Syrien-Konferenz

Friedensrhetorik einer Kriegspartei

30.01.2018   Lesezeit: 3 min

Die Konferenz in Sotchi vertuscht die Verschärfung des Krieges in Syrien. Davon sind die lokalen medico-Partner besonders betroffen. Von Katja Maurer

Die gerade stattfindende sogenannte Friedenskonferenz zu Syrien in der russischen Schwarzmeerstadt Sotchi hat ein hübsches Logo. Eine weiße Friedenstaube ziert ein grüner Olivenzweig. In gefälligen kyrillischen und arabischen Buchstaben umkreist sie der Titel des Events: „Kongress des syrischen Dialogs“. Schon am Flughafen empfing die über 1000 Teilnehmer ein riesiges Billboard mit zwei sich schüttelnden Anzugsärmen, das „Frieden für das syrischen Volk“ verspricht. Die russische Syrienpolitik hat ein bombensicheres Narrativ entwickelt. Eine modernisierte Ästhetik, die aber immer noch auf die Rhetorik aus Sowjetzeiten zurückgreift, ist davon genauso Bestandteil wie die Rede von Deeskalationszonen und Versöhnungsprozessen. Die Vokabeln verschweigen häufig mehr als sie aussagen. Hinter all den friedlichen Worten stehen kriegerische Tatsachen. Der wichtigste russische Bündnispartner, die Assad-Regierung, sorgt im Windschatten dieser Friedensrhetorik für militärische Geländegewinne - auch mit Hilfe russischer Bombardements, wie gerade in Idlib und in Ost-Ghouta. Die Berichterstattung über die zivilen Opfer dieser Angriffe sind Legion. Auch medico berichtet regelmäßig unter anderem aus einer der Projektregionen in Ost-Ghouta.

Die lokalen Kräfte sind nur Werkzeuge

Nun kann man natürlich die Meinung vertreten, dass Friedensbemühungen egal von wem erst einmal gewürdigt und ernst genommen werden müssen. Aber man wünscht sich für Syrien doch Friedensmakler, die nicht Kriegspartei sind wie Russland, Iran oder die Türkei. Als Wesam Sabaaneh, der Leiter unseres syrisch-palästinensischen Partners Jafra im November vergangenen Jahres in Frankfurt war, kündigte er schon an, dass der Krieg in Syrien nicht so schnell zu Ende gehen werde. „Das ist kein Bürgerkrieg, das ist ein internationaler Krieg, in dem die lokalen Kräfte lediglich Werkzeug sind“, sagte er. Mit dem türkischen Einmarsch und den Angriffen auf die kurdischen Regionen in Syrien hat sich das noch viel dramatischer bewahrheitete, als wir vor wenigen Monaten erahnen konnten.

An der Konferenz in Sotchi, die heute zu Ende geht, nimmt die syrische Anti-Assad-Opposition so wenig teil wie die kurdischen Vertreter. Damit sind wesentliche innersyrische Akteure nicht vertreten, trotz der so beeindruckenden Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es braucht also neue Friedensmakler, die imstande sind, alle Akteure einzubinden. Das ist, zugegeben, leichter hingeschrieben als getan. Sie sind nicht in Sicht. Syrien hat nur dann eine Chance auf Frieden, wenn die internationalen Akteure zu Frieden bereit sind. Wozu wohl auch gehört, dass ihre jeweiligen Interessen auf den Tisch kommen und debattiert werden können. In dieser Hinsicht sind Vergleiche der syrischen Verwerfungen mit dem 30jährigen Krieg und dem Westfälischen Frieden durchaus angebracht. Und wenn man an eine große Koalition in Deutschland eine Erwartung äußern möchte, dann die, dass Deutschland und die EU mit der UNO versuchen sollten, eine solche Rolle auszufüllen. Das aber würde politische Visionen verlangen, die jenseits von wachsenden deutschen Rüstungsexporten liegen.

Nothilfe unter sich verschärfenden Bedingungen

An dieser Stelle sei verwiesen auf die Nothilfe der medico-Partner in den Regionen Syriens, in denen sich der Krieg gerade verschärft. So unterstützt medico seinen langjährigen Partnern, die lokalen Komitees und den Stadtrat in Erbin dabei, weitere 35 Keller als Schutz vor Bomben und anderen Kriegshandlungen für die Zivilbevölkerung auszubauen. Erbin liegt in der nahe Damaskus gelegenen Region Ost-Ghouta. Die 50.000 Einwohner-Stadt wird seit 2012 von Regierungstruppen und regierungstreuen Milizen belagert, was zu einer prekären Versorgungssituation geführt hat.

Die Lage hat sich verschärft, seit die unterirdischen Tunnel, die die Stadt mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs versorgten, zerstört wurden und die Angriffe zunahmen. Aus der Stadt Afrin im kurdischen Rojava erreichte uns ein Hilfsaufruf des dortigen Krankenhauses, dem nach den schweren türkischen Angriffen die Medikamente zur Versorgung der Kriegsverletzten ausgehen. Wir sind gerade dabei, Wege zu recherchieren, dieser Bitte um Unterstützung nachzukommen. Spenden unter dem Stichwort „Syrien“ bzw. "Kurdistan" sind angesichts der Kriegseskalation dringend nötig.

Katja Maurer

Katja Maurer leitete 18 Jahre lang die Öffentlichkeitsarbeit von medico international und die Rundschreiben-Redaktion. Heute bloggt sie regelmäßig auf der medico-Website.


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