Das Beispiel Westsahara

Marokko blockiert jede Verhandlungslösung

20.08.2004   Lesezeit: 3 min

Die völkerrechtswidrige Annektion der Westsahara durch Marokko 1975 und die unter grauenhaften Umständen erfolgte Vertreibung der sahrauischen Bevölkerung – man würde das heute ethnische Säuberung nennen – sind Bestandteil eines vergessenen Konflikts, der im Zeichen des allgegenwärtigen »Kampfes gegen den Terror« vollends ins Abseits zu geraten droht.

Seit 13 Jahren verabschiedet der UNO-Sicherheitsrat in unregelmäßigen Abständen eine Verlängerung des sogenannten MINURSO-Mandats (»UN-Mission für ein Referendum in der Westsahara«). Zuletzt Ende Januar dieses Jahres. Doch eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.

Kompromiss der Polisario

Dabei hatte sich die Frente Polisario, die Vertretung der Sahrauis, im vergangenen Jahr auf einen fast historischen Kompromiss eingelassen und dem Baker-Plan II zugestimmt. Ein in den eigenen Reihen nicht unumstrittener Schritt, denn für fünf Jahre würden sich die Sahrauis auf eine Autonomie-Regelung für die Westsahara innerhalb des marokkanischen Staates einlassen, und erst dann würde ein Referendum über die Zukunft des besetzten Territoriums entscheiden. Doch die marokkanische Regierung hat den Baker-Plan zum Jahresende abgelehnt. Man ist sich in Rabat seiner Schlüsselstellung bewusst. »Einmal abgesehen davon, dass Frankreich seinem Freund Marokko so unerschütterlich treu zur Seite steht wie die USA Israel, wer könnte an einem destabilisierten Marokko Interesse haben?«, fragt die Neue Zürcher Zeitung in einer mehrseitigen Reportage zur Westsahara-Frage im Januar. »Die Europäer etwa? Oder die USA, die gerade dabei sind, mit ihren ‚very good friends‘ in Rabat ein bilaterales Freihandelsabkommen auszumachen? Ruhe wiegt in dieser Ecke des Maghreb nun einmal schwerer als Recht.«

Unterhalb großer Lösungen gibt es ein wenig Bewegung. Ein gemeinsamer Antrag von SPD, CDU/CSU, und Bündnis90/Grüne im deutschen Bundestag bekundet die Unterstützung für den Baker-Plan und übt damit vorsichtigen Druck auf Marokko aus. Auch tut sich auf humanitärer Ebene ein wenig. Im vergangenen Jahr hat die Polisario 300 marokkanische Kriegsgefangene freigelassen. Mitte Februar sind weitere 100, darunter auch Offiziere, hinzugekommen. Damit verbleiben noch ca. 500 Kriegsgefangene im Flüchtlingslager der Sahrauis. Ihr physischer und psychischer Zustand ist laut dem Internationalen Roten Kreuz bedenklich, unter anderem weil 180 von ihnen schon mehr als 20 Jahre in den Lagern leben müssen. Und zum ersten Mal gibt es auf Vermittlung des UNHCRs telefonische und briefliche Verbindung zwischen den sahrauischen Flüchtlingen in den Lagern und deren Familienangehörigen, die unter marokkanischer Besatzung in der Westsahara leben.

Trotzdem. Der nicht enden wollende Verhandlungsstillstand schlägt sich auf die Situation der Menschen in den Lagern nieder. Immer wieder gibt es verzweifelte Forderungen nach der Rückkehr zum bewaffneten Kampf, zuletzt auf dem Kongress der Polisario im Herbst vergangenen Jahres. Es spiegelt sich darin das Gefühl der Ohnmacht angesichts der Tatsache, dass die eigenen Sicherheitsinteressen, nämlich unter würdigen Bedingungen in der Westsahara zu leben, den geostrategischen Interessen und dem »Kampf gegen den Terror« geopfert werden.

Süd-Süd-Austausch

medico leistet seit 1975 solidarisch Hilfe für die 155.000 sahrauischen Flüchtlinge in Algerien. Neben einer Öffentlichkeitsarbeit, die immer wieder versucht, auf diesen »vergessenen Konflikt« aufmerksam zu machen, fördert medico die Entwicklung eines auf die Situation der Flüchtlinge angepassten Medikamentenprogramms. Erfreulich ist, dass sich die neue von medico vorgeschlagene zahnmedizinische Versorgung in den Lagern, großer Beliebtheit erfreut. Sie beruht auf Erfahrungen ähnlicher Programme von medico-Partnern in Guatemala. Kleine mobile Dental-Einheiten, die auch bei einer Rückkehr in die Westsahara ohne Probleme mitgenommen werden könnten, sind in die Gesundheitsstationen der einzelnen Lager geliefert worden. Sahrauische Zahntechniker wurden in ihrem Gebrauch ausgebildet. Die Dental-Einheiten sind weitaus weniger störanfällig, leichter zu bedienen und zu reparieren als die hochtechnisierten Apparaturen, die sich als unbrauchbar für die Lager erwiesen haben.

Katja Maurer

Wenn Sie die medico-Förderung für die Sahrauis unterstützen wollen, die auch unter den entmündigenden Lebensbedingungen eines Flüchtlingslagers den Prinzipien der Partnerschaftlichkeit verpflichtet ist, spenden Sie bitte unter dem Stichwort »Westsahara«.


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