Die somalische Zentralregierung hat aufgrund der Heuschreckeninvasion den nationalen Notstand ausgerufen. Dabei sah es für einen kurzen Moment im vergangenen Jahr vergleichsweise gut aus. Vergleichsweise gut, gemessen an den Vorjahren: Mit der Dürrekatastrophe seit 2016 standen Somalia und das Horn von Afrika immer wieder an der Schwelle zur Hungersnot. Mehrere saisonale Regenfälle waren zu schwach oder ganz ausgeblieben und die Folgen für die Bevölkerung verheerend.
Doch dann, 2019, regnete es endlich ausreichend, nicht überall in Somalia, nicht gleichmäßig, aber immerhin Regen, der das Weideland der Viehherden wieder ergrünen ließ. Es sah gut aus. Und dann es regnete weiter und immer stärker. Böden wurden weggespült, Flüsse traten über die Ufer, ganze Regionen wurden überschwemmt und die erwartete gute Ernte vernichtet. Das war bereits ein harter Schlag gegen die Ernährungssouveränität der Menschen. Der Regen aber sorgte außerdem für ideale Brutbedingungen für die Heuschrecken.
„Hier reiht sich Krise an Krise, Katastrophe an Katastrophe“
Noch im November traf ich die medico-Partnerorganisationen aus der Region auf einer Wiederaufbau-Konferenz, unter ihnen auch Abdullahi Hersi, Direktor von NAPAD (Nomadic Assistance for Peace and Development) aus Somalia. Während andere Partnerorganisationen von erfolgreichen Wiederaufbauprogrammen nach Erdbeben berichteten, dämpfte er die Erwartungen: „Wiederaufbau? Rehabilitation? Wir tun was wir können, aber hier reiht sich Krise an Krise, Katastrophe an Katastrophe.“ Zu diesem Zeitpunkt waren die Heuschreckenschwärme bereits dabei, riesige Gebiete kahl zu fressen. Abdullahi sprach aus langjähriger Erfahrung.
Die somalische Regierung hat kaum Mittel zur Bekämpfung der Schwärme. Anders als in Kenia oder Äthiopien gibt es weder Sprühflugzeuge noch lässt die Sicherheitslage größere Aktivitäten am Boden zu. Der somalische Staat kämpft mit inneren Spaltungen und Terror und hat der eigenen Bevölkerung wenig anzubieten.
So versucht die Bevölkerung selbst, die Heuschrecken mit Lärm oder Rauch zu vertreiben – mit geringem Erfolg. Auf einer Reise nach Somalia im Oktober letzten Jahres erzählten mir Kleinbäuerinnen noch voller Stolz von ihren neu angelegten Feldern und der Hoffnung auf eine gute Ernte. Davon ist nicht mehr viel übrig.
Mehr Starkregen, mehr Trockenheit – der Klimawandel konkret
Das ist kein Pech, keine biblische Plage, kein Schicksal. Das ist auch die Konsequenz eines Klimas, das immer unberechenbarer wird. Unsere Lebensweise, angetrieben durch fossile Energien und massiven Ressourcenverbrauch, erhitzt die Atmosphäre. Der indische Ozean wird stetig wärmer und bringt einerseits mehr Starkregen, andererseits mehr Trockenheit ans Horn von Afrika.
Die Folgen des Klimawandels treffen hier zuerst diejenigen, die so arm sind, dass sie nur von der Hand in den Mund leben. Das was hier noch als „eigenartiges Wetter“ Smalltalk-Thema ist, ist für Menschen in anderen Regionen bereits lebensbedrohlich.