Zum ersten Mal wagen 15 Frauen eine Klage gegen Militärs wegen jahrelangem sexuellen Missbrauch. Der Fall Sepur Zarca.
Guatemala-Stadt, 23. Juni 2014, vor dem Gerichtshof für Fälle hohen Risikos beginnt die öffentliche Anhörung im Fall Sepur Zarco. 15 Qeqchi-Frauen haben Klage eingereicht gegen jene Militärs, die ihnen vor 30 Jahren massive physische und sexuelle Gewalt angetan haben. Sie alle stammen aus der Region um die Kleinstadt Panzos, im Süden der Provinz Alta Verapaz, wo 1978 das erste große Massaker des Militärs gegen die ländliche, indigene Bevölkerung stattfand.Damals wie heute ging es um die Landfrage, die unrechtmäßige Aneignung riesiger Ländereien durch die guatemaltekische Oligarchie sowie internationale Investoren und damit verbunden um die Zerstörung der Lebensgrundlagen der dort ansässigen Qeqchis.
Im Dienste der Großgrundbesitzer schlug das Militär 1978 einen friedlichen Protest blutig nieder. Damit begann eine „Politik der verbrannten Erde“, die in einen „Mord als Regierungsprogramm“ mündete. In diesem Rahmen wurden soziale Aktivisten unter dem Vorwand, sie seien Aufständische, gezielt ermordet. Unzählige Menschen „verschwanden“, auch ihre Dörfer wurden in den 1980er Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Kein Ort der potenziellen Dissidenz sollte bleiben.
Der Fall Sepur Zarca
In der Nähe des Dorfes Sepur Zarca wurde im Zuge dieser Operationen auf dem Landbesitz eines der Großgrundbesitzer ein Militärlager errichtet. Dorthin wurden 1982 zwanzig Frauen verschleppt, deren Männer zuvor „verschwunden“ waren. Ein halbes Jahr lang wurden die Frauen dort als Sex-Sklavinnen gefoltert. „Es war an diesem Ort, an dem die Soldaten meine Ehe zerstörten“, flüstert eine der Überlebenden in ihrer Muttersprache Qeqchi in die Gerichtsmikrophone.
Eine andere sagt: „Das Militär verbrannte all unser Hab und Gut. Wir hatten nichts, wohin wir zurückkehren konnten. Als wir nach einem halben Jahr in dem Lager nicht mehr Dienst leisten mussten, zwang man uns, die Soldaten weiter mit Lebensmitteln zu versorgen, ihnen Tortillas zuzubereiten und ihre Uniformen zu waschen. Das ging sechs Jahre lang so.“ Die Soldaten hätten ihnen gesagt: „Da eure Ehemänner nicht mehr da sind, gibt es niemanden, der für euch sprechen kann. Ihr müsst schweigen.“
Heute schwören sie mit erhobener Hand, vor Gericht die Wahrheit zu sagen, und berichten über das Grauen, das ihnen angetan wurde. Seit Jahren werden die Frauen vom medico-Partner ECAP psychologisch betreut und begleitet. Es dauerte lange, bis die Frauen über ihre schrecklichen Erlebnisse reden konnten. Denn es blieb nicht bei der sexuellen Ausbeutung der Frauen durch verrohte Soldaten, auch anschließend wurden die Opfer in ihren Gemeinschaften stigmatisiert und ausgegrenzt. Sie schwiegen aus Scham und konnten Jahrzehnte mit niemand über das sprechen, was ihnen widerfahren war.
Jetzt aber haben 15 Frauen den Mut aufgebracht und Anklage gegen ihre Peiniger erhoben. Eine erste öffentliche Anhörung vor Gericht hat stattgefunden. Dabei kam erstmals die besondere Bestialität der patriarchalen und rassistischen Gewalt der Ära Ríos Montt öffentlich zur Sprache. Zuvor hatten zivilgesellschaftliche Organisationen die Anklage vorbereitet, die juristische Vertretung und soziale Begleitung der Frauen übernommen. Darüber hinaus führten sie in der Region und in dortigen Militärstützpunkten Exhumierungen durch und fanden in den Massengräbern auch einige der damals vom Militär ermordeten Ehemänner.
Seit unter dem Präsidenten Pérez Molina systematisch Richter und Staatsanwälte, die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen betreiben, in ihrer Arbeit behindert und versetzt werden, könnte dieser Prozess in der guatemaltekischen Öffentlichkeit für neues Aufsehen sorgen.
Dieter Müller
Spendenstichwort Guatemala
Der medico-Partner Equipo de Estudios Comunitarios y Acción Psicosocial, kurz ECAP, arbeitet seit Jahrzehnten in den vom damaligen Morden betroffenen Gemeinden der Maya-Bevölkerung. Die ECAP-Aktivistinnen stehen den betroffenen Frauen bei, begleiten sie vor Gericht und helfen ihnen, mit den furchtbaren Geistern der Vergangenheit leben zu können. Es geht aber auch um gesellschaftliche Anerkennung des Leids, um Wiedergutmachung – und um eine Verurteilung der Täter.