Innenministerkonferenz

Abschieben nach Syrien?

03.12.2020   Lesezeit: 3 min

Was die Abschiebung formell bedeutet: Zusammenarbeit mit einem mörderischen Regime. Von Dr. Omar Sharaf.

Der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer wird unausweichlich mit seinem syrischen Amtskollegen, General Muhammad Rahmun, zusammenarbeiten. Allein der Lebenslauf dieses Amtskollegen sollte Herrn Seehofer davon abhalten, an seinen Überlegungen zu Abschiebungen nach Syrien festzuhalten: General Rahmun war ein Luftwaffen-Geheimdienstoffizier in Harasta bei Damaskus. Die Abteilung, der er von 2011 bis zu seiner Ernennung zum Innenminister  im November 2018 leitete, war dafür verantwortlich, jede oppositionelle Aktivität der Menschen in Ost-Ghouta gegen das Regime von Assad brutal niederzuschlagen.

Rahumun beaufsichtigte selbst die Belagerung von Ost-Ghouta mit damals fast 2 Millionen Menschen, die unter seinem Befehl von Lebensmitteln, Medikamenten und sogar Trinkwasser abgeschnitten wurde. In seinem Dienstsitz nahe Damaskus wurden zehntausende Menschen aus Ost-Ghouta und anderen Landesteilen brutal gefoltert und ermordet. Er überwachte die Folterungen persönlich und verlangte von seinen Mitarbeitern, dass sie Aussagen von den Häftlingen um jeden Preis herausbekommen. Das ist auch ein Grund dafür, warum die USA General Rahmun auf ihre Sanktionsliste gesetzt haben.

In der heiklen Debatte über die Aufweichung der Hürden einer Abschiebung syrischer Straftäter und Gefährder nach Syrien, darf man nicht davon ausgehen, dass diese straffällig gewordenen Personen eine auch nur annähernd faire Behandlung in Syrien erwarten können. Vielmehr würde das Regime Assads diese Personen jenseits von fair und gerecht behandeln. Man darf nie vergessen, dass auch Straftäter und Gefährder ein inhärentes Recht auf die die körperliche und seelische Unversehrtheit haben. Das ist verfassungsrechtlich verankert in Art. 1 Abs. 1 GG („Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“) und Art. 104 Abs. 1 und 2 GG („Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden.“).

Nichts liefe der jetzigen und völlig berechtigen diplomatischen Isolation Syriens derart zuwider wie eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit dem Regime. Assad hat seine politischen Gegner:innen jahrelang als Terroristen, Kriminelle und fundamentalistische Islamisten diffamiert und die westliche Welt in mehreren Interviews vor ihnen gewarnt. Für ihn sind die Menschen, die einfache Grundrechte gefordert haben, schlicht vernichtungswürdig. Die hunderttausenden Toten, die 12 Millionen Vertriebenen und das Ausmaß der Zerstörung in oppositionellen Gebieten sind ein gegenwärtiger Beweis dafür, wie Assad mit Dissident:innen umgeht.

Herr Seehofer sollte sich mit dem deutschen Entwicklungshelfer Martin Lautwein in Verbindung setzen und seine Erzählungen von schweren Menschenrechtsverbrechen und menschenunwürdigen Verhältnissen in syrischen Gefängnissen hören. Herr Seehofer hat hoffentlich von den Verhandlungen am Koblenzer Oberlandesgericht gehört, bei denen es um Foltervorwurfe in Syrien geht. Vielleicht lohnt es sich für ihn nachzulesen, was die Zeugen vor Gericht aussagen.

Es ist legitim, Wahlkampf zu machen und Signale der Stärke und der Entschlossenheit an die Wähler:innen zu schicken, aber mit diesem Ansatz scheint Herr Seehofer sich von den Werten und Idealen der Menschenrechte zu verabschieden, die bei einem deutschen Nachkriegs-Bundesinnenminister eigentlich vorausgesetzt werden sollten.

Omar Sharaf

Omar Sharaf ist in Damaskus aufgewachsen, kam 2001 nach Deutschland und arbeitet als Politikwissenschaftler. Mit medico verbindet ihn eine langjährige Partnerschaft bei der Unterstützung von Projekten in Syrien.


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