Biopiraterie

500 Bauern aus Indien protestieren im Juni auf dem Gegengipfel von Köln

01.04.1999   Lesezeit: 4 min

OPERATION: »Verbrennt Monsanto«

Biotechnologie-Konzerne preisen genmanipulierte Nutzpflanzen gern als Segen für Entwicklungsländer an. In Indien stoßen sie auf erbitterte Ablehnung:

Die Operation »Verbrennt Monsanto« begann am 8.11.1998 gegen Mittag im Dorf Maladagudda, nördlich der indischen Großstadt Bangalore, auf einem Baumwollfeld. Höchstpersönlich riß Mr. Basanna, der Besitzer des Ackers, die erste Baumwollpflanze aus, tatkräftig unterstützt vom Bauernverbandspräsidenten Professor Nanjundaswamy. Die Menge folgte dem Beispiel, binnen weniger Minuten war das Feld kahlgepflückt & die Ernte zu einem Scheiterhaufen aufgeschichtet.

Der flammende Protest war Auftakt einer ganzen Serie von Aktionen gegen den US-Konzern Monsanto, der in Indien genmanipulierte Baumwolle testet. Der Biotechnologie-Gigant, der mit dem Slogan »Food, Health, Hope« wirbt und gern darauf verweist, mit seinen Produkten die Ernährungslage in der Dritten Welt zu verbessern, stößt in Indien auf Feindseligkeit. Viele Kleinbauern sehen in den Fortschritten der Gentechnik keinen Segen, sondern eine Bedrohung ihrer Existenz. Der Bauernverband Karnataka Rajya Raitha Sangha (KRRS), Initiator der Kampagne, bezeichnet Monsanto gar als »kriminelle Vereinigung«. Im vergangenen Jahr kaufte der Konzern eine Reihe von Saatgutfirmen auf, unter anderem beteiligte er sich an dem indischen Unternehmen Mahyco. Jetzt kontrolliert die Allianz den indischen Markt für Baumwollsaat – ein Politikum, da Baumwolle zu den wichtigsten Exportprodukten des Landes zählt.

Bislang gewinnt die oft hochverschuldete Landbevölkerung in Südasien ihr Saatgut noch überwiegend selbst, indem sie einen Teil ihrer Ernte dafür abzweigt. Umweltschützer befürchten, die Bauern könnten bald gezwungen sein, diese alte Tradition aufzugeben und ihr Saatgut teuer zu bezahlen. Genährt wird diese Furcht durch Gerüchte, Monsanto hetze in den USA Farmern Detektive auf den Hals, um herauszufinden, ob Landwirte vertragswidrig einen Teil ihrer genmanipulierten Ernte wieder aussäen. Noch empörter reagierten die indischen Bauern auf ein im vergangenen Frühjahr erteiltes US-Patent der Firma Delta & Pine Land. Dem Unternehmen – das derzeit ebenfalls vom Monsanto-Imperium geschluckt wird – gelang es, durch eine Genmanipulation Tabak & Baumwolle zu erzeugen, deren Samen nicht mehr keimfähig sind. Grundsätzlich läßt sich der Eingriff auch bei anderen Nutzpflanzen vornehmen. Gentechnik-Gegner kritisieren die Entwicklung als »Terminator-Technologie«, da sie die Bauern zwingt, jedes Jahr neues Saatgut einzukaufen. Zwar handelte es sich bei den Pflänzchen, die auf Basannas Acker – nach Auskunft der KRRS eher kümmerlich – gediehen, nicht um Terminator-Kräuter, sondern um insektenresistente Gen-Baumwolle der Marke »Bongard«. Wut und Mißtrauen rief jedoch das Vorgehen der Mitarbeiter von Mahyco-Monsanto hervor, die, wie Basanna berichtet, ausgewählten Bauern kostenlos Saatgut angeboten hätten. Daß es sich um genmanipulierte, in Indien kommerziell noch gar nicht zugelassene Pflanzen handelte, sei den Abnehmern nicht bewußt gewesen. »Sie haben die Bauern weder über das Saatgut informiert«, empört sich die indische Umweltschützerin Vandana Shiva, »noch über international übliche Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der umliegenden Felder.« Aktivisten wie Shiva mißtrauen dem Biotech-Boom auch aus einem anderen Grund: Nicht nur, warnen sie, laufen die Bauern Gefahr, das Recht an ihrem Saatgut zu verlieren; womöglich müsse die indische Landbevölkerung sogar ihre altbewährten Kräuter und Hausmittel eines Tages im Supermarkt kaufen – weil Biotechnologie-Konzerne Patente darauf halten. Nicht einmal Reis, Grundnahrungsmittel für Millionen von Asiaten, bleibt vom Zugriff der Patentanwälte verschont: Die texanische Firma RiceTec sicherte sich die Rechte auf eine neue Variante von Basmati-Reis, einer seit Jahrhunderten kultivierten Sorte. Erfolgreich fochten indische Anwälte ein Patent auf die Curry-Zutat Kurkuma an. Sie verwiesen darauf, daß Gelbwurz auf dem Subkontinent seit jeher als Gewürz und Heilmittel bekannt sei. Die indische Regierung steht unter internationalem Druck, ihr Patentrecht den Vorgaben der Welthandelsorganisation WTO anzupassen. Umweltschützer fürchten den ungehemmten Ausverkauf der Gen-Ressourcen. »Wir beobachten seit Jahren eine Bio-Piraterie aus den Ländern des Nordens«, sagt Shiva, »es wäre Irrsinn, das Patentrecht vorschnell zu ändern.«

Nun grassiert die Angst, Genjäger könnten heimlich die biologischen Reichtümer des Landes plündern. So ertappten Zöllner kürzlich einen Amerikaner, der verdächtige Proben außer Landes schmuggeln wollte – Erbgut von Haien aus dem Indischen Ozean für genetische Studien in den USA. – Professor Nunjandaswami und 500 der betroffenen Bauern wollen ihren Flammenden Protest im Juni 1999 auf den Kölner (Gegen-) Gipfel tragen:

Herzlich Willkommen!


ENGELSPROTHESEN

Nun geht es im Zeichen der modernen Reproduktionsmaschinen nicht mehr um das Gebärmuttertier, sondern ums Denkorgan, darum also, daß man sich produziert (was im besten Fall zur »Kunst« werden kann). In der Regel jedoch geht das schief. Und genau hier liegt unser Dilemma: daß wir zwar Bilder unserer selbst zu produzieren vermögen, nicht aber uns selbst – daß darüberhinaus die Bilder unserer selbst, unsere Engelsprothesen sozusagen, die Form der Maschine tragen, während unser wirkliches Sein leidet an dem, was man (mit Günther Anders) die prometheische Scham oder das Verzwergungssymptom nennen könnte.

(Martin Burckhardt, Der Traum der Maschine)


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