Homayoun

Auf der Flucht zu seinen Kindern zum Schmuggler erklärt

Im September 2021 erhält Mahtab Sabetara einen Anruf, der ihr Leben verändern wird. Ihr Vater, Homayoun Sabetara, wurde in Griechenland verhaftet und sitzt im Gefängnis. Der Vorwurf: Schmuggel. Für seine zwei Kinder, die beide in Berlin leben, bricht eine Welt zusammen. Wochenlang hatten sie um ihren Vater, ihren einzigen verbliebenen Elternteil, gebangt, der sich auf den Weg gemacht hatte, um ihnen nach Berlin zu folgen. Die beiden Geschwister hatten den Iran aufgrund der schwierigen politischen Situation mithilfe von Studierendenvisa verlassen. Ihrem 60-jährigen Vater war dieser Weg jedoch verwehrt. Daher bezahlte er einen Schleuser, der ihn von der Türkei über den Grenzfluss Evros nach Griechenland bringen sollte. Auf griechischem Boden angekommen, organisierte der Schleuser ein Auto für die Weiterfahrt ins Landesinnere. Doch ließ er die Gruppe, bestehend aus Homayoun und sieben weiteren Personen, in einem Wald nahe der Grenze zurück. Um weiterzukommen musste jemand ans Steuer. Homayoun übernahm die Verantwortung, die ihm bald zum Verhängnis wurde: Als eine Polizeistreife das Auto stoppte, nahm sie ihn, obwohl selbst Teil der Gruppe, fest. Homayoun wurde der „Beihilfe zur unerlaubten Einreise/Schmuggel“ von sieben Menschen angeklagt.

Im berüchtigten Athener Korydallos-Gefängnis musste er ein ganzes Jahr auf seinen Prozess warten. Am 26. September 2022 wurde er trotz der Aussagen seiner Kinder, die aus Berlin angereist waren, um seine Version der Geschichte zu bestätigen, vom Gericht wegen 7-facher Schleusung schuldig gesprochen und zu 18 Jahren Haft verurteilt.

Fassungslos und wütend angesichts dieser Ungerechtigkeit startete seine Tochter Mahtab die Kampagne #FreeHomayoun, um den Fall ihres Vaters bekannt zu machen und für seine Freiheit zu kämpfen. Im Sommer 2023 wurde ihm auf einer Gala des Vereins borderline-europe in Erinnerung an die berühmte Fluchthelferin Lisa Fittko in Abwesenheit die „Goldene Lisa“ verliehen. Mit diesem Preis werden Menschen geehrt, die heute dazu beitragen, Grenzregime zu überwinden.

Nachdem Homayoun bereits 575 Tage in Haft verbracht hatte, wurde für den 22. April 2024 die Berufungsverhandlung angesetzt. Zahlreiche griechische und internationale Unterstützer:innen versammelten sich vor dem Gerichtsgebäude in Thessaloniki – nur um kurze Zeit später zu erfahren, dass die Verhandlung um fünf Monate verschoben wurde.

Homayoun Sabetara steht stellvertretend für Tausende von Migrierenden, die wegen Schmuggels in griechischen Gefängnissen ausharren, nur weil sie ein Boot oder Auto gesteuert haben. Er hält seine Gedanken seit seiner Verhaftung in einem Tagebuch fest: „Die Richterin, eine ältere Dame, verkündete stolz ihr Urteil. Dann legten sie mir die Handschellen wieder an. Ich stand unter Schock und verstand nicht, was passiert war. (...) Ich träume von Freiheit. Ich war noch nie im Gefängnis, aber es fühlt sich an wie ein Albtraum. (...) Wie sehr ich das Klavierspielen meiner Tochter vermisse.