Solidarische Nothilfe für bedrohte Migranten

medico-Partner an der tunesisch-libyschen Grenze

10.03.2011   Lesezeit: 4 min

Seit dem Ausbruch der Kämpfe in Libyen ist auch unser Projektpartner AME (Association Malienne des Expulsés) bemüht, den zahlreichen malischen Arbeitsmigranten in Libyen beizustehen und ihnen eine sichere Ausreise zu ermöglichen. Der medico-Partner hat in den letzten Tagen wiederholt repatriierte Migranten aus Tunesien und Libyen am Flughafen Bamako empfangen, die von mehreren Toten unter den subsaharischen Migranten während der Kundgebungen in Libyen als Folge der Vermischung von Migranten und “schwarzen Söldnern” des libyschen Regimes berichteten. Die Heimkehrererzählten auch, dass einige Gefängnisse während der Demonstrationen zerstört und so Migranten befreit wurden.

Zusätzlich war Ousmane Diarra, Vorsitzender der AME, in den letzten Tagen immer wieder in Kontakt mit dem “Ministerium für Malier im Ausland”. Einmal ging es darum, dass die malische Regierung sich für ihre Staatsbürger in Libyen einsetzt, aber auch, dass sie die entsprechenden finanzielle Mittel bereitstellt, damit die noch immer in Libyen oder im ägyptischen und tunesischen Grenzgebiet festsitzenden Malier sicher heimreisen können.

Dieser Druck erscheint auch notwendig, weil die malische Regierung traditionell enge wirtschaftliche Beziehungen zum Gaddafi-Regime pflegt. Zahlreiche Neubauten, Hotels und auch Banken in Mali wurden in der Vergangenheit von libyschen Holdings gebaut. Hinzukommt die Pacht von großen Flächen Ackerland. Bei einem Sturz des Gaddafi-Regimes würden auch in Mali mehrere tausend sichere und gutbezahlte Arbeitsplätze verloren gehen. Insofern überrascht es nicht, dass die malische Regierung zu Beginn der Kämpfe in Libyen die islamischen Vereine, die Verwaltungen und die Bevölkerung aufgerufen hat, in die große Moschee von Bamako für die Aufrechterhaltung und Unterstützung des Gaddafi-Regimes zu beten. Demgegenüber hat die AME in mehreren Interviews öffentlich darauf hingeweisen, dass Migranten in Libyen, besonders jene mit schwarzer Hautfarbe, sich aus Angst vor Gewalttaten verstecken müssten - einmal wegen dem bestehenden Rassismus, aber auch aktuell aufgrund der drohenden "Verwechslung" mit subsaharischen Soldaten der libyschen Regierung.

Heute erreichte uns folgende Email von Baba Dembélé, Mitarbeiter der AME aus Bamako, dass wir in Folge dokumentieren möchten:

Bamako, Donnerstag, den 10.03.2011, 08:37 Uhr Ortszeit:

Betr.: Hilfe aus Mali im Grenzgebiet

„Unsere Landsleute verlassen Libyen, um sich in Tunesien einzufinden. Auf dem Weg dorthin haben sie unter widrigen Bedingungen zu leiden. Sie werden regelmäßig von loyalen Militärs und libyschen Milizen ihrer Habschaften beraubt, bevor sie an der tunesischen Grenze ankommen. Manche wurden gar zusammengeschlagen und ihre Schuhe waren zerrissen“, hat uns gestern per Telefon unser Mitarbeiter Alassane Dicko aus dem Camp in Ras Jedir mitgeteilt. Er hat verdeutlicht, dass gestern Morgen 2500 Malier im tunesischen Camp gezählt wurden, die auf einen Konvoi warteten, um in ihre Heimat zurückkehren zu können.

Alassane Dicko weiter: „Ein Team der AME ist derzeit an der tunesisch-libyschen Grenze, um das Ausmaß der Flüchtenden und deren Bedürfnisse überblicken zu können und herauszufinden, was zu tun ist, um eine würdevolle Rückführung unserer Brüder nach Mali zu ermöglichen.“ Die Flüchtlinge hätten alle harte Stunden und Tage hinter sich. Sie wären auf libyscher Seite registriert, verfolgt und oft auch erpresst worden von Gaddafi-loyalen Soldaten und sogar durch revolutionäre Aufständische. Letztere wohl aufgrund der Verwechslung mit der Anwesenheit von Söldnern aus dem subsaharischen Raum, die in bestimmten Regionen auf Demonstranten des krisengeschüttelten Landes schießen. Mehrere Personen, die über die Oasenstadt Ghadames die Grenze nach Algerien passieren wollten, wurden von jungen Revolutionären verängstigt und für zwei Tage gefangen genommen, um dann mit 80 weiteren Personen, die zwei Wochen festgehalten wurden, wieder freigelassen zu werden.

All diese Menschen sind deshalb derzeit an der tunesischen Grenze. Die malischen Migranten wiesen darauf hin, dass sie die Transportkosten (70 tunesische Dinars) selbst zahlten, um Tripolis und Benghazi gen tunesische Grenze zu verlassen.“

Laut der Auswanderer, so Alassane Dicko, gibt es noch sehr viel mehr Personen in Libyen, die verängstigt sind, aber nicht das nötige Geld haben, um den Transport zur Grenze bezahlen zu können. Andere wiederum warten darauf, bis sich die Lage wieder beruhigt hat, weil sie daran glauben, danach ohne Probleme Arbeit zu finden.

Jedoch, so die AME: „Die Schwierigkeit resultiert aus den Mitteln, dies in die Tat umzusetzen und aus der politischen Absicht unserer Regierenden, mit offenen Karten (gegen Gaddafi) zu spielen und die Rückführung der Migranten voranzutreiben. Zurzeit haben wir 600 Malier und andere Auswanderer im Camp Soucha wieder gefunden, nicht weit von der Kommune von Ras-Jedir. Die Bangladeshis und Sudanesen bilden dabei die größten Bevölkerungsgruppen im Camp, danach kommen die Malier, die Burkiner, die Gambier, die Ghanaer und Senegalesen.“

Die AME unterstreicht, dass sich alle NRO’s vor Ort für ein Maximum an Sicherheit für alle Migranten und Flüchtlinge einsetzten.


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