Dem von grausamen inneren Kriegen geprägten Schicksal vieler Länder des subsaharischen Afrika ist Südafrika vor allem wegen des Verzichts der einstigen Befreiungsbewegung ANC entgangen, das frühere Apartheidregime bewaffnet in die Knie zu zwingen. Dieses hatte in den 80er Jahre begonnen, seine schwindende Macht durch Anstiftung sogenannter »ethnischer Konflikte« in der schwarzen Bevölkerungsmehrheit zu sichern. Dazu verbanden sich die weißen Rassisten mit den Führern der Inkhata-Partei, die ihre soziale Basis hauptsächlich unter den Zulus rekrutierte. In KwaZulu Natal, der am dichtesten besiedelten Provinz des Landes, brannten die townships, ein Großteil der ohnehin unzureichenden Infrastruktur und die gesamte lokale Ökonomie wurden vernichtet, Tausende von Menschen getötet, verletzt, vertrieben. Vor allem wurden die sozialen Beziehungen der Menschen zerstört, die Familien-, Verwandtschafts- und Nachbarschaftsnetze zerschnitten, in denen sie ihr prekäres Überleben, ihre soziale Autonomie und ihren Widerstand gegen die rassistische Herrschaft organisierten. Dem »ethnischen Krieg« ging die bewußte Ethnisierung der schwarzen Gemeinden voraus – initiiert vom weißen Regime, eigenständig fortgesetzt von den lokalen Chefs des ANC und der Inkhata, dann auch von denen übernommen, die sich alltäglich in diesen Fronten bewegen und behaupten mußten. Obwohl die Kämpfe mit dem Sturz der Apartheid endeten, wird das Leben in Natal noch heute durch eine Ökonomie, ja durch eine Kultur der Gewalt bestimmt.
Je größer die Enttäuschung über die neoliberal gewendete Politik des regierenden ANC wird, desto brüchiger wird der Frieden in den townships. Der Gefahr arbeiten die Survivors of Violence – die »Überlebenden der Gewalt« – entgegen, eine Nicht-Regierungs-Organisation, die in den Elendsvierteln rund um Durban und Pietermaritzburg aktiv ist. Die Survivors versuchen, das von der Gewalt zerrissene soziale Band neu zu knüpfen – im Alltagsleben, und entlang der kommunalen Interessen der Betroffenen. Dabei »unterlaufen« sie die sozialen Spaltungen, indem sie auf beiden Seiten ansetzen. In Bhambayi verläuft die »Front« sichtbar in der Mitte der in hügeligem Gelände gelegenen Siedlung: entlang eines Baches, der die dem ANC verbundenen Familien von den noch ärmeren Familien trennt, die von der Inkhata »vertreten« werden. Die Survivors initiieren in beiden Lagern Frauen-, Jugend- und Kindergruppen – Dienstags und Donnerstags trifft man sich im Inkhata-, Montags und Mittwochs im ANC-Gebiet. Zur Arbeit gehört psychosoziale Assistenz nicht weniger als gemeinsamer Gemüseanbau, von dessen Erträgen Nähmaschinen erworben werden, auf denen die Frauen Kleider für den Eigengebrauch und für den lokalen Markt nähen. Als die Inkhata-Männern verhindern, daß auch auf »ihrem« Gebiet ein Kindergarten eröffnet wird, bringen die Frauen ihre Kinder ins ANC-Gebiet – ein Schritt, den beide Frauengruppen »ihren« Männern gegenüber durchsetzen. In ihren Begegnungen kommt zur Sprache, worum es in den Konflikten der Vergangenheit ging – um überkommene Machtstrukturen wie z.B. die Stellung der traditionellen Heiler, aber auch um Landrechte, die Verfügung über das Wasser, den Zugang zu den Schulen und Gesundheitseinrichtungen, die während der Kämpfe nicht zufällig in Flammen aufgingen. Um Konkurrenzen unter Kleinunternehmern und um die Erwerbslosigkeit, von der die meisten betroffen sind. Um Nöte, die weder die Frauengruppen noch die community worker der Survivors gänzlich beseitigen können, weil sie aus Verhältnissen herrühren, die in Bhambayi allein nicht geändert werden können. Mit der Veränderung dieser Verhältnisse allerdings kann in Bhambayi so gut wie anderswo begonnen werden. Ein erster Schritt ist die freie Selbstorganisation der Überlebenden der Gewalt. Die wiederum beginnt mit dem Kampf um Kindergärten, mit dem Wiederaufbau niedergebrannter Gesundheitszentren, mit der Organisation von Versammlungen, auf denen die Gemeinde ihre Strom- und Wasserversorgung zu regeln versucht. Mit psychosozialen workshops, in denen sich Männer, Frauen und Jugendliche begegnen, die sich noch vor kurzem bewaffnet bekämpft haben. Niemand in Bhambayi und sonstwo in Südafrika braucht die U-Boote und Korvetten, die die deutsche Kriegsökonomie an eine Regierung verkauft, die anderes zu tun hätte, als deren Profite zu mehren.
medico fördert die Arbeit der Survivors of Violence in diesem Jahr mit über 100.000 DM. Gegen die deutsche Kriegsökonomie haben wir eine Unterschriftensammlung initiiert, in der wir die Bundesregierung auffordern, unverzüglich die rückhaltlose öffentliche Transparenz ihrer Rüstungsexportentscheidungen sicherzustellen und die dafür erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen. Helfen Sie uns, durch Ihre Spende unter dem Stichwort »Südafrika« und mit Ihrer Unterschrift.