Karla ist Künstlerin und öffentlich aufzutreten ist sie gewohnt, allerdings unter völlig anderen Umständen. Eigentlich sind es die Bühnen des Landes, auf denen sie Lieder von der Liebe, von mitreißenden Alltagsgeschichten und den Utopien eines besseren Lebens singt. Die 41jährige ist eine der bekanntesten Sängerinnen in Honduras, mit zwei eigenen CD-Produktionen und internationalen Auftritten. Seit Ende Juni sind die Straßen der Hauptstadt Tegucigalpa ihre Bühne. Am 5. Juli war sie mit ihren Kindern am Flughafen, wollte „Mel“, wie Manuel Zelaya umgangssprachlich genannt wird, dort empfangen. „Niemals hab ich mir so sehr wie an diesem Tag gewünscht, dass wir nicht von der Angst eingeholt werden“, erinnert sie sich an diesen Tag, als der 19jährige Isis Obed Murillo Mencia aus der Provinz Olancho erschossen und mehrere Mitdemonstranten verletzt in Krankenhäuser eingeliefert wurden.
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Karla Lara war 17 als sie Mitte der 1980er Jahre mit ihrer ersten Musikgruppe Protestlieder von Latinogrößen, wie Mercedes Sosa und Amparo Ochoa zu singen begannen. Lieder, die sich gegen die Militärdiktaturen, gegen die Oligarchien und deren ausbeuterischer Unterdrückung der Bevölkerung richteten, „es war eine Musik, die gegen das, was damals an gnadenloser Ungerechtigkeit passierte protestierte.“ Es waren die bleiernen Jahre in Honduras, in Lateinamerika. „Die Zeit des Schweigens, der Angst, der Verschwundenen“ erinnert sich Karla Lara an dieses damals, das plötzlich wieder Zugang in die heutige Zeit gefunden hat. Am 28. Juni 2009 waren es Militärs, die den gewählten Präsidenten verschleppten und den Präsidentenpalast besetzt hielten.
Es sind Militärs, die seither in den Strassen patrouillieren, die mit ihrer Flughafenbesetzung die Rückkehr des gewählten Präsidenten verhinderten und „die erfolgreich sein werden mit ihrem Putsch, wenn eine Rückkehr Zelayas ins Präsidentschaftsamt nicht mehr stattfinden würde und es zu vorgezogenen Neuwahlen käme.“ Ein Erfolg, der für Lateinamerika zu einem bitteren Markierungspunkt in der aktuellen Geschichtsschreiben werden könnte, würde er doch aufzeigen, dass Putschisten auch heute noch mittels Gewehrläufen demokratisch legitimierte Regierungen ad absurdum führen könnten. Und vor allem auch ein Erfolg für die Falken von damals, die Mächtigen der „bleiernen Zeit“, deren damalige Menschenrechtsverletzungen bisher juristisch nicht geahndet wurden. Einer davon ist Billy Joya Améndola, damaliger Polizeikommandant mit Kontakten zu den Todesschwadronen, dem die Verschleppung und das Verschwindenlassen etlicher Oppositioneller der 1980er Jahre und die aktive Beteiligung am heutigen Putsch nachgesagt wird.
„Es kann nicht sein, es darf nicht sein, dass dieser Putsch auch nur in irgendeiner Form Legitimation erfährt“, so die Gegner auf den Straßen des Landes, wo sie sich weiterhin versammeln werden, Tag für Tag. „Viele von denen, die hier auf den Straßen gegen die Putschisten demonstrieren, sind nicht unbedingt Zelaya-Anhänger, aber sie wissen, was auf dem Spiel steht für die Zukunft des Landes, wenn die Militärs siegreich aus diesem politischen Disput hervor gehen“, schreibt eine Aktivistin innerhalb des Netzwerkes zivilgesellschaftlicher Organisationen. „Die Vorgabe für jede zukünftige Regierung wäre damit manifestiert. Abweichler vom traditionellen Weg werden einfach weggeputscht.“
„Tegucigalpa geht unter, Honduras existiert nicht mehr. Wir sind ein verloren gegangenes kleines Land im Bewusstsein der Menschen der Welt“, beschreibt der honduranische Karikaturist Allan Mc Donald die Vorgänge im Land, die sich unter lautstarker Intonierung der Nationalhymne ereignen.
