Die EU nennt es Rohstoffinitiative...

... wir nennen es Rohstoffraub

21.07.2011   Lesezeit: 5 min

Das große geopolitische Spiel um den Zugriff auf strategisch wichtige Rohstoffe hat begonnen. Weltweit steigt die Nachfrage nach Rohstoffen; zu deren größten Konsumenten gehört Deutschland. Als Rohstoffimporteur und Exporteur von weiterverarbeiteten Produkten bezieht Deutschland Energierohstoffe, Metallrohstoffe und viele Industriemineralien aus mehr als 160 Ländern. Die Europäische Union (EU) fordert in ihrer neuen Rohstoffinitiative (2011) den schrankenlosen Zugang zu Rohstoffen und übt dabei massiven Druck auf die Exportländer aus.

 

Kritische Rohstoffe

Die EU zählt zwei Gruppen von Metallen zu den Kritischen Rohstoffen: (1)

Seltene Erden, eine Gruppe von 17 Metallen, darunter Yttrium oder Dysprosium, die vor allem in der Technologiebranche Verwendung finden, auch für die Herstellung moderner Waffen. (2) Weitere 13 Metalle wie z.B. Tantalum (besser bekannt ist als Coltan) oder Kobalt.

Als kritisch gelten sie, weil sie ein hohes Risiko für Lieferengpässe bergen, weil der Abbau nur in wenigen Ländern stattfindet, und die für die Wertschöpfungskette von strategischer Bedeutung sind.

Die EU nennt es Rohstoffinitiative...

Die EU-Rohstoffinitiative beruht im Kern auf drei Säulen: Dem Zugang zu Rohstoffmärkten weltweit, dem Abbau von Rohstoffen in der EU und Recycling innerhalb der EU. Die Interessen europäischer Konzerne und des einflussreichen Bundesverbandes der Industrie (BDI) sind in der Initiative unübersehbar. Viele Länder des globalen Südens sind reich an Bodenschätzen. Die Europäische Union, mit Deutschland in der Vorreiterrolle, nötigt sie jetzt, Handelsbegrenzungen wie Exportsteuern für Rohstoffe abzuschaffen und ausländische Direktinvestitionen zu ermöglichen.

Begründet wird das aggressive Vorgehen der EU mit der Konkurrenz zu den Schwellenländern, deren wachsender Rohstoffbedarf europäische Interessen untergrabe. In der geostrategisch ausgerichteten Initiative der EU finden ökologische, soziale, politische sowie entwicklungsbezogene Belange kaum Beachtung.

... Wir nennen es Rohstoffraub

Viele der von der EU begehrten Rohstoffe finden sich auf dem afrikanischen Kontinent. Dort leben heute über 300 Millionen Menschen in absoluter Armut. Würdige Arbeit ist Mangelware. Millionen Menschen sterben an Krankheiten, die mit einer besseren Gesundheitsversorgung oder allein dem Zugang zu sauberem Wasser vermeidbar oder heilbar wären. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und nicht ausschließlich in den Handelsbeziehungen zu suchen. Mit ihrer Rohstoffinitiative verschärft die Europäische Union jedoch die Situation. Sie nutzt Handels- und Investitionsabkommen, um sich kostengünstig den Zugang zu Rohstoffen zu sichern und Vorteile für Unternehmen herauszuschlagen; bindende Regeln für transnationale Konzerne gibt es kaum. Folgen dieser Politik sind unzumutbare Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen in den Produktionsstätten der betroffenen Länder. Die Abbaumethoden schädigen die Gesundheit der lokalen Bevölkerung, zerstören die Umwelt und machen die Böden für eine landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar. Mit den Folgen des Raubbaus werden die Menschen allein gelassen. Doppelzüngig hält sich die EU selbst nicht an die Vorgaben, die sie anderen Ländern macht. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt gewährt sie diesen finanzielle Unterstützungen für Exporte und verschärft damit die missliche Lage der betroffenen Länder des Südens.

Eine sinnvolle Steuerung des Rohstoffsektors in den betroffenen Ländern könnte dazu beitragen, die Staatseinnahmen zu erhöhen, um Arbeitsplätze zu schaffen, die verarbeitende Industrie auszubauen und die Infrastruktur zu stärken. Seit langem fordern daher soziale Bewegungen aus Entwicklungsländern und die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass die Exportsteuern erhöht werden, um mit den Einnahmen die Grundversorgung der Bevölkerung sicher zu stellen.

Wachstumszwang und Militarisierung

Das Wirtschaftsmodell der Industrieländer ist ressourcenintensiv und auf ständiges Wachstum angelegt. Der Glaube, dass Wirtschaftswachstum den Wohlstand steigern und gesellschaftliche Probleme lösen könne, beherrscht das Denken. Bereits jetzt konsumiert Europa ein Vielfaches der Ressourcen anderer Kontinente. Dem Wachstumsdogma und der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen verpflichtet, nimmt die Rohstoffinitiative der EU billigend in Kauf, dass den armen Ländern ihr natürlicher Reichtum entwendet wird. Die EU verbindet ihre Forderung nach unbeschränkter Marktöffnung mit der Entwicklungspolitik. In kolonial anmutender Weise wird Entwicklungshilfe vom Zugang zu Rohstoffen abhängig gemacht. Entwicklungspolitik wird so zum willfährigen Instrument wirtschaftsliberaler Interessen. Sogar der Einsatz von militärischen Mitteln zur Deckung des steigenden Ressourcenbedarfs ist eingeplant. Die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen“ ist bereits heute eine verteidigungspolitische Begründung für mögliche Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Die Produktions- und Lebensweise der Industrienationen ist nicht gerechtigkeitsfähig. Während die EU mit der Rohstoffinitiative weiterhin die hemmungslose Ausbeutung der letzten Ressourcen betreibt, sollte ihr Ziel vielmehr die Reduzierung des übermäßigen Ressourcenverbrauchs und die Förderung eines gerechten globalen Systems zur nachhaltigen Nutzung der weltweiten Ressourcen sein.

 

Kampagnenmaterial

Die Rohstoffinitiative der Europäischen Union fordert den schrankenlosen Zugang zu Bödenschätzen.
Sie raubt den Entwicklungsländern ihre natürlichen Ressourcen. Unzumutbare Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung sind die Folge.

Attac und medico international fordern von der EU und der Bundesregierung:

  • Keine Freihandelsverträge mit Entwicklungsländern abzuschließen und deren Recht zu respektieren, die Exporte selbst zu regulieren und Gesetze für Investitionen zu erlassen.
  • Verbindliche Regeln für den Abbau von Rohstoffen zu erlassen, die wirksame Beschwerdemechanismen enthalten: Unternehmen müssen für die Folgen ihrer Geschäftstätigkeit international zur Verantwortung gezogen werden können. Der Import von Konfliktressourcen muss unterbunden werden.
  • Die Entwicklungshilfe nicht für die Rohstoffinteressen der EU zu instrumentalisieren und niemals militärische Mittel für die Deckung des Ressourcenbedarfs einzusetzen.
  • Eine alternative Rohstoffstrategie zu entwickeln, die eine Umkehr von der auf Verbrauch und Konsum ausgerichteten Wirtschaftsweise zu einer gerechten Verteilung und nachhaltigen Nutzung der vorhandenen Ressourcen beinhaltet.

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