsgemeinden und kennen die von HIV/AIDS betroffenen Familien und deren Lebensbedingungen. „Ich habe selbst meine Mutter mit 13 Jahren verloren und musste mich dann um meine Geschwister kümmern – ich weiß, wie die Kinder sich fühlen“, erklärt eine Helferin, warum sie beim Sinani Kinderprogramm mitmacht.

Jede Kindergruppe hat mehrere Betreuerinnen und alle Betreuergruppen organisieren ein warmes Essen zu den wöchentlichen Treffen. Neben diesen regelmäßigen Treffen in den Gemeinden organisiert Sinani Ferienfreizeiten für die Kinder und spezielle Unterstützungsangebote für Kinder, die chronisch krank sind und regelmäßig Medikamente nehmen müssen (vor allem HIV-Medikamente).

Die Auswirkungen der AIDS-Pandemie verschärfen die ohnehin schon schwierige Situation vieler Kinder:

• Im Durchschnitt sind etwa 18% der Bevölkerung Südafrikas mit dem HI-Virus infiziert.

• Die Provinz KwaZulu Natal hat mit über 39% Infizierten die höchste Verbreitungsrate von HIV im ganzen Land.

• Jährlich über 300.000 AIDS-Tote haben knapp zwei Millionen Waisenkinder (im Alter von 0 – 17 Jahren) zurück gelassen.

• Es wird davon ausgegangen, dass in KwaZulu Natal mehr als ein Viertel der Kinder ein oder beide Elternteile verloren haben.

• Die verwaisten Kinder werden häufig von älteren Angehörigen/Großeltern versorgt, deren oft einzige Einkommensquelle Sozialleistungen und Renten sind.

Hilfe für Pflegefamilien und Helferinnen

Oftmals befinden sich auch die Familienmitglieder und Pflegefamilien, die sich um verwaiste Kinder kümmern, in einer schwierigen Situation und leiden selber unter finanziellen oder gesundheitlichen Problemen. Zudem führt die Aufgabe, kranke Verwandte, Geschwister und Enkel zu versorgen häufig zu Überforderung, Erschöpfung und Frustrationen, unter denen auch die Kinder zu leiden haben. Deshalb widmet sich das Programm weiterhin diesen Pflegefamilien und Betreuern. Die Community Child Care Workers bieten neben der Leitung der Kindergruppen regelmäßige Treffen für die Angehörigen und Pflegeeltern an, wo sie über ihre Situation sprechen und emotionale und praktische Unterstützung bekommen. So werden sie darüber aufgeklärt, wie sie sich beispielsweise bei der Pflege ihrer mit dem HI-Virus infizierten Enkel vor einer Ansteckung schützen oder Anträge auf Pflegegeld und Waisenrente stellen können. Gemeinsame Ausflüge und Feste gehören gleichfalls zum Programm.

Unterstützung brauchen auch die Community Child Care Workers. Sie sind zumeist arbeitslose junge Frauen, die sich selbst in einer schwierigen Situation befinden und durch diese Arbeit weiteren Belastungen ausgesetzt sind. Auch zu ihrer psychischen Entlastung und professionellen Stärkung bietet Sinani regelmäßig Fortbildungen, Beratung und Supervision an. Durch die Fortbildungen soll zusätzlich die Möglichkeit einer besseren beruflichen Zukunft der Care Workers geschaffen werden, die dabei unterstützt werden, Vereine zu gründen und für ihre Arbeit mit den Kindern auch anderswo Gelder zu beantragen.

So verfolgt Sinani sowohl in der Arbeit mit den Kindern, die nicht aus ihrer vertrauten Umgebung herausgerissen werden, sondern in ihrem bekannten Umfeld unterstützt werden, als auch bei der Ausbildung von Care Workers einen gemeindeorientierten Ansatz und fördert bestehende lokale Sozialstrukturen.

Einen Kopf größer

2010 konnten mit der Unterstützung von medico international in zwölf Gemeinden rund um Durban und Pietermaritzburg mehr als 2600 Kinder und über 200 Community Child Care Workers unterstützt werden. Die Kinder kommen gerne in die Gruppen, leben sichtbar auf und haben eine gute Beziehung zu den Gesundheitshelferinnen. Auch untereinander haben die Kinder eine sehr fürsorgliche Haltung entwickelt, unterstützen und trösten sich gegenseitig. „Ich bin gerne in dieser Gruppe, weil wir hier sagen können, wie wir uns fühlen und keiner dich auslacht, wenn du weinst“, sagt eines der Kinder. In den speziellen Treffen für Kinder, die (hauptsächlich HIV-)Medikamente nehmen müssen, erinnern die Großen die Kleinen ihre Medikamente zu einer bestimmten Tageszeit zu nehmen und für bestimmte körperliche Symptome sensibilisiert zu sein. Auch die Community Child Care Workers sorgen für die Gesundheitsversorgung der kranken Kinder und unterstützen die Pflegeeltern dabei, regelmäßige Termine wahrzunehmen. Auf diese Weise verbesserte sich die gesundheitliche Versorgung der Kinder. „2008 haben wir vier Kinder aufgrund von AIDS verloren, 2009 zwei und 2010 dank der besseren Überwachung der Behandlung mit den Angehörigen und Pflegeeltern keines“, so Nozipho Hlengwa von Sinani.
2010 wurden außerdem zwei Teenagergruppen neu gegründet, da die Möglichkeit, an den Kindergruppen teilzunehmen, mit 14 Jahren endet. Die Teenagergruppen und Ferienfreizeiten sind sehr wichtig für die Jugendlichen, die oft starken Belastungen ausgesetzt sind, weil sie jüngere Geschwister versorgen, kranke Eltern pflegen und den Großteil der Hausarbeit neben der Schule verrichten.

Einige der Kindergruppen lernen außerdem von Sinani Jugendlichen, die im Rahmen des Cirque du Soleil-Projektes „Cirque du Monde“ ausgebildet wurden, akrobatische Übungen und Jonglieren. Die Kinder können so in ihrer Freizeit in einer Gruppe ihr körperliches Geschick trainieren. Gleichzeitig hat das Projekt mit begleitenden Gesprächskreisen einen psychosozialen Ansatz, um das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken. Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika hatten die FIFA-Organisatoren Sinani für einen Auftritt auf der offiziellen Fanmeile von Umlazi (Township von Durban) angefragt. Und so trat dort eine Gruppe auf der offiziellen Bühne auf, was eine sehr wichtige und nachhaltige Erfahrung für die beteiligten Kinder war. Philani Hlatshwayo, ein Sinani-Betreuer, fasste es mit den Worten zusammen: „Sie sind einen Kopf größer geworden, ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl sind unglaublich gewachsen. Sie sind auch sehr stolz darauf, dass sie nun als Zirkuskinder bezeichnet und identifiziert werden, nicht als Waisen oder besonders gefährdete Kinder.“ Sinani ist in lokalen Netzwerken aktiv. Dazu gehört beispielsweise das CINDI-Netzwerk (Children in Distress), das eine wichtige Quelle für Informationen zu HIV und AIDS ist. CINDI vernetzt Organisationen in der Region, verteilt Sachspenden und bietet finanzielle Unterstützung für Kinderprojekte.

medico unterstützt Sinani in 2011 mit 30.000 Euro.


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