Die psychosoziale Arbeit von medico hat nicht nur eine jahrzehntelange Geschichte, sondern auch ein Gesicht. Nun aber ist es so weit: Usche Merk, unsere Kollegin aus der Kooperationsabteilung, geht nach 35 medico-Jahren in den Ruhestand. Sie verantwortete und prägte maßgeblich den Bereich der psychosozialen Arbeit sowie die Projektarbeit in Südafrika, wo sie zuvor schon mehrere Jahre in der gemeindeorientierten Friedens- und Entwicklungsarbeit gearbeitet hatte – immer eng verwoben mit dem „Struggle“, dem Kampf gegen das Apartheidregime.
Über die Jahrzehnte hat Usche aktivistische Netzwerke mitgeschaffen und Menschen wie Partnerorganisationen vor allem darin unterstützt, sich bei ihrem Kampf gegen große und kleine Missstände nicht ohnmächtig und vereinzelt zu fühlen. Sie machte sich für emanzipatorische Sorgebeziehungen stark, machte die – überwiegend von Frauen geleistete – Care-Arbeit sichtbar, würdigte sie in ihrer Bedeutung als widerständige Praktik und stritt für ihre rechtliche Anerkennung wider die Ausbeutung. Die Geschichte von mehr als 8.000 Gemeindegesundheitsarbeiter:innen zeigt, dass sich dieser Einsatz lohnen kann: 2020, nach langem Kampf und unter Bedingungen der Pandemie, gelang es ihnen in der südafrikanischen Provinz Gauteng mit Unterstützung der medico-Partner:innen, eine Festanstellung durch den südafrikanischen Staat zu erkämpfen.
Die von Usche geprägte psychosoziale Arbeit bei medico hatte immer einen klaren politischen Kompass: In einer gestörten Welt muss eine politische psychosoziale Arbeit scheinbar individuelles Leid als gesellschaftliche Erfahrung wahrnehmbar machen. Nicht zuletzt richtete sich ihre Kritik auch gegen die neoliberale Mainstream-Psychologie. So hat Usche bei medico die Debatte um den Begriff der Resilienz unter dem Titel „Fit für die Katastrophe“ wesentlich mitgeprägt. Obgleich der Wissenstransfer an die jüngeren Kolleg:innen Usche immer ein wichtiges Anliegen gewesen ist, wird es eine Herausforderung, ihre Arbeit ungebrochen fortzusetzen. Vermissen werden wir sie umso mehr, nicht zuletzt als Autorin des rundschreibens.
Dieser Beitrag erschien zuerst im medico-Rundschreiben 4/2024. Das Rundschreiben schicken wir Ihnen gerne kostenlos zu. Jetzt abonnieren!