Die Zusammensetzung der Chöre unterscheidet sich allerdings deutlich. Auf der einen Seite in weiß gekleidet, die blau-weißen Nationalfahnen schwingend, diejenigen, die „Mel“ schlicht und einfach zum Teufel wünschen. Sie sehen in ihm einen Vaterlandsverräter, der durch seinen Pakt mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez, sprich dem Beitritt ins ALBA-Bündnis und Petrocaribe-Abkommen, das Land schnurstracks ins Verderben führen würde.
Auf der anderen Seite der bunte, gemischte Haufen von Menschen aller möglichen Schichten, die durch den von „Mel“ vorangetriebenen neuen, für Honduras völlig ungewöhnlichen politischen Diskurs, Hoffnung schöpften. Ein Präsident, der sich nicht ausschließlich als Interessensvertreter der unternehmerischen Oberschicht des Landes verstand, gehörte nicht unbedingt zur honduranischen Politik. Durch ungewöhnliche Maßnahmen überraschte er alle, seine Gegner ebenso, wie diejenigen, die jetzt auf der Strasse gegen den Putsch aktiv sind. Allan McDonald unterstützte beispielsweise mit seinen Karikaturen die von Zelaya angeschobene Initiative für eine verfassungsgebende Versammlung. Er war dann auch einer der ersten, die gleich am Anfang des Putsches der neuen Machthaber verschleppt wurden. „Sie wollen uns einschüchtern, uns von der Strasse holen, den Widerstand brechen und eine nicht mehr existierende Normalität vorgaukeln mit solchen Maßnahmen. Aber da täuschen sie sich“, empört sich eine Demonstrationsteilnehmerin. Das Gegenteil passiert: sie sind mehr geworden, sind besser organisiert. Sie rufen zu Streiks auf, blockieren die zentralen Zugänge der Innenstädte aber auch die Fernverbindungen des Landes.
Es sind gut 60 unterschiedliche Gruppen, die sich mittlerweile in einer Widerstandskoordination zusammengeschlossen, haben. Vorneweg der Bloque Popular, ein linkes Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen, verschiedener Gewerkschaften, Bauern- und Umweltorganisationen, indigene Bündnisse, Studentengruppierungen und auch kleine linke Splittergruppen.
„Sie haben Angst vor uns, weil wir keine Angst vor Ihnen haben“. Mit diesen Zeilen unterstützt auch die mexikanische Sängerin Liliana Felipe die protestierenden Menschen in Honduras. Mehrere Filme mit bewegten und bewegenden Bildern sind mit ihrer Musik gemischt worden und auf Youtube und den widerständischen Internetseiten, wie www.hablahonduras.com zu sehen.
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Da der Zugang zum Internet in Honduras jedoch sehr begrenzt ist, unterstützt medico international die Herstellung und Verteilung von 5.000 DVDs durch das landesweite Bündnis gegen den Staatsstreich “Frente Nacional Contra el Golpe de Estado“. Die DVD soll 40 verschiedene Foto-, Video- und Musikbeiträge zum Staatsstreich bzw. die Pro-testbewegung gegen den Putsch enthalten, die von unabhängigen Künstlern und sozialen Bewegungen produziert wurden. Ihre Verbreitung soll zudem dazu beitragen der Medienzensur etwas entgegen zu stellen und die alternativen Medien in Honduras stärken. Wir bitten Sie dafür um Ihre Spende.
[ Dieser Artikel enstand in Kooperation mit der Autorin und Filmschaffenden Erika Harzer, die lange Jahre in Honduras gelebt hat und in intensivem Austausch mit AktivistInnen gegen den Staatsstreich steht. Mehr: www.eha-media.de ]