Ägypten

Der Preis der Unerschrockenen

06.02.2018   Lesezeit: 2 min

Die ägyptischen medico-Partnerinnen vom Nadeem-Zentrum für Folteropfer werden für ihre Arbeit geehrt.

Die Arbeit mit und die Unterstützung von Folteropfern erfordert den Blick nicht nur in die Abgründe des Schmerzes, der Ohnmacht und der Verlassenheit des Opfers, sondern auch in die Abgründe der gewaltförmigen Herrschaft des Menschen über den Menschen, die sich darin kristallisiert. Dieser Blick ist kaum auszuhalten, der Wunsch wegzuschauen, von der eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit angesichts sowohl der Opfer als auch der Täter, ist allzu verständlich.

Wir alle tun das die meiste Zeit, wir setzen unseren Alltag fort – trotz der Berichte von den systematischen Tötungen in den syrischen Gefängnissen Assads, den Bildern aus Abu-Ghuraib und Guantanamo, den Quälereien der Regimekritiker*innen in türkischen Knästen, den wiederkehrenden Massakern an Gefangenen in überfüllten lateinamerikanischen Gefängnissen oder vom Brechmitteleinsatz gegen vermeintliche Drogendealer in deutschen Polizeiwachen.

Das Verborgene öffentlich machen

Wer aber nicht wegschaut, nicht wegschauen kann, der macht den Kampf gegen die Folter zu einem persönlichen Anliegen, der nimmt sie persönlich und hört nicht auf, die Opfer zu unterstützen und die Folter, die im Verborgenen geschieht und daraus ihre Macht zieht, öffentlich zu machen.

So beschreibt es die medico-Partnerin Aida Seif al Dawlah vom Nadeem Center for the Rehabilitation of Victims of Torture and Violence in Kairo anlässlich der Verleihung des Menschenrechtspreises von der deutschen Sektion von Amnesty International an das Nadeem Center. Zusammen mit den Mitgründerinnen Magda Adly und Suzan Fayad und der aktuellen Leiterin der Klinik Mona Hamed bilden sie den Kern des Teams des Nadeem-Zentrums und der Klinik.

Macht und Ohnmacht des Staates

Der Zorn des Regimes auf diejenigen, die nicht nur im Stillen den Opfern helfen , sondern die Taten dokumentieren, die Täter benennen und sich für ein Ende dieser Verbrechen einsetzen, hat sich in den letzten Jahren drastisch  gesteigert. Die ägyptischen Behörden  haben dem Zentrum in den letzten zwei Jahren immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen. Mit administrativen Schikanen, Zwangsschließungen, Kontosperren und Reiseverboten ins Ausland für zwei ihrer Gründerinnen zeigt der Staat zugleich seine Macht und seine Ohnmacht.

Denn diese unerschrockenen Frauen, die seit über 20 Jahren die Arbeit des Nadeem-Zentrums trotz aller Widrigkeiten aufrecht halten,  finden weiter Mittel und Wege, Patientinnen und Patienten zu betreuen – auch wenn die Klinikräume immer noch polizeilich versiegelt sind. Und sie setzen ihre Dokumentationsarbeit über Misshandlungen in Polizeistationen und Gefängnissen, über staatlich sanktionierte Morde und das „Verschwindenlassen“ von realen oder vermeintlichen Gegnerinnen und Gegnern der Regierung fort.

Dabei wird medico international sie auch weiterhin unterstützen, heute gratulieren wir allen Mitarbeiter*innen von Nadeem und hoffen sie im April, nach der Preisverleihung von Amnesty in Berlin, auch hier bei uns in Frankfurt begrüßen zu dürfen.


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