Abschieben nach Syrien

Ein Todesurteil

07.12.2020   Lesezeit: 2 min

Eine rechtliche Normalisierung des Assad-Regimes, unter welchem Vorwand auch immer, ist ein Verbrechen. Von Huda Khayti.

Ich glaube an individuelle Verantwortung und Haftung und bin deshalb der Meinung, dass jeder, der ein Verbrechen begeht, nach dem Gesetz bestraft werden muss, unabhängig davon, ob er ein Flüchtling ist oder nicht. Die angemessene Reaktion auf ein Verbrechen ist jedoch ein ordentliches Gerichtsverfahren, eine unabhängige Justiz und die Bestrafung einzelner Personen für individuelle Handlungen. Der von Herrn Seehofer vorgeschlagene Plan, Straftäter nach Syrien abzuschieben, reagiert stattdessen auf mutmaßliches Fehlverhalten, indem er alle Faktoren eines etablierten Rechtssystems umgeht, bis hin zur kollektiven Bestrafung individueller Taten und der Reaktion auf Verbrechen in einer unverhältnismäßigen, illegalen Weise. Die bloße Tatsache, eine Person im gegenwärtigen Zustand des Landes zur Rückkehr nach Syrien zu zwingen, unabhängig davon, ob sie sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat oder nicht, und in die Hand des Assad-Regimes zu geben, ist ein unmoralischer und krimineller Vorschlag. Ich brauche nicht zu beschreiben, wie Assads Syrien ein Nicht-Gesetzesstaat ist und wie die Behandlung von Rückkehrern gegen Würde und Sicherheit verstößt. 

Jemanden an das syrische Regime auszuliefern, läuft darauf hinaus, diese Person zum Tode zu verurteilen, insbesondere wenn die fragliche Person zufällig der Opposition angehörte, bevor sie Syrien verließ. Sogar für diejenigen, deren einziges "Verbrechen" darin besteht, Syrien aus Sicherheitsgründen zu verlassen, führt das Regime Nominallisten all jener, die sich weigerten, in den Regionen zu bleiben, die das Regime übernommen hat: Dies geschah insbesondere, als das Regime Ost-Ghouta zurückeroberte und die Einwohner bei ihrer Ankunft flohen.

Herr Seehofer muss verstehen, dass ein Land mit einem Rechtsstaat – Deutschland – nicht berechtigt ist, sich wie ein Nicht-Rechtsstaat zu verhalten, noch mit einem solchen Staat in "legalen" und "strafenden" Angelegenheiten zusammenzuarbeiten. Eine rechtliche Normalisierung des Assad-Regimes, unter welchem Vorwand auch immer, ist ein Verbrechen. Es ist kein juristisches Werkzeug, das für die Bestrafung eines Verbrechens zur Verfügung steht. Natürlich muss es Methoden der Strafverfolgung geben, unabhängig davon, ob der Täter Syrer ist oder nicht, aber es gibt eine Reihe von angemessenen, auf Rechten basierenden Antworten, die außerhalb der blinden, erzwungenen Rückführung in einen aktiven Konflikt und ein blutrünstiges Regime in Betracht gezogen werden können.

Huda Khayti

Huda Khayti ist Leiterin des selbstverwalteten Frauenzentrums im syrischen Idlib, wohin sie 2018 aus Duma floh. Das Frauenzentrum leistet Corona-Aufklärung und unterstützt die mittellosen Geflüchteten, die in Idlib gestrandet sind. medico arbeitet seit Jahren mit ihr zusammen.


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