Es gab einige Kritik wegen meiner kritischen Anmerkungen zur Friedensbewegung, wie sie sich am Tag des Luftangriffs der USA, Großbritanniens und Frankreichs, am 14. April äußerte. Ein Anlass meine meine Kritik an einer Haltung, wie ich sie in Teilen der Friedensbewegung wahrnehme, zu präzisieren.
Erst einmal, das worin Einigkeit besteht. Das Banalste ist sicher, dass wir alle Frieden wollen und die gegenwärtige Situation um Syrien insoweit tatsächlich gefährlich auch für den Frieden in Europa ist, weil immer mehr Nato-Mitglieder militärisch involviert sind. In einen Konflikt militärisch zu intervenieren, der offenkundig keine militärische Lösung hat, ist nicht nur sinnlos, sondern gefährlich weil eine Eskalation immer denkbar ist, selbst wenn sie nicht intendiert ist. Die Debatten um den ersten Weltkrieg und seine multiplen Auslöser, wie sie jetzt 100 Jahre später geführt werden, machen das sehr gut deutlich. Auch teile ich die von vielen geäußerte Haltung, dass man das Völkerrecht gerade dann verteidigen muss, wenn es immer wieder verletzt wird. Die Rolle der UNO gilt es zu stärken und es muss einen Nachweis geführt werden, ob und welches Giftgas eingesetzt wurde, bevor völkerrechtlich abgesicherte Maßnahmen ergriffen werden. Das ist alles beim Militärschlag der USA und ihrer Verbündeten nicht der Fall gewesen.
Aber kann man heute den Frieden in Europa verteidigen, ohne auf die Welt zu blicken? Der syrische Krieg ist bereits jetzt ein Weltkrieg, aus dem sich die USA unter Obama militärisch weitestgehend herausgehalten haben, wenn man von der Unterstützung der Kurden in Syrien absieht. Der Isolationismus von Trump ist ein weiteres Argument, warum man sich wundern kann, dass manche in der Friedensbewegung nur dann den Frieden gefährdet sehen, wenn die USA eingreifen. Gerade der Konflikt in Syrien beweist, dass wir uns längst jenseits einer bipolaren Weltordnung bewegen, in der man aus der erklärten Kritik an dem einen Teil dieser Ordnung, dann ableiten konnte oder musste, dass die andere Seite möglicherweise weniger schlimm ist. Heute ist Krieg in jeder Form denkbar und er kann von jeder Seite ausgehen. Krieg ist ein Mittel zur Ablenkung von internen Problemen geworden und wenn man ihn jenseits der eigenen Grenzen führen kann, ist er eine große Verlockung. Das gilt für alle internationalen Akteure in diesem Konflikt. Sprich: Es gibt keine Guten. Hier agieren alle interessengeleitet. Russland, Frankreich, Großbritannien – alle wollen sie von innenpolitischen Themen ablenken und haben zugleich geostrategische Interessen, die sie mit militärischen Mittel durchsetzen wollen. Deutschland hält sich im syrischen Konflikt bedeckt. Aber die Interessen liegen auch auf der Hand. Innenpolitisch will man die syrischen Flüchtlinge loswerden und dafür ist man zu vielen Kompromissen mit Assad bereit, steht zu fürchten. Das zu verhindern, bräuchte es hier wirklich eine schlagkräftige Friedensbewegung. Auch Außenpolitiker Maaß strebt wieder einen Dauersitz für Deutschland im UN-Sicherheitsrat an. Absurd, denn es wird die UNO nicht handlungsfähiger machen, wenn eine weitere Veto-Macht dazu kommt. Und natürlich wachsen die Rüstungsexporte für die deutsche Wirtschaft in dieser Region unaufhörlich.
Ich glaube unbedingt, dass es eine zivilgesellschaftliche Bewegung braucht, um eine nötige andere Politik durchzusetzen. Friedenspolitik heute wäre aus meiner Sicht:
1. Frieden beginnt bei der Solidarität mit den aus Syrien Geflüchteten hier. Deren Aufenthaltsstatus ist derart prekär, dass viele ihre Situation hier als Gefängnisaufenthalt empfinden. Sie brauchen einen sicheren Aufenthalt und eine schnelle Familienzusammenführung, dann kann von ihnen vielleicht auch ein demokratischer Impuls für Syrien ausgehen. Damit wäre auch gesagt, dass man sich gegen schmutzige Rücknahme-Geschäfte mit Assad ausspricht, die die hierher Geflüchteten größtenteils ablehnen.
2. Es braucht einen vollständigen Stopp aller Rüstungsexporte in die gesamte Region. Das würde auch Israel einschließen. Solange deutsche Unternehmen an den Kriegen vor Ort profitieren, sind alle friedenspolitischen Initiativen von Deutschland aus unglaubwürdig.
3. Und eine zivilgesellschaftliche Bewegung muss sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie die UNO wieder handlungsfähig sein kann. Der Vorschlag, das Veto-Recht im Sicherheitsrat abzuschaffen und einer multipolaren Weltordnung damit Rechnung zu tragen, wurde schon unter Kofi Annan ausgearbeitet.
Alle drei Punkte wären klare Forderungen an die deutsche Außenpolitik, um die sich eine breite Friedensbewegung, die mehr ist als die Verteidigung der eigenen Geschichte, scharen könnte.