Das Szenario schien aus einer anderen, längst vergangenen Zeit zu stammen. Am Samstag, den 14. August, wurde die Privatwohnung von Viviana Uribe, Präsidentin der Menschenrechtsorganisation CODEPU, sieben Stunden lang von einem Polizeikommando durchsucht. Die Polizei drang gewaltsam ein, richtete die Maschinengewehre auf die noch schlafenden Bewohner und stellte dann das ganze Haus auf den Kopf. Vor dem Hintergrund der chilenischen Geschichte wecken solche polizeilichen Übergriffe mehr als nur böse Erinnerungen.
Viviana Uribe und ihre hochschwangere Tochter, die während der Übergriffe im Haus war, sind selbst Angehörige von Opfern der Pinochet-Diktatur. Neben Computern, persönlichen Fotos und Kinderspielzeug entwendete das Polizeikommando Dokumente, die im Zusammenhang mit der CODEPU-Arbeit mit den Mapuche-Indianern stehen sowie Augenzeugenberichte von Menschenrechtsverletzungen. Während sich der neue rechte Präsident Piñera vor laufenden Kameras beim Erdbeben und beim Grubenunglück als Retter präsentiert, zeigt der Vorfall bei CODEPU die andere Seite der chilenischen politischen Gegenwart. Auch Wochen später gibt es keine Erklärung in welchem Zusammenhang die Hausdurchsuchung stattfand. Man kann nur spekulieren. Steht sie im Zusammenhang mit der Kriminalisierung der Bewegung der chilenischen indigenen Bevölkerung, den Mapuche?
Seit vielen Jahren setzt sich CODEPU, auch mit Unterstützung von medico, für die Menschenrechte der Mapuche ein. Gerade befinden sich Mapuche-Gefangene im Hungerstreik, die festgenommen wurden, weil sie gegen ihre Entrechtung protestierten. Im Süden Chiles gibt es seit vielen Jahren Auseinandersetzungen um die Aneignung und Privatisierung von Ländereien, die die Mapuche historisch beanspruchen, so bei der Errichtung von sechs Wasserkraftwerken am Fluss Bio Bio, einer wesentlichen Wasserader in der Mapuche-Region. Oder begleichen die Sicherheitskräfte, die sich nun mit dem neuen Präsidenten im Aufwind wähnen, eine alte Rechnung? Sollen Frau Uribe und CODEPU eingeschüchtert werden? Unterstützung für die Arbeit von CODEPU ist umso dringender notwendig, zumal sie in der Mapuche- Region auch Nothilfe für die Erdbebenopfer leisten.