FAQ – Der Fonds für Bewegungsfreiheit
Wir stehen ein für das Recht zu gehen und zu bleiben, für das Recht auf Asyl und das Recht anzukommen. Diese Rechte sind immer stärker bedroht. Fliehende Menschen werden dafür kriminalisiert, Grenzen zu übertreten und sich gegenseitig auf der Flucht zu unterstützen.
Tausende Menschen sitzen in Europa und entlang der Fluchtrouten aus dem Mittleren Osten und Afrika im Gefängnis. Sie flohen vor Verfolgung, Krieg, Armut und Ausbeutung, doch ihr Grenzübertritt und der Vorwurf der Unterstützung von anderen Menschen auf der Flucht wurde ihnen zum Verhängnis. Sie werden der „Beihilfe zur unerlaubten Einreise“, also der Schleuserei und anderer Taten angeklagt, zum Beispiel andere Leben in Gefahr gebracht zu haben, das Kentern eines Schiffes verursacht zu haben oder Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein.
Nach dem europäischen Rechtsrahmen durch das EU Facilitator‘s Packagemüssen die Beschuldigten kein Geld dafür bekommen und keinen Zwang gegenüber anderen fliehenden Menschen ausgeübt haben, um der Beihilfe zur unerlaubten Einreise schuldig gesprochen zu werden. Verschiedene Fälle zeigen, dass es ausreichen kann, am Steuer eines Bootes oder eines Autos gesessen zu haben, Wasser an Bord eines Schiffs verteilt oder die Küstenwache gerufen zu haben, um zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt zu werden.
Es gibt keine gesicherten Zahlen über die Folgen des europäischen Kampfes gegen Schleuserei. Einzelne Studien lassen jedoch das Ausmaß der Ungerechtigkeit erahnen. So zum Beispiel in Griechenland, wo über 2.000 Menschen wegen des Vorwurfs der Schleuserei hinter Gittern sitzen – sie machen 20 Prozent aller griechischen Gefängnisinsass:innen aus und die meisten von ihnen sind selbst Geflüchtete. Studien zeigen, dass diese Menschen in Schnellverfahren von ca. 30 Minuten zu durchschnittlich 46 Jahren Haft und Geldstrafen von über 300.000 Euro verurteilt werden. Auch in Italien, Spanien und England wird von fast jedem ankommenden Flüchtlingsboot mindestens ein Mensch festgenommen und bezichtigt, anderen bei der Einreise geholfen zu haben. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Gesetzesgebung zur Beihilfe zur Einreise auf EU-Ebene durch die bevorstehende Reform des Facilitator’s Package weiter verschärft wird.
Mit dem Fonds für Bewegungsfreiheit werden Menschen unterstützt, die entlang der Fluchtrouten nach Europa festgenommen und als Schleuser kriminalisiert werden. Der Fonds richtet sich primär an Menschen, die selbst Geflüchtete sind und im Gefängnis sitzen oder Haftstrafen zu befürchten haben und selbst keine Anwält:innen zahlen können. Außerdem sollen Unterstützer:innen von Menschen auf der Flucht gefördert werden, die kriminalisiert werden oder von anderen Formen der Repression betroffen sind, darunter auch medico- Partnerorganisationen.
Die Auswahl der Fälle wird durch die medico-Partnerorganisation für den Fonds für Bewegungsfreiheit, den Verein de:criminalize in Berlin, umgesetzt, der Fälle zur Unterstützung auswählt.
de:criminalize ist ein Verein, dessen Mitglieder seit Jahren Kriminalisierungsfälle an den EU-Außen- und Binnengrenzen begleiten. Die Aktivist:innen haben in den letzten Jahren unter anderem bei borderline-europe über 60 Fälle von Menschen unterstützt, die für ihre eigene Migration oder weil sie anderen auf der Flucht geholfen haben, kriminalisiert wurden. Dabei haben sie umfassende Expertise hinsichtlich der Abläufe und Spezifika verschiedener Kriminalisierungsformen erarbeitet. Finanziert werden anwaltlicher Beistand und Verfahrenskosten, materielle Unterstützung in Haft (wie Kleidung, Essen und Telefonkarten), Übersetzungen von Dokumenten sowie Kosten der Unterstützung von Betroffenen. In enger Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen und Anwält:innen wird die Unterstützung vor Ort umgesetzt, werden Prozesse begleitet und Betroffene in Haft besucht.
Schleuserei und Menschenhandel sind unterschiedliche Phänomene. Während beim Straftatbestand der Schleuserei keinerlei Zwang, Gewalt oder Profitstreben vorliegen muss, ist der Menschenhandel immer mit gewaltvoller Ausbeutung verbunden. Es ist wichtig, gegen diese Gewalt vorzugehen. Damit hat aber der „Kampf gegen Schleuserei“ nichts zu tun. Er trifft weniger organisierte kriminelle Strukturen, sondern vor allem Migrant:innen selbst und ihre Unterstützer:innen. So werden nicht die Täter:innen, sondern die Opfer von Grenzgewalt bestraft.
Natürlich gibt es auch Akteure, die die Organisierung von Grenzübertritten mit systematischer Ausbeutung verbinden. Im Schatten der Militarisierung von Grenzkontrollen bilden sich auch kriminelle Strukturen. Ein prominentes Beispiel ist die sogenannte Libyschen Küstenwache. Finanziert und ausgebildet von der Europäischen Union haben Generäle verschiedener Milizen die lukrative Möglichkeit erhalten, ihre auf Gewalt basierenden Ökonomien zu festigen.
Wie kann man sicher gehen, dass durch das Geld keine gewaltvollen kriminellen Strukturen unterstützt werden?
Durch die enge Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen und Solidaritäts-Netzwerken, die den jeweiligen Kontext kennen sowie eine gründliche Prüfung der Anträge anhand von Auswahlrichtlinien stellen wir sicher, dass ausschließlich Fälle unterstützt werden, in denen Menschen dafür kriminalisiert werden, das Recht auf Bewegungsfreiheit zu verteidigen.